Vorbemerkungen zu Johannes 14
In Johannes 13 haben wir gesehen, was bei den Jüngern an Zubereitung notwendig war für das, was der Herr ihnen vor seinem Weggehen vorstellen wollte. Hier in Johannes 14 macht der Herr die Jünger mit himmlischen Beziehungen bekannt und zeigt ihnen, dass die Gemeinschaft mit göttlichen Personen der Ausgangspunkt für das ist, was dann in Johannes 15 gezeigt wird, nämlich, auf dieser Erde Frucht bringen zu können.
Johannes 14 zeigt uns zwei Hauptelemente des Christentums:
- Der Herr Jesus, der Sohn Gottes, ist jetzt als Mensch im Himmel.
- Der Heilige Geist, genauso eine Person der Gottheit, ist jetzt auf der Erde.
Auf diese beiden Tatsachen gründen sich in der Praxis die christlichen Segnungen, die auch wir jetzt schon genießen dürfen. Dadurch, dass der Herr Jesus als Mensch im Himmel ist, haben wir Beziehungen zu dem Vater und einen Platz, wo der Herr Jesus jetzt schon ist. Der Heilige Geist, der hier angekündigt wird, weckt in uns das Bewusstsein davon und lässt uns die Freude daran jetzt schon genießen.
Zuerst stellt der Herr in diesem Kapitel die Segnungen oder Auswirkungen vor, die durch sein Werk am Kreuz für die Glaubenden möglich geworden sind. In Verbindung damit wird uns gezeigt, dass die Garantie für diese Segnungen die Person des Herrn ist. Dann wird uns als Drittes die Person des Heiligen Geistes vorgestellt, der in den Gläubigen wohnen und in Ewigkeit bei ihnen sein wird. Nur durch den Besitz des Heiligen Geistes können Glaubende diese neuen Segnungen erfassen und genießen.
Der Herr Jesus ist der Schlüssel für dieses Kapitel. Er ist der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist und als Mensch in den Himmel zurückgekehrt ist, um dadurch die Stätte für uns Glaubende bereit zu machen (s. V. 1–3). Er ist aber auch der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, um hier auf der Erde den Vater zu offenbaren (ab V. 4). Wenn wir Ihn erkennen, dann erkennen wir den Vater und genießen die Beziehung zu Ihm. In den ersten drei Versen des Kapitels finden wir ganz besonders den Segen für die Glaubenden der heutigen christlichen Haushaltung, der in Verbindung mit der Person des Herrn Jesus steht. Und in den folgenden Versen bis Vers 14 zeigt Er dann, dass sie dieselbe gesegnete Beziehung auch zu dem Vater haben. Ab Vers 15 kündigt Er ihnen an, dass der Geist Gottes kommen und in ihnen wohnen würde. Der Herr stellt ihnen also neue Beziehungen zu den drei Personen der Gottheit vor, und das ist der gewaltige Segen, der mit seinem Weggehen und seiner Verherrlichung bei dem Vater in Verbindung steht.
„Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich!“ (V. 1).
Wir können aus dem bisherigen Verlauf dieser Szene auf dem Obersaal einige Punkte herausgreifen, die Anlass für eine Bestürzung bei den Jüngern sein konnten. Das Bedeutendste dabei war sicher, dass der Herr ihnen angekündigt hatte, dass Er von ihnen weggehen würde (s. Joh 13,33). Dann hatten sie erleben müssen, dass mit Judas Iskariot einer aus ihrem Kreis als Verräter offenbar gemacht wurde (s. Joh 13,21 ff.), einer von den Zwölf hatte sich als ein Unechter erwiesen. Außerdem war der Führungspersönlichkeit unter den Jüngern, Petrus, vom Herrn vorhergesagt worden, dass er Ihn verleugnen würde (s. Joh 13,38). Waren das nicht Punkte, die die Jünger bestürzt machen konnten? Aber der Herr sagt: „Euer Herz werde nicht bestürzt.“
Wenn wir den zweiten und dritten Anlass für diese Bestürzung der Jünger einmal auf uns übertragen, dann haben wir auch schon mit erschütternden Ereignissen in unserem Umfeld zu tun gehabt. Ist es uns nicht schon mehrfach so ergangen, dass jemand für uns völlig unerwartet ausgeschert ist von dem bis dahin gemeinsam gegangenen Weg? Vielleicht kennen wir auch solche, zu denen wir einmal aufgesehen haben und von denen wir viel gehalten haben, und die auf einmal etwas tun, was wir nie von ihnen erwartet hätten. Haben wir solche Herzens-Erschütterungen nicht alle schon erlebt? In all diesen Beunruhigungen gibt es eine Konstante, und das ist der Herr selbst, der die Jünger hier unnachahmlich tröstet:
- erste Tröstung: Christus im Himmel als der Gegenstand unseres Glaubens ist mehr als Christus hier auf der Erde! Christus im Himmel ist von allen Gläubigen an jedem Ort auf der Erde zu jeder Zeit erreichbar. Es ist ein Segen, dass wir Ihn im Himmel wissen.
