Die Bibel schildert uns die auffallend gegensätzliche Lebensgeschichte zweier Männer, die beide Saul hießen. Im Alten Testament haben wir Saul von Gibea, der der erste König über Israel wurde, und im Neuen Testament finden wir Saulus von Tarsus, den späteren Apostel Paulus. Beide waren hervorstechende Männer: der eine war wegen seiner Körpergröße eine imposante Erscheinung; der andere war körperlich schwach, aber kraftvoll und stark in seinem Geist.

Beide kamen in ihrem Leben an einen Punkt, wo sie aufs Äußerste erprobt wurden. Sie gelangten auf unterschiedliche Weise in diese Situationen und äußerlich unterschieden sie sich sehr, doch das zugrunde liegende Prinzip war in beiden Fällen exakt identisch. Der Gegensatz liegt darin, wie sie das Problem lösten, das dort auf sie zukam.

Saul von Gibea hatte einen glänzenden Start. Seine imposante Erscheinung verhalf dazu, aus einem vergleichsweise Unbekannten den ersten König Israels zu machen. