In diesem schönen Psalm haben wir die Erfahrungen des Gläubigen, der inmitten von Schwierigkeiten in dem Herrn seine Hilfe und unerschöpfliche Quelle findet. Der erste Vers ist eigentlich eine Frage. Es muss heißen:

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher wird meine Hilfe kommen?“

Der Gottesfürchtige wird mit Prüfungen und Schwierigkeiten konfrontiert und erkennt, dass er in sich selbst keine Kraft hat, diesen Umständen zu begegnen. Er braucht Hilfe. Die Hauptursache unserer Schwachheit angesichts von Prüfungen ist oft das Selbstvertrauen, das uns vorgaukelt, wir könnten diesen Schwierigkeiten in eigener Kraft oder mit eigener Weisheit begegnen. Wir müssen lernen, und das vielleicht, wie Petrus, durch bittere Erfahrung, dass wir angesichts von Prüfungen und Versuchungen keine Kraft in uns selbst haben. Auf jedem Schritt brauchen wir einen Helfer, der uns in der Schwierigkeit stützt und uns durch die Schwierigkeit hindurchbringt.

In dem Moment, in dem er erkennt, dass er Hilfe nötig hat, kommt im Herzen des Psalmisten unmittelbar die Frage auf: „Woher wird meine Hilfe kommen?“ Er ist umgeben von Bergen, die ihm stark, imposant und unbeweglich vorkommen, so wie es auch in der Welt solche gibt, die scheinbar feststehen in Kraft und für Feinde unangreifbar sind. Aber können wir auf solche vertrauen, die, wie wir, Geschöpfe sind? Der Prophet Jeremia sagt uns: „Ja, trügerisch ist von den Hügeln, von den Bergen her das Lärmen [o. die Hoffnung auf Rettung; engl. Üb.]; ja, in dem Herrn, unserem Gott, ist die Rettung Israels! (Jer 3,23). Weil er erkennt, dass er Hilfe nötig hat, und dass menschliche Hilfe trügerisch ist, wendet sich der Gottesfürchtige vom Geschöpf ab, hin zum Schöpfer, und sagt:

„Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.”

Er greift nicht auf die Anerkenntnis der allgemeinen Wahrheit, dass in dem Herrn Hilfe zu finden ist, sondern sagt in einfältigem persönlichen Glauben: „Meine Hilfe kommt von dem Herrn.“

In den verbleibenden Versen des Psalms antwortet der Geist Gottes auf diesen einfältigen Glauben, indem Er vor uns entfaltet, wie gesegnet der ist, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet. Der wiederkehrende Gedanke dieser Verse ist die beständige Sorgfalt des Herrn. Die Worte „Hüter“ und „behüten“ sind charakteristisch für diesen Psalm. Sechsmal kommen diese Worte in den letzten sechs Versen vor.

1. „Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wanke.“

Als Erstes lernen wir, dass wir, wenn wir unsere Hilfe vom Herrn erwarten, inmitten aller Gefahren behütet werden. In Tagen, an denen wir plötzlichen Gefahren ausgesetzt sind, die Verwüstung anrichten, dürfen wir durch das Wort ermutigt werden: „Fürchte dich nicht vor plötzlichem Schrecken noch vor der Verwüstung der Gesetzlosen, wenn sie kommt, denn der Herr wird deine Zuversicht sein und wird deinen Fuß vor dem Fang bewahren“ (Spr 3,25–26). Wenn wir unsere Augen vom Herrn abwenden und uns mit dem vorübergehenden Gedeihen der Gesetzlosen beschäftigen, werden wir, wie der Mensch in Psalm 73, sagen müssen: „Wenig fehlte, so wären meine Füße abgewichen, um nichts wären ausgeglitten meine Schritte.“ Wenn wir auf den Herrn blicken und uns in dem Herrn erfreuen, werden wir, wie Hanna, sagen können: „Die Füße seiner Frommen bewahrt er … denn nicht durch Stärke hat der Mensch die Oberhand“ (1. Sam 2,9).