- zweite Tröstung: Wir haben eine ewige Heimat im Himmel, eine Stätte, die auf uns wartet und aus der wir nie wieder ausziehen werden.
- dritte Tröstung: Ein Mensch ist jetzt im Himmel, der uns begehrt und wiederkommen wird, um uns dort einzuführen.
Wir haben also in diesem Vers Tröstung und auch Offenbarung. Durch das, was der Herr Jesus seinen Jüngern jetzt mitteilt, werden ihre Herzen getröstet. Er nimmt ihnen in diesem Vers etwas weg, aber Er gibt ihnen an dessen Stelle etwas Besseres. Die jüdische Ebene wird weggenommen und ersetzt durch die christliche Ebene, irdische Beziehungen werden ersetzt durch himmlische Beziehungen. Die Jünger hatten irdische Hoffnungen und Erwartungen, Dinge, die man sehen konnte; aber der Herr Jesus gibt ihnen jetzt etwas, was man mit den natürlichen Augen nicht sehen und nur im Glauben erfassen kann. Sie würden vom Schauen zum Glauben gelangen, und das ist für uns Menschen schwieriger, als vom Glauben einmal zum Schauen zu gelangen. Bemerkenswert im Blick auf die Genauigkeit des Wortes Gottes ist, dass Lukas die Himmelfahrt des Herrn dann tatsächlich so schildert, dass der Herr von den Augen der Jünger weg in die Wolke aufgenommen und emporgehoben wurde (s. Apg 1,9).
Die Jünger hatten Gott nie gesehen und doch an Ihn geglaubt, und so würde es künftig auch mit dem Herrn sein. Durch sein Weggehen würden sie Ihn mit den natürlichen Augen nicht mehr sehen können. Auch Er würde ein Gegenstand des Glaubens für sie werden. Damit wird der Blick der Jünger für das himmlische Teil geöffnet. An jemanden glauben ist übrigens mehr, als jemandem zu glauben und dessen Aussagen für wahr zu halten. Aber an Gott oder an den Herrn Jesus zu glauben ist mehr, es verbindet mit diesen göttlichen Personen. Kann man an jemand anderes glauben als an Personen der Gottheit? Damit zeigt der Herr Jesus, dass, wenn Er jetzt weggeht, die Jünger an jemanden glauben, den sie als Menschen vor sich gesehen haben, der aber viel mehr ist – der selbst Gott ist. Auch als im Himmel verherrlichter Mensch ist und bleibt Er der ewige Gott.
Die Jünger hatten natürlich auch vorher schon an den Herrn Jesus geglaubt. Aber an der Art ihres Glaubens würde sich jetzt etwas ändern. Sie hatten an Ihn geglaubt in dem irdischen Erwartungshorizont als an den Messias, den Christus, den König Israels (s. Joh 1,41.49). Das würde sich jetzt durch sein Weggehen zu dem Vater auflösen, und man sieht bei den Emmaus-Jüngern, was es bei glaubenden Jüngern bewirkt, wenn sich Erwartungen nicht erfüllen: Niedergeschlagenheit und enttäuschte Hoffnungen (Lk 24,17.21). Aus ihrer Sicht war alles vorbei. Deshalb sagt der Herr seinen Jüngern hier, dass sie nicht bestürzt sein sollten, denn Er würde ihnen weitaus höhere Segnungen durch sein Weggehen bereiten. Ihr Glaube würde sich ändern, denn sie würden an Ihn glauben als an den Gestorbenen, Auferstandenen und in den Himmel zurückgekehrten Menschen Jesus Christus.
