„Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tag in ein Dorf, mit Namen Emmaus, sechzig Stadien von Jerusalem entfernt. Und sie unterhielten sich miteinander über dies alles, was sich zugetragen hatte. Und es geschah, während sie sich unterhielten und sich miteinander besprachen, dass Jesus selbst sich näherte und mit ihnen ging; aber ihre Augen wurden gehalten, so dass sie ihn nicht erkannten“ (Lk 24,13–16).

Wenn wir über den Segen sprachen, sich zum Namen des Herrn Jesus zu versammeln, dann standen gestern der Zustand der Christenheit und der Zustand des einzelnen Gläubigen vor uns. Es gibt jedoch noch eine andere Seite dieser Wahrheit, die sich mir aufs Herz legt, nämlich die Frage, inwieweit wir uns moralisch im Zustand der Wahrheit von Matthäus 18,20 befinden. Die ernste Frage lautet: Befinde ich mich in diesem Zustand? Es geht doch nicht nur darum, in die Zusammenkunft zu gehen und Gemeinschaft mit den Geschwistern zu haben. Es geht um etwas viel Tieferes, viel Wichtigeres. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir wirklich mit der Person des Herrn Jesus verbunden und mit Ihm allein beschäftigt sind! Nur so können wir nach dem Zusammenkommen wie die Jünger sagen: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Wenn wir uns hingegen damit beschäftigen, was Bruder A oder Bruder B getan und gesagt hat, werden wir nicht die Gedanken und die Person des Herrn erkennen können, wie Er sie uns eigentlich zeigen will, wenn wir uns zu Ihm hin versammeln.

Der Herr Jesus will, dass unser moralischer Zustand und unsere Lebensweise mit der Wahrheit übereinstimmen. Er kann nicht zulassen, dass der Zustand der Heiligen von seinem heiligen Wort abweicht. Aber zu welcher Wahrheit ruft Er uns? – Er ruft uns zu sich selbst, zu seiner Person! In Lukas 24 erkennen wir, welche Hindernisse es für die Seele gibt, die diesem Wunsch des Herrn im Weg stehen können. Dort finden wir aber ebenso, wie der Herr diese Hindernisse ausräumt.

Schauen wir nach Lukas 9, dann sehen wir Mose und Elia mit dem Herrn in der Herrlichkeit. Sie sprachen über seinen Tod. Was für ein Bild von glücklicher Gemeinschaft mit Ihm! Lernen wir daraus nicht, dass das Brotbrechen nicht einer reinen Gewohnheit, sondern einem lebendigen Wunsch nach Gemeinschaft mit Christus entspringen sollte?

In Lukas 24 ist zwar nicht die Rede davon, dass jemand Christus gesehen hätte, aber trotzdem gab es zwei Seelen, die Jerusalem verließen: Bei ihnen finden wir nicht Glück und Herrlichkeit, wie bei Mose und Elia, sondern nur Trauer, als sie von dem Tod ihres Meisters sprachen. Irgendetwas zog sie weg von Jerusalem, so dass der Herr ihnen nachging, um sie wieder in seine Nähe zu ziehen. War dieser Tag nicht wunderbar, dieser Tag seiner Auferstehung? War Er, der Gekreuzigte, nicht auferstanden und hatte dadurch den glücklichen Sieg über Tod und Sünde bezeugt? Und dennoch waren diese beiden Glaubenden voller Trauer. Erkennen wir darin nicht unseren eigenen Zustand wieder, diese Trägheit, diese falsche Ausrichtung im Herzen? Eine Antwort für ihre Trauer finden wir in Lukas 24, 21: Da lernen wir, dass ihre Hoffnung auf das irdische Reich ausgerichtet war. Doch der, auf den sie ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten, war gestorben. Mit Ihm war auch ihre Hoffnung auf die Aufrichtung des Reichs gestorben.

Die Szene aus Lukas 24 macht deutlich, dass wir in dem Moment, wenn wir nicht mehr in der praktischen Gemeinschaft mit dem Herrn leben, von Ihm weggezogen werden und unser Glück in anderen Dingen suchen. Aber was tut der Herr mit diesen beiden Verirrten? Er geht die ganze Strecke von Jerusalem weg mit ihnen. Welche Gnade! Denn auch wenn Er ihren Weg nicht billigen noch verstehen konnte, so geht Er dennoch mit ihnen bis ans Ende, um ihnen dann zu zeigen, dass sie in Emmaus nicht finden würden, was sie für ihr Herz suchten. Das macht Er ihnen deutlich, indem Er sich selbst ihnen offenbart.

Wir können uns auf eines verlassen: Wenn wir nach einer menschlichen Lösung für Schwierigkeiten suchen oder uns von menschlichen Überlegungen leiten lassen, dann sind wir nicht mehr am richtigen Ort. Hat etwa der Heilige Geist diese beiden nach Emmaus geführt? Nein, ganz sicher nicht! Schließlich hatte derselbe Geist andere dazu geführt, sich in Jerusalem zu versammeln. Aber diese beiden Jünger waren nach Emmaus gegangen und sollten dort ihren aktuellen Zustand kennenlernen. Erst als der Herr sich ihnen offenbarte, merkten sie, dass ihr Platz nicht in Emmaus war.

Der Herr konnte ihre Herzen wieder beleben. Und so kehrten sie trotz der Entfernung und ihrer Müdigkeit nach Jerusalem zurück und finden die anderen Jünger versammelt! Ja, dem Heiland war es nicht gleichgültig, ob sie nach Emmaus gingen oder nicht. Erst dann, als die beiden nach Jerusalem zurückkehrten, offenbarte Er sich denen, die bereits dort versammelt waren. Darf es uns nicht glücklich machen, dass sich der Herr nicht verändert hat, sondern bis heute so handelt? Wenn wir uns von Ihm entfernen, dann wird Er uns nachgehen, um uns unseren Zustand spüren zu lassen und uns dahin zu bringen, zu Ihm zurückzukehren: zurück in die tägliche, lebendige Gemeinschaft mit Ihm.

Wir alle haben unser „Emmaus“. Aber es darf uns trösten, dass, wenn wir uns verirrt haben, Er nicht ruhen wird, sondern uns nachgeht und sich offenbart, wie Er es bei diesen beiden Jüngern tat. Sein Ziel ist es immer, uns zu Ihm zurückzubringen. Das Herz des Hirten sehnt sich nach denen, die sich verirrt haben, und nichts macht sein Herz glücklicher, als das verirrte Schaf auf seine Schultern zu nehmen und es nach Hause zu bringen.

[Aus einem Vortrag, der nachträglich verschriftlicht wurde. Original: Emmaus, stempublishing.org]