Der Weg, den wir zu gehen haben, mag manchmal rau sein, der Feind mag sich uns mit List und Tücke entgegenstellen, Versuchungen mögen überhandnehmen, Schwierigkeiten mögen aufkommen – alle diese Nöte mag der Herr zulassen –, aber eins wird Er nicht zulassen: dass die Füße derer, die auf Ihn vertrauen, von dem Weg, der zur Herrlichkeit führt, abbewegt werden. Daher gibt der Gottesfürchtige im nächsten Psalm auf die Worte des Herrn: „Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wanke“, im absoluten Vertrauen die Antwort: „Unsere Füße werden in deinen Toren stehen, Jerusalem“ (Ps 122,2). Die letzten Worte des Herrn an Petrus waren: „Folge mir nach.“ Er hat den Weg für den Christen vorgezeichnet, und wenn wir Ihm folgen und unsere Augen auf Christus, unsere unerschöpfliche Hilfsquelle, richten, wird dieser Weg in die Herrlichkeit führen, in die Er bereits gegangen ist.

2.  „Dein Hüter schlummert nicht. Siehe, der Hüter Israels, nicht schlummert noch schläft er.”

Zweitens darf der, der in einfältigem Glauben auf den Herrn blickt, erfahren, dass seine Fürsorge nie aufhört. Ein Apostel mag schlafen, ob auf dem Berg in Gegenwart einer Herrlichkeit, die für den natürlichen Menschen zu hell ist, oder im Garten, angesichts einer Not, die zu tief ist, um sie zu ertragen; aber der Eine, der unser Hüter ist, wird nicht schlummern noch schlafen. Ein abtrünniger Gläubiger mag, wie Jona, „in einen tiefen Schlaf“ sinken, selbst dann, wenn der Herr wirkt und Sturm aufkommt und das Meer tobt und das Schiff schwankt und die Menschen der Welt sich fürchten; aber es gibt Einen, der die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte und sie auch bis zum Ende liebt, mit einer Liebe, die nie aufhört – Er wird inmitten all der Stürme des Lebens für die Seinen sorgen.

3. „Der Herr ist dein Hüter, der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand.“

Drittens wird dem, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet, sicher sein, dass die Hilfe des Herrn immer verfügbar ist. Ein Freund zu unserer Rechten ist ein Freund an unserer Seite, an den wir uns zu jeder Zeit wenden können. So kann David sagen: „Ich habe den Herrn stets vor mich gestellt; weil er zu meiner Rechten ist, werde ich nicht wanken“ (Ps 16,8). Der Gesetzlose, der auf sich selbst vertraut, „spricht in seinem Herzen: Ich werde nicht wanken“, und kommt doch unter das Gericht Gottes (Ps 10,6+16). Der Gottesfürchtige, der auf den Herrn zu seiner Rechten vertraut, kann sagen: „Ich werde nicht wanken.“ Er kann das sogar im absoluten Vertrauen sagen, denn wenn der Herr sagt: „Ich will dich nicht versäumen, noch dich verlassen“, können wir kühn sagen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?“ (Heb 13,5–6). Wie gut, zu wissen, dass ein Freund an meiner Seite ist, an den ich mich wenden kann – mit jeder Weisheit, mich in allen Schwierigkeiten zu leiten, mit jeder Macht, allen Widerstand zu überwinden, mit jedem Mitgefühl in allem Kummer, mit jeder Gnade für alle Schwachheiten und jeder Barmherzigkeit für alle Nöte.

4. „Nicht wird die Sonne dich stechen des Tages, noch der Mond des Nachts.“

Viertens darf der Gläubige, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet, sicher sein, dass er zu jeder „Tageszeit” behütet sein wird. In einer Welt Krieg führender Völker sind Gefahren allgegenwärtig, sowohl am Tag als auch in der Nacht. Der Herr sagt dem Gläubigen nicht: „Du wirst diesen Schrecken nicht so begegnen wie andere“, sondern Er sagt: „Du wirst dich nicht fürchten vor dem Schrecken der Nacht, vor dem Pfeile, der bei Tage fliegt, vor der Pest, die im Finstern wandelt, vor der Seuche, die am Mittag verwüstet“ (Ps 91,5–6).