Für alle Glaubenden nach den Aposteln gilt, dass sie den Herrn Jesus nie mit ihren leiblichen Augen gesehen haben. Er ist für uns immer der Gegenstand unseres Glaubens gewesen und wird es sein, bis Er uns zu sich in das Haus seines Vaters holt. Dann werden wir Ihn sehen, wie Er ist (s. 1. Joh 3,2). Doch bis zu diesem Augenblick sehen wir Ihn noch nicht, und trotzdem lieben wir Ihn; wir glauben an Ihn, obgleich wir Ihn jetzt nicht sehen, und wir frohlocken darin mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude, so schreibt es Petrus (s. 1. Pet 1,8). Der Heilige Geist vermittelt uns in dieser Zeit ein „Sehvermögen“ an den Augen unseres Herzens, wodurch wir tatsächlich diese unaussprechliche Freude über einen Christus im Himmel erleben und genießen.
„In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“ (V. 2).
In diesem Vers stellt der Herr den Jüngern eine zweite Tröstung vor. Bevor Er ihnen etwas über die Mühen ihres Weges durch diese Welt mit dem Hass und der Verwerfung sagt, die sie, wie auch Er selbst, erfahren werden, zeigt Er ihnen vorher das wunderbare Ziel, das Haus seines Vaters, in das sie einmal einziehen werden. Das ist oft die Weise Gottes, wenn Er mit Gläubigen spricht: Bevor Er etwas über die Umstände des Weges sagt, stellt Er ihnen das herrliche Ziel vor. Denken wir z. B. an das Volk Israel; in 5. Mose stellt Er ihnen erst die Segnungen und Schönheiten des verheißenen Landes vor, bevor sie dann hören, dass sie in dem Land zu kämpfen haben würden. Oder denken wir an Psalm 84, in dem zuerst die Lieblichkeit der Wohnungen Gottes vorgestellt wird, bevor dann der Weg dorthin, der durch das Tränental führt, beschrieben wird.
Auch mit dieser zweiten Tröstung werden übrigens wie bei der ersten die Herzen der Jünger von der jüdischen Ebene weggelenkt hin auf die christliche Ebene. Sie kannten bisher ein irdisches „Haus meines Vaters“, der Herr hatte in Bezug auf den Tempel in Jerusalem selbst davon gesprochen (s. Joh 2,16). Aber hier geht es nicht mehr um den irdischen Tempel des jüdischen Gottesdienstes, sondern um die christliche Segnung unserer himmlischen ewigen Heimat.
Mit diesen Worten nimmt der Herr ein wenig den Vorhang beiseite und zeigt den Jüngern, was auf die Glaubenden der christlichen Haushaltung wartet. Es gibt eine himmlische Heimat für uns. Dort, wo der Vater wohnt und wo auch der Sohn zu Hause ist, da ist auch unser Zuhause, in der Heimat des ewigen Lebens. Unfassbare Gnade! Dort, wo Vater und Sohn, die ewigen Personen der Gottheit, zu Hause sind, wo nie die Sünde Zugang hatte, soll meine Heimat sein. Wer kann das fassen? Paulus spricht davon in Epheser 4,10 und nennt diese Szene „hinaufgestiegen über alle Himmel“. Und in Hebräer 7,26 heißt es von dem Herrn Jesus, dass Er „höher als die Himmel geworden“ ist.
Dann sagt der Herr noch, dass dort in dem Haus seines Vaters nicht nur Raum für Ihn als den Sohn ist, sondern Raum für alle erlösten Kinder Gottes. Wenn das nicht so wäre, wenn Er für immer von den Seinen getrennt sein müsste, hätte Er es ihnen längst gesagt. Aber diese bevorstehende Trennung wird nur für eine kurze Zeit sein, und dann wird Er wiederkommen und uns dort einführen. Dann werden wir dort seine Herrlichkeit sehen (s. Joh 17,24). Diese vielen Wohnungen sollten nicht leer bleiben; sie existieren ewig und sie sollen einmal mit erlösten Menschen gefüllt werden. Johannes benutzt für die Ausdrücke Wohnung oder wohnen gerne ein Wort, das auch mit Bleiben übersetzt werden kann. Wir werden in diesen Wohnungen bleiben und nie mehr hinausgehen. Dass es viele Wohnungen gibt, zeigt uns, dass es in dem Ratschluss Gottes von jeher der Wunsch seines Herzens war, in diesen vielen Wohnungen viele Kinder zu haben. Es wird also genug Raum für alle Erlösten vorhanden sein, und andererseits wird auch das Persönliche nicht verloren gehen. Jeder einzelne Gläubige der christlichen Haushaltung wird dort einen persönlichen Genuss an der Herrlichkeit des Herrn haben. Und was ist in der Zwischenzeit, in der wir heute in der Erwartung dieses Zieles leben? Der Herr Jesus verheißt dem, der Ihn liebt und sein Wort hält, dass Er und der Vater zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen werden (s. Joh 14,23). Das ist wie ein Stück vom Himmel vorweggenommen in unser heutiges Leben, das wir in Übereinstimmung mit seinem Wort hier führen möchten. Auf dem Weg dorthin zu dem Haus des Vaters dürfen wir heute schon die Gemeinschaft mit göttlichen Personen genießen.
