Zuweilen hört man die Ansicht, dass Christus sein Blut in das himmlische Heiligtum hineingetragen habe. Auch Poeten haben diese Gedanken aufgegriffen.

Aber: Ist das richtig? Hat Christus sein Blut ins Heiligtum getragen? Sagt die Schrift das? Wenn man eine Passage in Hebräer 9,11–12 liest, dann könnte man das meinen. Ich zitiere aus der bearbeiteten Fassung der Elberfelder:

„Christus aber  – gekommen als Hohepriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut – ist er ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.“
 
Die Gedankenstriche helfen zu erkennen, dass der Schreiber des Briefes eine Einschaltung (mit weiteren Einschaltungen) macht. Ohne Einschaltung lautet die Aussage: „Christus aber … ist er ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.“ Er ging einmal in das wahre Heiligtum hinein, während die Hohenpriester in das irdische Heiligtum hinein- und auch wieder hinausgingen. Es gibt noch weitere Unterschiede zwischen Christus und den Hohenpriestern: Die Hohenpriester hatten es mit Blut von Tieren (das unmöglich Sünden wegnehmen kann) zu tun, Christus gab sein eigenes Blut, das die Gewissen reinigt von toten Werken. Die Aussage „mit seinem Blut“ könnte man auch übersetzen mit „durch sein Blut“. Es geht darum, was charakteristisch ist für sein Kommen. Es geht nicht darum, dass Christus sein Blut buchstäblich in den Himmel gebracht hätte. Tausendmal nein!
 
In diesem Zusammenhang möchte ich noch Hebräer 2,17 erwähnen: „Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden, damit er in den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hohepriester werde, um die Sünden des Volkes zu sühnen“. Hier argumentierte man schon einmal so: Der Herr konnte auf der Erde nicht Priester sein (Heb 8,4), folglich hat er die Sünden des Volkes im Himmel gesühnt. Das geschah durch die Darbringung des Blutes im himmlischen Heiligtum. Das klingt vielleicht logisch, ist aber falsch.
 
Man muss erkennen, dass der Hohepriester Aaron, der ein Vorbild auf Christus ist, zwei Dienste hatte. Den besonderen Dienst am großen Versöhnungstag in 3. Mose 16, wo er seinen leinenen Kleider anhatte, und den normalen, alltäglichen Dienst, wo er seine hohepriesterliche Kleidung anhatte. Am Kreuz hat Christus den „besonderen Dienst“ des Hohenpriesters (ein für alle Mal) erfüllt, indem er sein Blut gegeben hat. Heute ist er im himmlischen Heiligtum als Hoherpriester für uns tätig und übt seinen Dienst täglich für uns aus. Er verwendet sich dort für uns – aber es geht nicht mehr um Sühnung. 

Als der Herr Jesus am Kreuz auf Golgatha starb, hat er das Vorbild von 3. Mose 16, dem großen Sühnungstag, erfüllt. Sein heiliges Blut war dann in seinem ganzen Wert vor den Augen Gottes. Das Erlösungswerk war vollbracht. Gott hat Christus als „Sühnmittel“ (oder Gnadenstuhl) dargestellt. Jeder, der heute an ihn glaubt, wird von seiner persönlichen Sündenschuld befreit.