„Da wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“ (Römer 6,6).

Der Tod Christi ist großartige Tatsache, die das gesamte christliche Leben und Erleben beherrscht, und es ist erstaunlich, wie sehr dies in den Kapiteln 6, 7 und 8 des Römerbriefes zutage tritt. In Kapitel 6 gibt uns beispielsweise Vers 6 das stabile Fundament, auf dem seine ganze Lehre aufbaut; ein Vers, der unsere Gedanken hin zum Kreuz Christi trägt und zu dem, was Gott dort vollendet hat.

Der Apostel zeigt auf, wie unvorstellbar es ist, dass der Gläubige fortfährt, zu sündigen, und er beruft sich auf das, was in Bezug auf die Taufe Allgemeinwissen war, nämlich, dass sie „auf“ oder „in“ den Tod Christi ist (Vers 4). Die Taufe hat deshalb das Wesen eines Begräbnisses mit ihm, welches die zwingende Konsequenz in sich birgt, dass unser darauf folgendes Leben einer neuen Ordnung untersteht: „... so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln“ (Vers 4).

In Vers 6 werden unsere Gedanken gelenkt – nicht hin auf die Taufe selbst, sondern auf jenes unvergleichlich größere Geschehnis, auf das die Taufe hinweist. Die Verse 3 und 4 erzählen uns von der Taufe und dem, was wir in Bezug darauf wissen. Hinter der Taufe steht das Kreuz – wenn man das so formulieren darf. Ohne Kreuz ist die Taufe nichts.

„Unser alter Mensch“ ist also mit ihm gekreuzigt worden, damit „der Leib der Sünde“ abgetan ist und wir der Sünde nicht länger dienen. Die Schwierigkeit dieses Verses liegt weitgehend in den beiden Formulierungen, die wir hier in Anführungszeichen gesetzt haben. Was bedeuten sie?

Die Formulierung „unser alter Mensch“ konfrontiert uns mit einer abstrakten Idee, da wir uns auf keinen bestimmten Menschen beziehen können, was ja der Vorstellung eine konkrete Gestalt verleihen würde. Wir können nicht konkret auf Adam verweisen, obwohl all die Wesenszüge, die den „alten Menschen“ charakterisieren, genau jene sind, die in Adam als einem gefallenen Geschöpf wohnten und die sich in der traurigen Historie seiner Rasse entfaltet haben. Wir wollen uns Adams Sein und Wesen gedanklich vergegenwärtigen, wie es sich nicht nur in Adam, sondern auch in der gesamten Geschichte seiner Nachkommenschaft darstellt – Verderben in betrügerischen Lüsten (vgl. Eph 4,22). So bekommen wir einen Eindruck von den moralischen Wesenszügen des „alten Menschen“.

Unser Vers befasst sich jedoch nicht mit „dem alten Menschen“, sondern mit „unserem alten Menschen“ – ein entscheidender Unterschied. „Der alte Mensch“ ist etwas Verurteiltes; der Christ hat ihn „abgelegt“ (Eph 4,22) – d.h. er verleugnet seine Fähigkeiten und Wesenszüge. Aber es ist „unser alter Mensch“, von dem gesagt wird, dass er mit Ihm mitgekreuzigt wurde (Römer 6,6).

Werfen wir einen kurzen Blick auf Römer 3,22, um dies klarer aufzuzeigen, denn dort wird ganz deutlich unterschieden zwischen Gottes Gerechtigkeit „für alle“ einerseits und Gottes Gerechtigkeit „auf alle, die glauben“ andererseits. Das Erstere ist die breite und allgemeine Tragweite jener Gerechtigkeit, die sich auf die durch Christus bewirkte Sühnung gründet (Vers 25), das Letztere die tatsächliche Wirkung der Anwendung jener Gerechtigkeit – streng begrenzt auf jene, die sich das stellvertretende Werk Christ glaubend zu Eigen gemacht haben. Dafür ist Römer 4,25 ein Beispiel. Als Stellvertreter starb er für ‚unsere' Missetaten, also für die Missetaten von Gläubigen, und nicht für die Missetaten von jedermann.

Was nun in Römer 4,25 in Bezug auf Missetaten richtig ist, ist in Römer 6,6 ebenso korrekt in Bezug auf das Wesen, aus dem Missetaten herrühren. Es ist ebenso wenig „der alte Mensch“, der mit Christus gekreuzigt wurde, wie Er für jedermanns Missetaten hingegeben errettet wurde. Wenn Er für jedermanns Missetaten gelitten hätte und der „alte Mensch“ mit Ihm gekreuzigt worden wäre, dann könnte ganz offensichtlich gerechterweise niemand für seine Missetaten bestraft oder für sein eigenes Ich verurteilt werden. Anders ausgedrückt: Dann müssen wir logischerweise an der allgemeinen Rettung festhalten.

Genau das Gleiche wird in 2. Korinther 5,21 angesprochen, obwohl man hier häufig dazu neigt, beim Zitieren die beiden kleinen Worte weg zu lassen, welche die Feststellung auszeichnen: „für uns“. Die Aussage lautet: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht“ . Und wieder sagen wir: nicht ‚für jedermann'.

„Unser alter Mensch“ ist also unser Adamssein und -wesen, wie es sich in seinen moralischen Wesenszügen zeigt (in allem, was wir als Kinder Adams sind) – und das ist mit Christus gekreuzigt worden. Sein Gericht ist von Ihm ertragen worden, so wahrhaftig, dass wir, die wir identifiziert sind mit allem, was wir sind, in der großen Gerichtshandlung des Kreuzes ebenfalls gestorben sind. Deshalb nimmt der Apostel in Vers 8 genau diese Formulierung auf und benutzt sie als Grundlage für eine weitere Schlussfolgerung: „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind“, usw. Nicht die Welt ist mit Christus gestorben, sondern wir.

Aus all dem folgt, dass der „Leib der Sünde“ abgetan ist (Vers 6) – ein weiterer abstrakter Gedanke. Kolosser 2,11 liefert uns eine ähnliche Formulierung. Dort wird von dem „Ausziehen des Leibes des Fleisches“ gesprochen. In beiden Abschnitten scheint das Wort „Leib“ sinngemäß das Ganze darzustellen, im Gegensatz zu Teilen oder Bruchstücken. Zum Beispiel verglich Amos die Rettung eines Teils von Israel mit einem Hirten, der aus dem Maul eines Löwen „zwei Beine oder einen Ohrzipfel“ (Am 3,12) rettet; es wurden also nur Bruchteile gerettet. Gott aber hat sich nicht teilweise oder bruchstückartig mit der Sünde befasst. Sein Ziel bestand nicht einfach darin, gewisse hässliche Wesenszüge der Sünde zu tilgen, sondern ihren gesamten „Leib“, und er tat dies, indem er unseren alten Menschen zur Kreuzigung – einem Tod in Schande – brachte, alles, was wir als Kinder Adams waren.

Dieser große Gerichtsakt und das Urteil des Kreuzes entscheidet alles. Er bedeutet für den Gläubigen die Freiheit, hinfort nicht mehr der Sünde zu dienen. Im Wissen um das, was das Kreuz bewirkt hat, hält er dafür, dass er der Sünde tot ist (Vers 11) und stellt sich und seine Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit dar (Vers 13). Das neue Leben des Gläubigen ist ein Leben des Gehorsams, denn das ist es, was das „sich darstellen“ bedeutet.