Wir müssen hier aber auch genau lesen und dürfen nicht von dem Haus unseres Vaters sprechen, der Herr sagt, dass es das „Haus meines Vaters“ ist. In Johannes 20,17 wird der Herr später von „meinem Vater und eurem Vater“ sprechen. Die Unterscheidung zwischen Ihm, dem ewigen Sohn und uns, den begnadigten Kindern Gottes, wird immer bestehen bleiben. Er muss in allem den Vorrang haben! Auch sagt Er hier nicht, dass es „das Haus meines Vaters und eures Vaters“ ist. Dieses Haus war das Haus seines Vaters, bevor die Schöpfung bestand und wir lebten; und Er ist von Ewigkeit her in dieser Beziehung zu dem Vater – und diese ewige Beziehung öffnet Er jetzt uns Menschen dadurch, dass Er nach vollbrachtem Werk als Mensch zurückkehrt in den Himmel. Wenn Er nicht als Mensch zurückgekehrt wäre in das Haus seines Vaters, wo Er als der ewige Gott, der Sohn, ununterbrochen ist und es nie verlassen hat, könnten andere Menschen niemals dort eingehen. Dieser Ort ist für Menschen der Natur nach unzugänglich, aber er ist für uns bereitet worden dadurch, dass Er als Mensch nach dem vollbrachten Werk vom Kreuz dort eingegangen ist.
Diese ewige Atmosphäre von Licht und Liebe befindet sich außerhalb der Schöpfung. In Psalm 103,19 lesen wir von dem Thron Gottes in den Himmeln, da ist es eine Sphäre in der für uns unsichtbaren Schöpfung, aber es ist noch der Bereich der Schöpfung. Dort steht der Thron Gottes, dort regiert Er über das, was Er erschaffen hat, über den Bereich, in dem sich auch die Engel befinden. Aber davon spricht der Herr hier in Vers 2 nicht. Hier spricht Er von einem Bereich, der immer bestand, ohne Bezug zu Raum und Zeit, wo Gott von Ewigkeit her in sich existiert in den Personen der Gottheit.
Obwohl wir kaum sagen können, was dieses Haus des Vaters wirklich ist, wird es durch die Worte des Herrn doch in für uns fassbaren Begriffen vorgestellt: Haus und Wohnungen. Wenn es auch kein geografischer Ort ist, und wenn wir auch nicht wissen, wo und wie es genau ist, dann wissen wir doch, wer dort ist. Haus spricht doch von einer Szene, wo Beziehungen genossen werden, und Wohnungen sind Bereiche, in denen persönliche Beziehungen genossen werden.
Wenn das nicht so wäre, dann hätte der Herr Jesus es uns gesagt. Er spricht in diesem Evangelium immer wieder sehr betont von seinem Vater. Er hat so viel von diesem Vater gezeigt und gesprochen, dass Er später in Vers 9 zu Philippus sagen kann: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Und nach seiner Auferstehung ist es das Erste, was Er seinen Jünger ausrichten lässt, dass sein Vater jetzt auch ihr Vater ist (s. Joh 20,17). Es war Ihm immer darum gegangen, die Herzen der Jünger für den Vater zu erwärmen, deshalb hätte es eines besonderen Hinweises von Ihm bedurft, wenn dieser Vater in seinem Haus nicht auch Wohnungen für seine Kinder hätte. Es ist doch normal für einen Vater, dass Er Wohnungen für seine Kinder hat. Aber damit wir dann in diesem Haus des Vaters sein und Genuss an den göttlichen Beziehungen haben können, ist es nötig, dass wir dort einen Menschen haben, in dessen Angesicht wir die Herrlichkeit Gottes sehen können, der uns etwas zeigt von der Liebe des Vaters zu dem Sohn, mit dem wir dann auch ewig Gemeinschaft genießen können. Haben wir schon darüber nachgedacht, dass der Herr Jesus als Mensch im Himmel auch Gott untergeordnet bleiben wird? Was für eine gewaltige Gnade, dass Er sich nach dem vollbrachten Werk und seiner Rückkehr nicht in seine Gottheit zurückgezogen hat, sondern dass Er auch Mensch bleibt, damit wir all diese Beziehungen der göttlichen Liebe durch Ihn und mit Ihm genießen können.
