Man trifft heute viele Christen, die von der Welt angezogen werden. Dann gibt es viele Gläubige, die sich so sehr mit all dem Bösen, das sie umgibt, beschäftigen, dass sie dabei vergessen, sich selbst vor Gott zu prüfen. Andere wieder finden immer neue Gründe zum Klagen. Alles das sind Anzeichen dafür, dass der Zustand der Seele nicht in Ordnung ist und dass die Welt das Herz dieser Christen auf die eine oder andere Weise ergriffen hat. Das Bild des Herrn Jesus scheint für solche mehr oder weniger verblasst zu sein, weil sie sich mehr mit dem Bösen und Schlechten beschäftigen, anstatt sich auf das Gute zu konzentrieren. Gleichwohl gibt es auch viele sehr gottesfürchtige Gläubige, die trotz ihres guten geistlichen Zustands sehr niedergeschlagen sind, weil auch sie sich zu viel mit dem Negativen um sie herum beschäftigen.

Natürlich ist es so, dass das Böse überall ist, denn „die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (1. Joh 5,19). Aber es ist gefährlich für das Herz, sich mit ihm zu beschäftigen. Wir müssen verstehen, dass es einen Weg gibt, diesem Bösen zu entkommen und dass wir uns nicht davon überwinden lassen brauchen. Lot ist uns ein warnendes Beispiel: Er hatte nur die Sünden von Sodom vor seinen Augen und „quälte durch das, was er sah und hörte, Tag für Tag seine gerechte Seele“ (2. Pet 2,8). Deshalb lasst uns wachsam sein, damit wir uns nicht von der Sorge um das Böse überwältigen lassen; wir werden ihm entkommen, wenn wir uns mit dem Guten beschäftigen.

Das ist letztlich das Ziel von Epheser 1: sich mit dem Guten beschäftigen. In diesem Kapitel sollen wir uns, jeder ganz persönlich, mit dem Herrn Jesus im Himmel und der göttlichen Gnade beschäftigen, die uns dort vorgestellt wird. So stellen wir uns auf ein festes Fundament und sind in der Lage, auf eine Weise zu wandeln, die Gott verherrlicht. Wenn der Heilige Geist uns nicht auf das ausrichtet, was auf der Erde geschieht, sondern auf das, was wirklich gut ist – nämlich ein himmlischer Christus und die Gnade Gottes –, dann finden wir darin die Kraft, für den Herrn Jesus zu zeugen und zu seiner Ehre zu leben. Es ist dabei bezeichnend, dass Epheser 1 hauptsächlich von unseren persönlichen Segnungen spricht. Diese schließen nicht die gemeinsamen Segnungen der Versammlung aus (was an anderer Stelle ein sehr gesegnetes Thema ist), aber die persönlichen Segnungen haben immer mehr Wert für das Herz als die gemeinsamen.

Nehmen wir zum Beispiel das Brotbrechen: Es ist zum Gedächtnis an Christus und seine Leiden. Wir nehmen daran teil, um uns an Ihn zu erinnern. Beim Brechen des Brotes und beim Trinken aus dem Kelch genießt jeder Gläubige aber ganz persönlich den kostbaren und unendlichen Segen, den wir in der Erinnerung an die Liebe Christi finden. Die kollektive Seite des Brotbrechens ist eine andere: Es ist der öffentliche Ausdruck der Einheit des Leibes Christi. Aber dieser Aspekt, so wichtig er auch ist, hat für das Herz meist nicht den Wert,  wie die persönliche Erinnerung an den Tod unseres Herrn. – Wobei die Gefahr besteht, dass man zwar sehr besorgt um den Tisch des Herrn ist, aber vielleicht nur in geringem Maß davon berührt ist, was es bedeutet, dass Christus für mich sterben musste. Bei Gott ist es jedenfalls immer so, dass Er in seinem Wort damit beginnt, uns zuerst die persönlichen Segnungen vorzustellen.

Im Epheserbrief finden deshalb erst am Ende des ersten Kapitels einen Hinweis auf die Segnungen, die die Versammlung als Ganzes betreffen. Zunächst geht es aber um die Gnade Gottes, die uns einen Platz im Himmel vor Ihm gegeben hat. Die persönlichen Segnungen werden unter drei Gesichtspunkten vorgestellt, und ihre Quelle ist immer der „Wille Gottes“ (Eph 1,5.9.11). Nichts gibt es darunter, was von uns kommen könnte, aber wir sind verantwortlich dafür, entsprechend den Segnungen zu wandeln, die wir in und durch Christus besitzen und die uns der Wille Gottes gegeben hat.

