Es ist ein Phänomen, dass wir gern Fehler bei anderen suchen und sie sogleich ans Licht ziehen. Das gilt auch dann, wenn man etwas liest. Jeder, der etwas schreibt, sollte sich bewusst sein, dass viele Leser heimlich auf der Jagd nach Fehlern sind. Ludwig Reinders (der Mann für die Stilkunde) schreibt: „Viele Menschen sind beim Lesen bemüht, zur Beruhigung ihres Selbstwertgefühls, Fehler zu entdecken. Alle diese Einwände muss der Autor erraten und rechtzeitig widerlegen, sonst schleppt sie der Leser ständig mit sich herum und sie versperren ihm das Verständnis für das Folgende.“ Ein sehr guter Hinweis, denke ich.

Die Suche nach Fehlern illustrierte einmal ein Redner auf eindrückliche Weise. Er malte vor den Augen seiner Zuhörer mit einem Bleistift einen dicken Punkt auf ein weißes Papier. Dann zeigte er das Blatt seinem Publikum und fragte den Ersten: „Was sehen Sie?“ Die Antwort lautete: „Einen schwarzen Bleistiftpunkt.“ Er fragte weiter und weiter und alle sagten, dass sie einen Bleistiftpunkt sehen würden. Schließlich rief er mit lauter Stimme: „Sieht eigentlich niemand von Ihnen das weiße Blatt Papier?“

Und du? Siehst du nicht die weiße Weste deines Bruders oder deiner Schwester? Warum sind wir nur so oft auf den kleinen schwarzen Punkt fixiert?