Weitere Erwägungen über das „Haus meines Vaters“
Ist das Haus des Vaters ein Ort? Oder sagen wir besser, dass es eine Sphäre ist? Wo liegt dieses Haus des Vaters, ist es der Himmel? Gehört es zu dieser Schöpfung oder liegt es außerhalb alles Erschaffenen? Kann es eigentlich einen unerschaffenen Himmel geben? Es ist schwierig, in Worte zu kleiden, worüber wir hier nachdenken. Aber wenn es einen unerschaffenen Himmel gäbe, dann gäbe es ja doch einen Ort, der ewig ist außer Gott. Wir müssen uns beim Nachdenken darüber von allen menschlichen und physikalischen Vorstellungen trennen. Für uns unvorstellbar ist der Gedanke an etwas außerhalb der Schöpfung, aber es ist Tatsache: Gott ist ewig, und Gott ist Einer. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist ist Einer. Und Gott ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm (s. 1. Joh 1,5). Das ist gewissermaßen die Ausstrahlung des Wesens Gottes: keine Finsternis, sondern nur Licht. Das macht dem natürlichen Menschen Furcht. Aber wenn wir einmal dort sein werden – und das werden wir –, dann wird das keine solchen negativen Empfindungen mehr auslösen. Wir sind selbst „Licht in dem Herrn“ (Eph 5,8) und werden das dann dort ewig vollkommen genießen.
Gott ist auch Liebe (s. 1. Joh 4,8.16). Licht ist absolut, aber Liebe ist der Ausdruck der innigsten Beziehung, die es gibt. Und dass Gott Liebe ist, hat Er nicht erst uns als Sündern erwiesen (Gott hat die Welt geliebt, s. Joh 3,16); sondern wenn wir sehen wollen, wie und was die wahre göttliche Liebe ist, dann schauen wir auf den Vater und den Sohn. Der Sohn hat gesagt: „Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24).
Das sind die wesentlichen Charakterzüge der Gegenwart Gottes selbst und des Hauses des Vaters. Wir merken, dass wir das mit unseren irdischen Begrifflichkeiten wie Ort, Bereich, Platz, Atmosphäre gar nicht recht beschreiben können. Es ist fast nicht in Worte zu kleiden, und es ist eben kein Ort nach unserem Verständnis. Auch wenn wir hier von vielen Wohnungen lesen, ist es doch kein Ort in unserem menschlichen Sinn. Es ist der Bereich der ewigen Gegenwart Gottes in der Einheit von Licht und Liebe. Es ist also ein abstrakter Ort, der so vollkommen wahr und wirklich ist, dass wir es uns überhaupt nicht vorstellen können. Und doch ist es so, und wir dürfen uns darauf freuen, dass der Herr uns einmal in dieses vollkommen ungetrübte Licht der Gegenwart Gottes bringen wird. Wir werden dort froh und dankbar und vollkommen glücklich in diesem Licht sein, das von dieser unergründlichen ewigen Liebe Gottes gekennzeichnet ist. Und dort werden wir sein! Es wird die höchste Genugtuung für uns sein, weil wir dort den Sohn der Liebe des Vaters (s. Kol 1,13) sehen werden.
