Der Prophet Jesaja nennt den Herrn Jesus den „Mann der Schmerzen, und mit Leiden vertraut“ (Jes 53,3); Er selbst klagt: „Meine Seele ist satt vom Leiden“ (Ps 88,4), und sagt doch hingebungsvoll: „Schmerzhaft ist mein Schlag. Doch ich spreche: Ja, das ist mein Leiden, und ich will es tragen“ (Jer 10,19).
In der Schrift lernen wir verschiedene Arten von Leiden kennen, die der Herr erduldet hat, sowohl in seinem Leben als auch in seinem Sterben. Folgende natürlich unvollständige Auflistung soll einen kleinen Überblick geben:
- Sühnende Leiden: Diese Leiden, die der Herr in den drei Stunden der Finsternis litt, waren unbestritten der Höhepunkt für Ihn. Sie umfassen Gottes Strafe für Sünde und Sünden und sind somit für Gottes Befriedigung als auch für unsere Errettung die wichtigsten. Von allen Arten von Leiden sind sie die einzigen, die letztlich den Weg zum Himmel bereitet haben. Petrus spricht davon: „Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten“ (1. Pet 3,18).
- Leiden der Vorahnung und Vorempfindung: Johannes berichtet, dass der Herr schon im Voraus alles wusste, was über Ihn kommen würde (Joh 18,4). Besonders deutlich werden diese Leiden im Garten Gethsemane, als Ihm lebendig und schrecklich vor Augen stand, was am Kreuz geschehen würde. Wir lesen: „Er fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Und er spricht zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod“ (Mk 14,33.34). John Nelson Darby schreibt: „Er ging Grimm und Zorn entgegen. Er trank zwar noch nicht den Kelch, Er wurde noch nicht geschlagen, aber Er ging dem entgegen.“
- Leiden um der Gerechtigkeit willen: Der Herr lebte als einziger Gerechter unter Ungerechten und wurde für sein heiliges Leben gehasst. Sein Gott wohlgefälliges Leben verurteilte die Menschen als Sünder. Diese Leiden werden beispielsweise in Johannes 3,20 angesprochen: „Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden“ (Joh 3,20). Übrigens werden auch die Gläubigen aufgerufen, diese Art der Leiden zu erdulden (1. Pet 3,19.20).
- Leiden des Menschseins: Aus dem Hebräerbrief lernen wir, dass der Herr vollkommener Mensch war (Heb 2,17; 4.15) und deshalb Hunger, Durst, Müdigkeit, Schmerzen usw. erduldete. Unvorstellbar, was diese Beschränkungen für den allmächtigen Gott bedeutet haben müssen. Dieses Leiden ist letztlich die Grundlage für sein Mitleid mit uns.
- Leiden des Spotts: Nie wurde ein Mensch so mit Hass überschüttet wie der Herr, und zwar von jeder einzelnen Menschengruppe. Auch der Spott selbst war dabei nie zu überbieten. Hier gibt besonders der schon oft zitierte Vers aus Jesaja einen Einblick in sein Herz: „Der Hohn hat mein Herz gebrochen“ (Jes 69,21). Dieses Spotten begleitete Ihn übrigens während der gesamten drei Jahre seines Dienstes, nicht erst am Kreuz (s. beispielsweise Mk 5,40).
- Leiden angesichts der Folgen der Sünde: Dass die Sünde nur Leid in diese Welt gebracht hat, musste der Herr Jesus jeden Tag mit ansehen. Wenn kranke und besessene Menschen zu Ihm gebracht wurden, ließ Ihn das nicht kalt. In dem Zusammenhang ist interessant, dass Matthäus dabei ein Jesajazitat genau auf solche Situationen anwendet: „Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus mit einem Wort, und er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: ‚Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten‘“ (Mt 8,16.17). Seine Heilungen geschahen nicht einfach nur souverän und von allem enthoben, vielmehr nahm der Herr teil an den Leiden. Besonders deutlich werden diese Leiden auch an seinen Tränen am Grab von Lazarus (Joh 11,33–35).
- Leiden aufgrund seiner Verwerfung als Messias: Daniel prophezeite, dass der Messias „weggetan werden und nichts haben“ würde (Dan 9,26). Das erreichte seinen Höhepunkt in Johannes 19,15: „Hinweg, hinweg! Kreuzige ihn! Pilatus spricht zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König als nur den Kaiser.“
- Leiden der Ablehnung: Es schmerzte den Herrn tief, zeit seines Lebens von den Menschen abgelehnt zu werden. Auch wenn uns dieser Schmerz nicht oft in den Evangelien gezeigt wird, wird er doch beispielsweise in Lukas 19,41.42 deutlich: „Und als er sich näherte und die Stadt sah, weinte er über sie und sprach: Wenn du doch erkannt hättest – und wenigstens an diesem deinem Tag –, was zu deinem Frieden dient! Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen.“ Auch als die Pharisäer ein Zeichen forderten, seufzte Er tief in seinem Geist (Mk 8,12). Besonders bewegend ist hier auch Jesaja 49,4: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt.“
- Leiden angesichts der bevorstehenden Verwüstung Israels und der Zerstreuung des Volkes Gottes: Der Herr Jesus leidet mit dem mit, was dem Volk Israel geschehen würde. Auch darüber spricht Er, wenn Er über die Stadt Jerusalem weint (Lk 19,43.44). Diese Leiden werden auch an seiner Botschaft an die weinenden Frauen deutlich, die Ihm auf dem Weg zum Kreuz folgten: „Wenn man dies tut an dem grünen Holz, was wird an dem dürren geschehen?“ (Lk 23,31).
- Leiden angesichts der Verwerfung seiner Jünger: Saulus, der Christen ins Gefängnis warf, wurde diese Art der solidarisierenden Leiden vor Damaskus vor Augen geführt: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Widerstand gegen Christi Nachfolger ist Widerstand gegen Christus, was Er voll empfunden hat.
- Leiden des fehlenden Mitleids: Was das Unverständnis der Jünger bei seinen Leidensankündigungen (Lk 18,31–34), der Unglaube seiner Familie (Joh 7,5), das Verlassensein von den Jüngern (Mk 14,50) und die Einsamkeit für die Seele des Herrn waren, ist unermesslich. Diese Leiden werden besonders in den Psalmen deutlich, beispielsweise in Psalm 69,21: „Ich habe auf Mitleid gewartet, und da war keins, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden.“
- Leiden aufgrund seines Lebens in einer sündigen Umgebung: Der Herr Jesus kam vom Himmel, einer ungetrübten, reinen, heiligen Atmosphäre, um auf einer schmutzigen, sündigen, pervertierten Erde zu leben. Wie groß muss seine Sehnsucht nach dem Himmel gewesen sein! Prophetisch klingt das in Psalm 63,1 an: „Es dürstet nach dir meine Seele, nach dir schmachtet mein Fleisch in einem dürren und lechzenden Land ohne Wasser.“
Er war wirklich ein Mann der Schmerzen! Sind unsere Herzen angesichts dessen gefüllt mit Dank und Anbetung?
[Dieser Text ist ein leicht modifizierter Auszug aus dem Buch Im Kreuzfeuer, das sich ausführlicher mit der Passionswoche des Herrn beschäftigt: Kreuzfeuer]