Die heiligen Schriften stellen uns die Wahrheit Gottes in einer Weise vor, die geeignet ist, die Kraft dieser Wahrheit auf unseren Zustand und unser Verhalten anzuwenden. Im Alten Testament finden wir einen großen geschichtlichen Anteil, jedoch nur so viel, wie nötig ist, um die Wege Gottes zu beleuchten und tiefe moralische Belehrungen zu geben. Auch in den Evangelien wird uns das von unserem Herrn berichtet, was nötig ist, um uns ein vierfaches Bild von Ihm und von dem Vater, der in Ihm offenbart ist, zu geben.

So wird uns auch in der Apostelgeschichte ein Blick gestattet auf das Wirken des Heiligen Geistes durch die Apostel und andere, um den dadurch bewirkten praktischen Übergang vom Judentum auf das Christentum in seinem eigentlichen Charakter zu zeigen. Und in den Briefen wird uns die ganze Wahrheit entfaltet, jedoch nie in einer rein theoretischen Weise, als ob es nur ein geistiges Modell göttlicher Philosophie wäre. Jede offenbarte Wahrheit wird auf den Zustand und das Verhalten der Gläubigen angewandt, damit die Kraft der Wahrheit unser Leben beeinflusst und es in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes bringt.

Das wird besonders im Römerbrief deutlich, wo die Kapitel 12 bis 15 voller Anweisungen und Ermahnungen sind, die sich auf das Evangelium gründen, das in den vorherigen Kapiteln entfaltet wurde. Dort lesen wir auch den herrlichen Vers: „Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung (oder Tröstung) der Schriften die Hoffnung haben“ (Röm 15,4).

Hier wird ganz klar auf das Alte Testament angespielt, denn dort finden wir die „zuvor geschriebenen” Dinge. Sie hatten natürlich auch für die Generationen, denen sie zuerst gegeben waren, ihre Bedeutung, doch Gott hatte auch uns im Blick, als Er sie durch Inspiration des Heiligen Geistes gab. Sie sind zu unserer Belehrung geschrieben, aber diese Belehrung ist nicht eine akademische – das bloße Ansammeln richtiger Information –, sondern eine sehr praktische. Sie soll Geduld oder Ausharren fördern, Trost oder Ermunterung spenden und uns mit einer Hoffnung erfüllen, die bleibt. Und wenn das von den alttestamentlichen Schriften gesagt werden kann, mit wie viel mehr Nachdruck kann es dann in Bezug auf das Neue Testament gesagt werden.

Wie wenig Geduld oder Ausharren haben wir doch von Natur aus! Die Welt ist voller Menschen, die es eilig haben, ihre Ziele zu erreichen, seien sie gut, schlecht oder neutral. Der gleiche Geist zeigt sich allzu oft auch bei wahren Gläubigen, die rechte und schriftgemäße Dinge erreichen wollen, diese Ziele jedoch in fleischlicher Energie verfolgen, ohne Gott Zeit zu lassen, zu handeln und die Dinge in der Kraft Seines Geistes zu bewirken. Wir dürfen nicht vergessen, dass die erste Sache, die in 2. Korinther 12,12 als Zeichen eines Apostels noch vor Wundern und mächtigen Taten genannt wird, „alles Ausharren“ ist. Wenn wir also recht von den zuvor geschriebenen Dingen lernen, werden wir sehen, wie Gott Sein Ziel mit unendlicher Geduld erreicht, manchmal sogar durch scheinbare Niederlagen, denn Er ist der „Gott des Ausharrens“, wie es der nächste Vers in Römer 15 sagt. Das wird Geduld in uns hervorbringen.

Dadurch werden wir Zutritt zu den Tröstungen und Ermunterungen bekommen, von denen die Schriften so voll sind. Der Ausblick in der Welt ist sehr düster. Auch der Ausblick in der Versammlung kann nicht gerade ermunternd genannt werden. Doch Gott ist der „Gott der Ermunterung“ oder der Tröstung, und deshalb sind die Schriften auch voll dieses Trostes für den Menschen des Glaubens, weil sie uns ganz einfach Gott selbst vorstellen. Wenn wir über die Schriften nachsinnen, wird unser Blick auf Gott gerichtet, auf das, was Er in Christus getan hat und was Er noch tun wird. Dann bekommt in unseren Gedanken der Mensch den ihm gebührenden, unbedeutenden Platz und der für alles genügende Gott, offenbart in Christus, strahlt vor unseren Glaubensaugen hell hervor.

Durch Ausharren und Ermunterung der Schriften werden wir dann „die Hoffnung haben.“ Zu diesem Punkt werden wir geleitet trotz der völlig desillusionierten Welt, die uns umgibt. Die Geschichte der Welt ist wirklich nichts weiter als ein Bericht vereitelter Hoffnungen, und wenn wir uns in der heutigen Welt umsehen, fragen wir uns, welche Grundlage es auch für irgendeine Hoffnung geben sollte, da die Menschheit doch offensichtlich in einen Zustand massenhafter Brutalität versinkt, der seit Beginn der Welt noch nicht da gewesen ist.

Nur der Mensch des Glaubens hat eine unerschütterliche Grundlage für seine Hoffnung. Der Gott, den er kennt, ist der „Gott der Hoffnung“ (Röm 15,13), mit dem ihn der Geist durch die Schriften bekannt gemacht hat. Während wir auf das Kommen des Herrn, die Vollendung aller unserer Hoffnungen, warten, lasst uns den Schriften und den Wahrheiten, die sie uns eröffnen, einen beherrschenden Platz in allen unseren Gedanken geben.

[Übersetzt von Marco Leßmann]