Wie wenig können wir über dieses Haus des Vaters sagen. Fest steht, dass es der Ort vollkommenster Freude, Glückseligkeit und des Friedens sein wird, in vollkommener Übereinstimmung mit dem Vater und dem Herrn Jesus. Die Zeit, wo wir hier auf der Erde wohl jeden Tag noch Sünden zu bekennen haben, wird dann auf ewig hinter uns liegen. Es ist die ewige, ungeschaffene und deshalb nicht lokal und physikalisch zu beschreibende Wohnung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, wo wir die höchste Nähe, die Geschöpfe überhaupt zu Gott haben können, wirklich und ewig erfahren und genießen werden.[1] Dass wir dort unseren Erlöser sehen werden, wird unsere ewige Glückseligkeit ausmachen, denn das ist das wesentlichste Kennzeichen des Hauses des Vaters: die Tatsache, dass dort der Sohn ist! Nur im Sohn wird der Vater offenbart.
Zusammenfassend können wir vielleicht sagen, dass das Haus des Vaters ein Bereich göttlichen Lichts und göttlicher Liebe ist. Es ist der ewige Wohnort Gottes, das wird deutlich aus Johannes 17,5: „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst“; bei dir selbst, das ist das Haus des Vaters. Es ist auch der Bereich, von dem der Herr dann in Johannes 17,24 sagt: „wo ich bin“. Das Haus des Vaters ist, wo von Ewigkeit zu Ewigkeit der Vater ist und der Sohn ist und der Heilige Geist ist. Gott hatte den Plan in seinem Herzen, Menschen in die Wohnungen dieses Hauses zu bringen, in diesen Bereich göttlichen Lichts und göttlicher Liebe. Er hat uns auserwählt in Ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor Ihm in Liebe (s. Eph 1,4). Das ist eine etwas andere Seite dieses ewigen Ratschlusses Gottes: Menschen sollen vor Ihm sein, passend für diesen Ort göttlichen Lichts und göttlicher Liebe. In diesem Haus des Vaters wird einmal die Familie Gottes sein, solche, die Gott als Vater kennen. Der Vater wollte Menschen in seinem Haus haben, um ihnen seine Liebe zu dem Sohn zu zeigen und ihnen seine Liebe zu schenken. Damit Menschen einmal dorthin kommen können, musste diese Stätte bereit gemacht werden; und der Herr hat diese Stätte dadurch bereitet, dass Er mit dem ganzen Wert seines Werkes von Golgatha als Mensch in das Haus des Vaters gegangen ist. Jetzt schon ist diese Stätte bereit, deshalb kann es jeden Augenblick sein, dass Er wiederkommt, um alle, die zur Familie Gottes gehören, in dieses Haus des Vaters einzuführen. Es wird unser ewiges Glück sein, in dem Herrn Jesus die Liebe des Vaters zu sehen und in Ihm auch die Liebe des Vaters zu genießen.
Was wird’s sein, was wird’s sein, führest Du mich droben ein!
Wo nicht Sünd und Welt mehr störet, nie ein Seufzer wird gehöret –
ewig werd ich bei Dir sein, ewig werd ich bei Dir sein![2]
Wer wird in diesem „Haus meines Vaters“ sein?
Manchmal wird behauptet, dass alle Gläubigen aller Heilszeitalter im Haus des Vaters sein werden. Der Herr sagt hier: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten.“ Dieses Bereiten war kein Erbauen, denn die Wohnungen sind ja schon da. Es war das Eintreten des Herrn in diese Herrlichkeit als Mensch. Dadurch, dass der erste verherrlichte Mensch in das Haus des Vaters eintrat, wo nie zuvor ein Mensch war, ist der Zugang und damit auch die Stätte bereitet worden.
Wir finden auch schon im geschaffenen unsichtbaren Himmel, dem geistlichen Himmel, Dinge, wo wir uns von irdischen Maßstäben verabschieden müssen. Denken wir an die Ausdrucksweise in Offenbarung 4 und 5, wo wir von dem Thron im Himmel lesen, dass auf dem Thron einer saß (s. Off 4,2) und inmitten des Thrones ein Lamm steht (s. Off 5,6). Diese Ausdrücke scheinen sich zu widersprechen, zeigen aber letztendlich nur die verschiedenen Aspekte: Sitzen auf dem Thron bedeutet Herrschaft; Mittelpunkt aller Gedanken Gottes ist aber das Lamm.
