Dieses Kapitel stellt uns die erste Etappe der Flucht Jakobs von Beerseba, im Land der Verheißung, nach Paddan-Aram im Land Mesopotamien vor.

Das vorhergehende Kapitel hatte ein trauriges Bild von dem Haus des Patriarchen Isaak gezeichnet. Versagen kennzeichnet jedes Familienmitglied. Isaak ist ein schwacher, alter Mann, der sich von seinem Appetit leiten lässt; Rebekka schmiedet hinter dem Rücken ihres Mannes Pläne und weist ihren Sohn Jakob an, seinem Bruder Unrecht zu tun und seinen Vater zu betrügen. Jakob hört auf den bösen Rat seiner Mutter, belügt seinen Vater vorsätzlich und bringt seinen Bruder um den Segen. Und Esau plant insgeheim, seinen Bruder bei der erstbesten Gelegenheit zu ermorden, nachdem er den Verrat entdeckt hat.

Infolge all dieses Verderbens und Betrugs muss Isaak Jakob von zu Hause fortschicken; Rebekka verliert ihren Lieblingssohn und wird ihn nie wieder sehen; Esau wird ein Herzeleid für seine Eltern und Jakob wird für 20 Jahre ein Wanderer in einem fremden Land, verbannt aus dem Haus seines Vaters und dem Land der Verheißung.

In der ersten Etappe seiner Reise gelangte Jakob an einen Ort und übernachtete dort. Da sehen wir ihn als einsamen Mann mit einem Stein als Kopfkissen, über ihm nur der Himmel und um ihn herum Dunkelheit. Doch, so sonderbar uns das auch erscheinen mag, genau an diesem einsamen Ort, auf dem steinigen Bett, das die Sünde ihm eingebracht hat, begegnet ihm der Herr. Am Bett seines Vaters, am Ort seiner Sünde, hatte der Herr ihm nichts zu sagen. Aber an dem öden Ort, wohin die Sünde ihn gebracht hatte, nähert sich der Herr und verwandelt sein unbequemes Bett in einen Ort der Korrektur und des Trostes.

Trotz seines vielen Versagens war Jakob doch ein Mann des Glaubens und von Gott gesegnet. Sein Versagen brachte ihm tatsächlich nur Prüfungen und Not ein; doch durch seinen Glauben erlangte er ein gutes Zeugnis und einen Platz unter den alttestamentlichen Glaubenshelden Gottes (Heb 11,9+21). Bei dem Gläubigen heutiger Tage ist das nicht anders. Einerseits ist Gott nicht gleichgültig gegenüber unserem Versagen und unserem fleischlichen Reden und Handeln; wegen dieser Dinge müssen wir unter der Regierung Gottes leiden. Andererseits ist Gott auch nicht gleichgültig gegenüber dem, was von Ihm in jedem Gläubigen ist, gemäß dem Wort in Hebräer 6,10–12: „Denn Gott ist nicht ungerecht, eures Werkes zu vergessen und der Liebe …“ Wir dagegen sind leider manchmal mehr als gerecht, was die Bewertung von Fehlern bei anderen angeht, und ungerecht in der Anerkennung dessen, was von Gott in dem anderen ist.

Zwei Dinge muss Jakob also bei dieser denkwürdigen Gelegenheit lernen. Zuerst soll er zu seinem Trost erkennen, dass sein ganzes Versagen Gottes Vorsatz nicht ändern wird, ihn in souveräner Gnade zu segnen. Zweitens soll er zu seiner Korrektur erkennen, dass die souveräne Gnade Gottes die Hand Gottes nicht davon abhalten wird, ihn wegen seines Versagens zu züchtigen. Die souveräne Gnade des Herrn setzt niemals die treue Regierung des Herrn beiseite. Jakobs Umstände haben sich nicht geändert. Er muss weiterhin als einsamer Wanderer seinen Weg gehen, und viele Jahre in Mühe und Knechtschaft im Haus eines Fremden verbringen – Folgen seiner Sünde gegen seinen Vater und seinen Bruder. Er musste ernten, was er gesät hatte. Wie Jakob seinen Vater mit den Fellen einer Ziege betrog, so wird er zu einem späteren Zeitpunkt von seinen eigenen Söhnen mit dem Blut einer Ziege betrogen werden. Die souveräne Gnade, durch die wir gesegnet sind, ändert nichts an dem beachtenswerten Grundsatz: „Was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7).

Genau die Sünde, für die Jakob leiden musste, wurde jedoch zu einer Gelegenheit, dem Leidenden die Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu offenbaren. Um ihn mit dieser Gnade bekannt zu machen, erscheint ihm der Herr in einem Traum. Jakob sieht eine Leiter auf der Erde stehen, deren Spitze an den Himmel rührt. Er sieht die Engel Gottes an ihr auf- und niedersteigen. Noch wunderbarer ist, dass der Herr über ihr stand. An der Spitze der Leiter steht der Herr der Herrlichkeit, am Fuß der Leiter ist ein versagender, einsamer Mann. Zwischen dem Herrn an der Spitze und Jakob am Fuß gibt es himmlische Boten von dem Herrn, und himmlische Beschützer für die Heiligen, die auf- und niedersteigen.

Das Wunderbarste ist aber, dass sich dann der Herr der Herrlichkeit selbst in Gnade dem schwachen, versagenden Mann als ein Geber offenbart.

Erstens versichert der Herr Jakob und seinen Erben bedingungslos das verheißene Land. Er sagt: „das Land, auf dem du liegst, dir will ich es geben und deinen Nachkommen.“

Zweitens soll Jakob nicht nur das verheißene Land haben, sondern auch die Gegenwart des Herrn; nicht nur die Gabe, sondern auch den Geber, denn der Herr sagt: „Ich bin mit dir.“

Drittens wird er nicht nur die Gegenwart des Herrn, sondern auch die Hilfe des Herrn haben, denn der Herr sagt: „Ich will dich behüten überall, wohin du gehst.“ Wenn der Herr mit ihm wäre, dann um ihn zu beschützen.

Viertens wird der Herr ihn, wenn die Tage seiner Wanderschaft vorüber sind, in das Land zurückbringen, das Er ihm gegeben hat, denn der Herr sagt: „Ich will … dich zurückbringen in dieses Land.“ Jakobs Sünde mag ihn von zuhause vertrieben haben, die Gnade des Herrn wird ihn nach Hause zurückbringen. So sagt auch Noomi nach zehn Jahren der Irrwege: „Der Herr hat mich [nach Hause, engl. Üb.] zurückkehren lassen.“ Jedes Schaf, das Er auf die Schultern nimmt, bringt Er nach Hause, und nichts Geringeres als Sein Haus ist Ihm genug für Seine Schafe.

Wir mögen umherirren, wir mögen zusammenbrechen, wir mögen aufs Schmerzlichste versagen, aber am Ende wird Er uns nach Hause bringen.

Schließlich kann sich Jakob auch auf die Treue des Herrn zu Seinem Wort verlassen, denn der Herr sagt: „Ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan, was ich zu dir geredet habe.“ Was Jakob auch immer sein und tun wird, und was immer wir auch sein und tun mögen, Er bleibt derselbe. Selbst wenn wir untreu werden, „Er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen“ (2. Tim 2,13).

[Übersetzt von Marco Leßmann]