„Es hat einer von ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt: 'Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.' Dieses Zeugnis ist wahr.“ Paulus zitiert an dieser Stelle den kretischen Staatsmann und Philosophen Epimenides. Er bezeichnet ihn als Propheten, da Epimenidis den wahren Charakter seiner Volksgenossen aufdeckte.
Wenn Epimenides davon spricht, dass Kreter immer lügen, so ist das natürlich nicht im absoluten Sinn zu verstehen. Gemeint ist: Wenn man einem Kreter begegnet, muss man feststellen, dass Kreter es mit der Wahrheit nicht genau nehmen – mehr oder weniger. Es kommt immer wieder vor, dass sie lügen. Sie sind dadurch charaktersiert. Auch in unserer Umgangssprache benutzen wir das Wort „immer“ in einem relativen Sinn; so bekommt das unartige Kind zu hören: „Meckere doch nicht immer beim Essen.“
Eigenlich nicht schwierig zu verstehen, aber gerade um diese Aussage des Epimenides ranken sich die paradoxesten Überlegungen. Wie zum Beispiel: „Wird die Aussage [des Epimenides] als wahr angenommen, ist sie ihrem Inhalt nach, da sie von einem Kreter stammt, falsch. Sie kann also nicht wahr sein ...“