Und wenn der Herr sagt, dass wir alle da sein werden, wo Er ist, dann sind das wahrscheinlich Milliarden von Gläubigen; wie sollen die alle bei dem Herrn sein? Wir finden in dem Thronsaal des geschaffenen Himmels eine geometrische Angabe, die uns zeigt, dass alle gleich weit oder gleich nah bei dem Herrn sein werden. Sie werden rings um den Thron gesehen (s. Off 4,4). Der Kreis ist die einzige geometrische Form, bei der alle Punkte gleich weit von ihrem Mittelpunkt entfernt sind. Das soll dieses Bild zeigen. Alle Gläubigen, dargestellt in den 24 Ältesten, sind gleich nah zu dem Mittelpunkt, dem Lamm. Und das trifft natürlich in viel höherem Maß auf das Haus des Vaters außerhalb der geschaffenen Himmel zu. Wir müssen uns tatsächlich von allen menschlichen Gedanken physikalischer Natur verabschieden. Jeder Gläubige kann sich an dem Gedanken erfreuen, einmal in vollkommener Nähe zu seinem Herrn zu sein.
Aber werden nun alle Gläubigen aller Heilszeitalter im Haus des Vaters sein? Der Herr hat viele Erlöste; auch die alttestamentlich Gläubigen, auch die Gläubigen aus der Drangsalszeit, auch die Gläubigen aus dem Tausendjährigen Reich gehören zu diesen Erlösten. Der Herr sagt hier, dass Er wiederkommen wird. Bei seinem Kommen zur Heimholung werden die Gläubigen aus der Drangsalszeit und die aus dem Tausendjährigen Reich jedenfalls nicht dabei sein, weil diese Zeiten ja erst nach der Entrückung beginnen. Doch die Gläubigen des Alten Testaments ruhen zu dem Zeitpunkt der Entrückung doch schon in ihren Gräbern – werden sie auch in das Haus des Vaters eingehen? Die Bibel gibt uns keine Begründung für diesen Gedanken. Außerdem spricht der Herr hier zu solchen, die an Ihn geglaubt haben, und das trifft auf die alttestamentlichen Gläubigen nicht zu.
Dieser wichtige Unterschied wird von vielen Gläubigen heute nicht gesehen. Es ist ein Unterschied, ob man vor der Zeit, als der Herr Jesus am Kreuz starb, an Gott geglaubt hat, oder ob man nach diesem Zeitpunkt an den Herrn Jesus glaubt. Dieser Unterschied wird uns in Römer 3,25.26 sehr deutlich gezeigt! Gottes Wort unterscheidet zwischen denen, die vor dem Erlösungswerk oder nach dem Erlösungswerk geglaubt haben. Es heißt dort, dass Gott den Herrn Jesus dargestellt hat als ein Sühnmittel durch den Glauben an sein Blut. Und dann folgt die Unterscheidung: „zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes“; das ist der erste Punkt, der sich auf die Gläubigen des Alten Testaments bezieht, und das kann sich unmöglich auf unsere Sünden beziehen, die vor unserer Bekehrung geschehen sind. Und dann folgt der zweite Punkt: „zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“; das ist die deutliche Scheidung durch das Kreuz. Alle Erlösten werden durch das Blut Christi gerechtfertigt, auch die Gläubigen des Alten Testaments. Aber sie kannten dieses Werk vom Kreuz noch gar nicht; deshalb hat Gott ihre Sünden gewissermaßen getragen im Hinblick darauf, dass der Herr Jesus sie einmal am Kreuz sühnen würde. Wenn diese Gläubigen an Gott in dem Maß, wie Er sich ihnen offenbart hatte, glaubten, hat Er ihnen das Werk seines Sohnes im Voraus zugerechnet.
Gott unterscheidet also klar solche, die an Gott geglaubt haben, von denen, die an den Herrn Jesus geglaubt haben. Davon hatte der Herr hier in Vers 1 ja auch gesprochen, als Er gesagt hatte: „Ihr glaubt an Gott“ – das war der Zustand der alttestamentlichen Gläubigen und bis dahin auch der Jünger –, „glaubt auch an mich“ – damit sind nur diejenigen gemeint, die in der jetzigen Zeit der Gnade bis zur Entrückung an den Herrn Jesus glauben.
