In Jericho erkämpft das Volk Israel einen beeindruckenden Sieg, in Ai erleidet es eine traurige Niederlage. Wie konnte das geschehen? Warum ging einmal alles gut und einmal alles schief?

Sieg und Niederlage liegen oft dicht beieinander. Das war auch bei dem Volk Israel so, als sie im Kampf gegen Jericho gewannen und kurz danach gegen Ai eine herbe Niederlage hinnehmen mussten. Was die Israeliten richtig und was sie falsch gemacht hatten, liefert Stoff zum Nachdenken.

Der Sieg in Jericho

Nachdem Israel den Jordan durchzogen hat, steht es vor den Toren Jerichos, einer Stadt, „groß und befestigt bis an den Himmel“ (5. Mo 1,28). Israel besitzt keine Belagerungswaffen oder Erfahrung im Kampf gegen Festungen. Aber Gott spricht ermutigend zu seinem Anführer Josua: „Siehe, ich habe Jericho und seinen König und die kriegstüchtigen Männer in deine Hand gegeben“ (Jos 6,2). Danach stellt Gott einen ungewöhnlichen Schlachtplan vor: Die Soldaten sollen die Stadt nicht direkt stürmen, sondern mehrmals umrunden. Im Zentrum dieses Umzugs steht die von den Priestern getragene Bundeslade. Vor der Lade sollen sieben Priester fortwährend in ihre Posaunen stoßen. Gott weist an, dass die Soldaten an sechs Tagen jeweils einmal schweigend um Jericho gehen und am siebten Tag siebenmal. Beim vereinbarten Signal sollen alle ein Feldgeschrei erheben und die Mauer würde einstürzen (Jos 6,1–5). Das Volk macht es so, wie ihm befohlen wurde, und triumphiert über die Feinde. Dieser erste Sieg gegen die Kanaaniter ist wichtig für die Moral des Volkes Gottes und schüchtert die Feinde ein. Josuas Ruf verbreitet sich im ganzen Land (Jos 6,6–27).

Glaube und Gehorsam

Zwei Punkte spielen bei dem Sieg der Israeliten eine wichtige Rolle: Glaube und Gehorsam. Der Glaube ergreift die Verheißung Gottes und verlässt sich darauf. Das ist exakt das, was Josua und das Volk machten, nachdem Gott ihnen die Eroberung der Stadt versprochen hatte (Jos 6,2; Heb 11,30). Genauso deutlich leuchtet auch der Gehorsam der Israeliten hervor: Sie ließen sich auf eine Kriegstaktik ein, die in den Augen der Welt nur Torheit ist. Nachdem sie Jericho zwölfmal umwandert hatten, starrte die hohe Stadtmauer sie unverändert an. Dennoch gingen sie im Gehorsam nochmal um die Stadt und durften schließlich erleben, wie das Bollwerk vor ihren Augen durch Gottes Macht in tausend Stücke brach.

So wie die Kanaaniter das Volk Israel daran hindern wollten, das Land zu erobern, das Gott ihnen zugewiesen hatte, so möchte der Satan vereiteln, dass wir die Dinge des Himmels genießen und ausleben. Unser Kampf ist gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern (Eph 6,12). Diese bösen Mächte knüpfen an dem an, was sie in unserem Leben an Schwachheit und Versagen finden, um uns vom Herrn Jesus und seinem Wort wegzuziehen. Wir merken vielleicht manchmal, wie hilflos wir gegen die Verführungen und Einschüchterungen dieser mächtigen Feinde sind. Wir werden mit irgendeiner Sache nicht fertig und kommen im Glauben nicht weiter. Doch auch „unser Jericho“ wird einstürzen, wenn wir uns auf die Zusagen Gottes stützen und kompromisslos seinem Wort gehorchen. Wer sich auf Gottes Wort beruft und es auch zum Zeugnis in die Welt „hinausposaunt“, wird jede Höhe niederreißen können, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt (vgl. 2. Kor 10,4.5).

Die Niederlage in Ai

Nach dem Sieg in Jericho wenden sich die Israeliten einer unbedeutenden Stadt zu: Ai. Die ausgesandten Kundschafter sagen zu Josua: „Es ziehe nicht das ganze Volk hinauf; etwa zweitausend Mann oder etwa dreitausend Mann mögen hinaufziehen und Ai schlagen; bemühe nicht das ganze Volk hin, denn sie sind wenige“ (Jos 7,3). Doch als die Israeliten angreifen, werden sie besiegt und müssen fliehen. Das Herz des Volkes zerschmilzt und wird wie Wasser (Jos 7,5). Josua fällt vor der Bundeslade auf sein Gesicht und fragt, warum Gott die Niederlage zugelassen hat. Er befürchtet eine verheerende Signalwirkung (Jos 7,6–9). Gott antwortet: „Israel hat gesündigt“ (Jos 7,11). Konkret hat Achan etwas von der Beute für sich genommen, was ausdrücklich verboten war (Jos 6,18.19). Er und seine Familie werden bestraft und dadurch wird das Böse aus Israel entfernt (Jos 7,16–26).

Jetzt ist der Weg frei zum Kampf gegen Ai. Josua bekommt von Gott eine Verheißung zum Sieg sowie einen Schlachtplan (Jos 8,1.2). Er nimmt sich 30.000 Mann für den Kampf, zehnmal mehr als vorher. Josua vertraut auf Gottes Zusage, und die Soldaten kämpfen so, wie Gott es vorgegeben hat. Es ist keine Frage: Der Sieg wird errungen (Jos 8,3–29). Adoni-Zedek, der König von Jerusalem, fürchtet sich vor dem Volk Israel, das gegen Jericho und Ai gesiegt hat (Jos 10,1).

Selbstvertrauen und Ungehorsam

Zwei Punkte spielen bei der Niederlage in Ai eine zentrale Rolle: Selbstvertrauen und Ungehorsam. Selbstvertrauen ist das Gegenteil von dem Glauben, der sich beim Sieg in Jericho gezeigt hat. Bei Ai fragten die Israeliten zunächst nicht nach Gottes Weisung, redeten nicht von seiner Macht, klammerten sich nicht an seine Verheißung und stellten übermütig nur wenige Soldaten in den Kampf. Außerdem gab es groben Ungehorsam in ihrer Mitte: Achan setzte sich über das ausdrückliche Gebot Gottes weg und riss das an sich, was Gott gehörte. So konnte der Herr nicht mehr mit ihnen sein (Jos 7,12).

Selbstvertrauen und Ungehorsam kommen auch in unserem Leben vor. Gerade bei kleineren Problemen sind wir geneigt, sie im Handumdrehen erledigen zu wollen. Und wenn uns etwas von der Welt sehr attraktiv erscheint, nehmen wir es mit den Geboten Gottes schnell nicht mehr so genau. Es ist dann kein Wunder, dass wir eine Niederlage gegen den Feind einstecken müssen und unser Glaubenswachstum gedämpft wird. Doch – Gott sei Dank! – eine Niederlage ist noch keine Kapitulation. Wenn wir uns vom Bösen trennen und uns wieder neu auf Gott und sein Wort besinnen, steht dem nächsten Sieg nichts im Weg.

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