5. „Der Herr wird dich behüten vor allem Übel, er wird behüten deine Seele.“

Fünftens wird der Gläubige, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet, vor allem Übel behütet werden. In einer Zeit, in der die Welt, wie in den Tagen Noahs, zunehmend durch Verdorbenheit und Gewalt gekennzeichnet ist, nimmt das Böse viele Formen an. Die Schrift spricht von bösen Gedanken, bösen Überlegungen, bösen Worten, bösen Taten und von Übeltätern. Der Christ, der gesegnet ist mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern, wird in besonderer Weise Angriffsziel der „geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ sein, die hinter den Kulissen arbeiten. Trotzdem wird der Gläubige, wenn er auf den Herrn blickt, fähig sein, „in der Macht seiner Stärke“ jedem Angriff des Feindes „an dem bösen Tag“ zu widerstehen, und so vor Übel behütet werden (Eph 6,10–13).

Darüber hinaus ist es gut, zu wissen, dass, in einer Welt, in der wir nicht wissen, was der nächste Tag bringen wird, von dem, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet, gesagt werden kann: „Nicht wird er sich fürchten vor böser Kunde; fest ist sein Herz, vertrauend auf den Herrn“ (Ps 112,7). Der Apostel Paulus warnt uns, dass wir in Tagen leben, in denen „böse Menschen und Gaukler im Bösen fortschreiten werden, indem sie verführen und verführt werden“ (2. Tim 3,13). Damals war er solchen ausgesetzt, die ihm „viel Böses“ getan haben, aber im Vertrauen auf den Herrn konnte er sagen: „Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich“ (2. Tim 4,14+18).

6. „Der Herr wird behüten deinen Ausgang und deinen Eingang.“

Sechstens kann das Herz, das seine Hilfe von dem Herrn erwartet, auf die unermüdliche Fürsorge des Herrn in allen Umständen rechnen. „Ausgang“ und „Eingang“ sprechen von den sich ändernden Umständen, die eine Welt der Unruhe kennzeichnen. Der Herr sagte einst zu seinen Jüngern: „Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen“ (Mk 6,31). In Seiner mitfühlenden Fürsorge wird uns der Herr Zeiten der Ruhe geben, abseits von dem Getriebe der Welt; aber hier unten wird es nur „ein wenig“ Ausruhen geben – Worte, die andeuten, dass wir uns danach wieder in Bewegung setzen müssen. Die ewige Ruhe steht uns noch bevor. „Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volke Gottes aufbewahrt“ (Heb 4,9). Von dem, der in diese gesegnete Ruhe eingeht, lesen wir: „Er wird nie mehr hinausgehen“ (Off 3,12). In der Zwischenzeit, in all der Betriebsamkeit und Mühe des Lebens und in einer Welt voller Nöte, kann der, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet, darauf rechnen, dass der Herr ihn in allen Umständen bewahren wird.

7. „Von nun an bis in Ewigkeit.“

Schließlich lernen wir, dass der, der seine Hilfe von dem Herrn erwartet, sicher sein kann, dass er durch alle Zeiten hindurch sogar bis in Ewigkeit behütet sein wird. Der Psalmist hatte ohne Zweifel das Tausendjährige Reich im Blick; der Christ kann eine weiter reichende Anwendung machen, denn er schaut hin auf eine glückliche Ewigkeit, allezeit bei Christus und Christus gleich im Haus des Vaters, wohin Er gegangen ist, um eine Stätte für Sein himmlisches Volk zu bereiten. Der Herr sagt von Seinen Schafen: „Ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben“ (Joh 10,28). In dem schönen Bild von Lukas 15 findet der Herr Sein verlorenes Schaf, legt es auf Seine Schultern und kommt nach Hause. Nichts Geringeres als Sein Haus hat Er für Seine Schafe vorgesehen. Wir mögen uns verirren, aber Er findet Seine Schafe, Er behütet sie mit Seiner Macht auf ihrem Weg durch die Zeit und am Ende wird Er alle Seine umherirrenden Schafe nach Hause bringen, damit sie „allezeit bei dem Herrn“ seien.So lernen wir aus diesem schönen Psalm, dass wir, wenn wir auf den Herrn vertrauen und unsere Hilfe von Ihm erwarten, erleben werden, dass:

  • Er uns vor allen Gefahren behüten wird

  • Seine Fürsorge nie aufhört

  • Seine Hilfe immer verfügbar ist

  • Er uns zu jeder Zeit behüten wird

  • Er uns vor allem Übel behüten wird

  • Er uns in allen Umständen behüten wird

  • Er uns durch alle Zeiten hindurch bis in Ewigkeit behüten wird.

[Übersetzt von Marco Leßmann]