Dann kommt noch hinzu, dass der Herr Jesus nur eine Gruppe von Gläubigen als seinen Leib bezeichnet: diejenigen, die jetzt an Ihn glauben und durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft worden sind, seine Versammlung (s. 1. Kor 12,13; Eph 2,16). Außerdem spricht die Bibel auch von der Braut, der Frau des Lammes; auch dazu gehören nur die Glaubenden der jetzigen Gnadenzeit (s. 2. Kor 11,2; Eph 5,25–32; Off 19,7; 21,2.9.10). Als weiteren Punkt für diese Unterscheidung führen wir noch die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Gläubigen an, wie sie in der Offenbarung im Himmel gesehen werden. Zum einen haben wir dort die 24 Ältesten, und zum anderen haben wir dann die Unterscheidung zwischen der Braut und den Geladenen bei der Hochzeit des Lammes. Die 24 Ältesten zeigen uns alle Gläubigen, die bis zur Entrückung gelebt haben; je einmal zwölf für die Gläubigen des Alten Testaments und für die Gläubigen der Gnadenzeit, zwölf Stämme Israels und zwölf Apostel. Diese Zusammenfassung in 24 Älteste zeigt uns, dass es Wahrheiten gibt, die für alle Gläubigen aller Heilszeitalter gleichermaßen gelten und sie auf eine gleiche Stufe stellen: Sie sind verlorene Sünder, sie glauben an Gott, sie haben die Hoffnung auf ein ewiges Leben. Das vereint auch uns mit allen Gläubigen aller Zeiten und kommt hier in diesen 24 Ältesten zum Ausdruck.
Doch bei der Hochzeit des Lammes in Offenbarung 19 und auch danach wird von den 24 Ältesten nicht mehr gesprochen. Denn bei der Hochzeit des Lammes werden diese 24 Ältesten in zwei Gruppen geteilt; die eine Gruppe besteht aus den Gläubigen der Gnadenzeit und ist die Braut des Lammes, und die andere Gruppe sind die Geladenen zu der Hochzeit, die Gläubigen des Alten Testaments. Diese Teilung wird in Ewigkeit so bleiben. Die Braut, die Versammlung, wird unter anderem auch das neue Jerusalem sein, die Hütte Gottes, seine Wohnung bei den Menschen (s. Off 21,2.3). Gott wird also mittels der Versammlung bei den Menschen, den Gläubigen aller anderen Heilszeiten, in alle Ewigkeit wohnen.
Wenn das aus dem Himmel herabkommende Jerusalem in Offenbarung 21,10 noch einmal erwähnt wird, handelt es sich auch dort um die Versammlung. In Vers 2 ist es die Versammlung in ihrem ewigen Charakter im ewigen Zustand, in Vers 10 die Versammlung in einer Art Rückblende während der Zeit des Tausendjährigen Reiches, denn in dieser Rückblende ist noch von Tag und Nacht und von Israel und den Nationen die Rede. Diese Unterscheidungen wird es im ewigen Zustand nicht mehr geben. Aber in beiden Fällen wird von ihr gesagt, dass sie aus dem Himmel herabkommt von Gott, es handelt sich also um den gleichen Gegenstand, die Versammlung. Auch in der Verheißung an den Überwinder der Versammlung in Philadelphia wird sie so beschrieben (s. Off 3,12).
Aus diesen Erläuterungen geht klar hervor, dass nur die Gläubigen der jetzigen Gnadenzeit vom Herrn gemeint sind, wenn Er hier zu den Jüngern sagt: „Damit, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Joh 14,3). Was für ein Vorrecht vor allen Gläubigen der anderen Heilszeitalter! Diese werden auch alle reich gesegnet sein in ihrem Teil, aber die Gläubigen der Gnadenzeit werden eine besondere Stellung einnehmen. Wir werden ewig im Haus des Vaters sein, in der unmittelbaren Nähe Gottes! Wir werden dazu neue, verherrlichte Leiber haben, die das, was Er ist, vollkommen genießen können. Hier auf der Erde ist immer unser Fleisch da und hindert uns an diesem Genuss.
Fußnoten:
- Dieses unerschaffene Haus des Vaters ist als Bereich zwar „über allen Himmeln“ (s. Eph 4,10), wird aber doch an einigen Stellen in allgemeinerer Weise als „Himmel“ bezeichnet: s. z. B. Joh 3,13; Lk 24,51 usw. Das hebt die oben geäußerten Bemerkungen dazu natürlich nicht auf (nachträgliche Ergänzung des Beitrags, um evtl. aufkommenden Fragen zu begegnen).
- „Geistliche Lieder“; Nr. 19 Strophe 4.