Hier finden wir drei Dinge, die den Gläubigen kennzeichnen:

  1. Erstens, dass Gott uns in seiner Gnade durch seinen Willen in Christus vor sich sieht. Unsere Stellung ist felsenfest in Ihm. Unsere Stellung ist nicht zukünftig, jeder von uns besitzt heute schon in Christus vor Gott eine Stellung, die so vollkommen ist wie die von Christus selbst. Unsere Stellung ist in Ihm und damit fehlt es uns an nichts.

  2. Zweitens geht es um die Hoffnung auf seine Berufung. Wenn ich mein Leben hier auf der Erde betrachte, könnte ich nicht sagen, dass ich „heilig und tadellos vor ihm in Liebe“ bin, aber persönlich bin ich durch Adoption zur Sohnschaft zuvorbestimmt. Gott hat mir sein Leben gegeben und ich kann, ganz persönlich, sagen: „Seht, welch eine Liebe der Vater mir gegeben hat, dass ich ein Kind Gottes heißen soll.“

  3. Drittens gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt: Gott hat mir nicht nur eine vollkommene, unveränderliche Stellung gegeben und stellt mich in direkte Beziehung zu Ihm, sondern Er lässt mich wie einen engen Freund an seinen Gedanken teilhaben. Es ist, als wenn Er sagte: „Sollte ich vor meinen Kindern etwas verbergen?“ (vgl. 1. Mo 18,17). Nein, Er öffnet uns alle Geheimnisse seines Herzens (Eph 1,9.10). Deshalb gibt Gott mir den Geist der Weisheit, damit ich seine Gedanken verstehen kann. Er wird alle Dinge unter die Füße Christi stellen; alles wird einmal Ihm gehören. Er wird der Mittelpunkt des Universums sein. Das ist das Geheimnis des Herzens Gottes, das Er von jeher für diesen Menschen, seinen geliebten Sohn, im Sinn hatte. Gott hat seinen Christus dazu bestimmt, dass Ihm alle Dinge unterworfen werden: Dem, der sich in seiner Demut erniedrigte und bis zum Kreuz ging.

Wie viele Christen wissen jedoch kaum etwas von diesen Gedanken, die Gott, der Vater, uns mitgeteilt hat! Weil sie sein Herz und ihre Stellung vor Ihm nicht richtig kennen, treten sie vor Gott, als hätten sie kein Recht auf seine Nähe. Ja, sie wagen es oft kaum, Ihn Vater zu nennen. Solche Gläubige ahnen nicht, was ihnen dadurch an Freude entgeht.

Doch an eine weitere Segnung möchte ich an dieser Stelle noch erinnern: Der Gläubige ist zu einem Miterben Christi geworden. Diesen Erbanspruch besitzt jeder Christ schon heute, obwohl er das Erbe noch nicht angetreten hat, denn es handelt sich dabei um einen zukünftigen Segen, den wir erst dann erleben werden, wenn der Herr Jesus als Mensch dieses Erbe antritt. Wir besitzen aber eine „Anzahlung“, nämlich den Heiligen Geist, „der das Unterpfand unseres Erbes ist“ (Eph 1,14). Was fehlt uns also noch? Nur eines: mit und bei Christus zu sein.

Wenn wir an all diese Segnungen denken: Können wir da nicht trotz allem, was uns in dieser Welt deprimieren und entmutigen möchte, glücklich sein? Deshalb ruft uns doch der Apostel zu: „Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“ (Kol 3,2). Dieser Appell führt uns direkt zu den ersten Versen von Epheser 1, wo wir Christus zur Rechten Gottes sitzen sehen. Möge Gott uns eine himmlische Gesinnung schenken, so dass wir Menschen sind, denen man ihre himmlische Bestimmung ansieht! Solche Menschen werden wir dann sein, wenn wir uns mit der Person des Herrn Jesus beschäftigen; das allein reicht völlig, damit wir auf den Himmel bei Ihm ausgerichtet werden. Unser geistlicher Zustand wird bewahrt, wenn wir unsere Augen auf seine gesegnete Person richten. Um allerdings die kollektiven Segnungen genießen und verwirklichen zu können, müssen unsere Herzen zuerst persönlich von den Segnungen ergriffen sein, die wir heute schon in Christus besitzen.

Original: Nos bénédictions célestes – Éphesiens 1, Henri Rossier (ME 1928, S. 275), bibliquest.org