Nach Obadja kommen wir nun in unserem Streifzug zu Jona. Obadja zeigt die Schadenfreude Edoms über die Niederlage Israels. Jona spricht hingegen von dem Missmut eines Israeliten über die gnädige Verschonung der Heiden in Ninive. Dort Freude über das Unglück; hier Trauer, dass kein Unglück kommt.

Der Bote:

Der Prophet Jona stammte aus Gath-Hepher in Galiläa, nördlich von Nazareth. Wie aus 2. Könige 14,15 hervorgeht, weissagte er in der Zeit Jerobeams II. (793–753 v. Chr.) oder kurz davor. Sein Buch enthält kaum Weissagung; vielmehr stehen die Erlebnisse Jonas selbst im Mittelpunkt. Diese haben jedoch eine prophetische Dimension – Jona ist gewissermaßen „gelebte Prophetie“. So weist Jona beispielsweise auf den Herrn Jesus selbst hin, wie Matthäus 12,39–41 deutlich macht.

Die Botschaft:

Das Buch Jona zeigt einen interessanten Wechsel zwischen „Rede und Antwort“: In Kapitel 1 redet Gott zu Jona. Der Prophet hört nicht auf Ihn und läuft davon. In Kapitel 2 spricht Jona zu Gott, der sein Gebet erhöRt Kapitel 3 zeigt, wie Jona zu den Niniviten redet und sie seine Botschaft bußfertig annehmen. In Kapitel 4 redet Jona wieder zu Gott, aber Gott erhört Jonas Bitte nicht, sondern spricht zu ihm Worte der unterweisenden Gnade. Damit schließt dieses Buch. Gott, der das erste Wort in diesem Buch hat, hat auch das letzte.

Streiflichter aus der Prophezeiung Jonas:

 „Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, aus dem Bauch des Fisches und sprach: Ich rief aus meiner Bedrängnis zu dem Herrn … Du hattest mich in die Tiefe, in das Herz der Meere geworfen …Da führtest du mein Leben aus der Grube herauf, Herr, mein Gott. Als meine Seele in mir verschmachtete, erinnerte ich mich an den Herrn … Ich aber werde dir opfern mit der Stimme des Lobes … Bei dem Herrn ist die Rettung“ (Jona 2,2–4.7.8.10).

Das Buch Jona zeigt am Anfang den eigenwilligen Weg des Propheten Jona, der ihn Schritt für Schritt abwärts führt. Dreimal lesen wir in Kapitel 1, dass Jona hinab geht: Nach Japho, dort in das Schiff und schließlich in den unteren Schiffsraum (1,3.5). Doch damit nicht genug. Jona wird ins Meer geworfen und von einem Fisch verschluckt, der mit ihm zu den „Gründen der Berge“ hinab fährt (2,7). Bei den ersten Etappen auf dem Weg nach unten handelt Jona selbst, aber zum Schluss wird mit ihm gehandelt: Er wird ins Wasser geworfen und kurzerhand von einem riesigen Fisch verschluckt.

Wer hat Jona überhaupt ins Meer geworfen? Klar, die Seeleute natürlich – so steht es ja in Kapitel 1,15. Und doch betet Jona zu Gott: „Du hattest mich in die Tiefe ... geworfen“ (2,4). Eine bemerkenswerte Sicht der Dinge! Jona ist nicht mit dem Unwetter, den Seeleuten und dem großen Fisch beschäftigt. Er spricht nicht vom grausamen Schicksal und vom blinden Zufall. Jona denkt daran, dass Gott über allem steht. Dieses Wissen gibt ihm Mut in seiner aussichtslosen Situation: Wenn Gott ihn in seiner Weisheit in die Tiefe geführt hat, dann kann Er ihn auch wieder herausführen. So sind die Worte seines Gebets im schaurigen Dunkel des Fischbauches von Zuversicht und Gotteslob geprägt.

Wir Christen dürfen wissen, dass uns alle Dinge zum Guten mitwirken (Röm 8,28). Die großen und die kleinen Ereignisse, die angenehmen und die unangenehmen, alles gehört zu Gottes Plan für unser Leben. Und Gott meint es gut mit uns. Wie ruhig und zuversichtlich könnten wir auch in schwierigen Situationen bleiben, wenn wir das mehr vor Augen hätten!

Zurück zu Jona: Gott benutzte ein sehr großes Tier, um seinen Knecht zu unterweisen, Er gebraucht aber auch ein sehr kleines: einen Wurm.

Aber am folgenden Tag bestellte Gott einen Wurm, beim Aufgang der Morgenröte; und dieser stach den Wunderbaum, so dass er verdorrte. Und es geschah, als die Sonne aufging, da bestellte Gott einen schwülen Ostwind; und die Sonne stach Jona aufs Haupt, dass er ermattet niedersank. Und er bat, dass seine Seele sterben dürfe … Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis zum Tod! (Jona 4,7–10).

Wieder eine ungemütliche Situation für Jona. Dieses Mal ist es nicht nass und dunkel. Ganz im Gegenteil. Die Sonne macht ihm schwer zu schaffen. Was tut Jona jetzt? Denkt er an Gott und an seine guten Absichten? Wir lesen nichts davon. Er betet wohl, aber damit drückt er nur seine Resignation aus. Jona möchte sterben; und solange er noch lebte, wollte er zornig sein! Wie ganz anders klangen seine Worte im Bauch des Fisches!

Kommt uns die Sprache Jonas unter dem verdorrten Wunderbaum unbekannt vor? Geraten wir nicht auch leicht aus der Fassung, wenn etwas schief geht? Es mag sein, dass wir es oft so wie der Prophet machen: In großen Schwierigkeiten realisieren wir, dass nichts zufällig geschieht und denken an Gott (wie Jona im Fisch); in kleineren Schwierigkeiten fehlt uns diese Blickrichtung – mit den entsprechenden Folgen, die sich hier bei Jona gezeigt haben.

Übrigens betont das ganze Buch Jona, dass Gott die Umstände in seiner Hand hat: Gott wirft einen heftigen Wind auf das Meer (1,4), lässt das Los auf Jona fallen (1,7), bestellt einen großen Fisch (2,1), befiehlt dem Fisch, Jona auszuspucken (2,11), bestellt einen Wunderbaum (4,6), einen Wurm (4,7) sowie einen schwülen Ostwind (4,8). Alles sah wie Zufall aus – doch Gott stand dahinter. Sollte es bei uns anders sein?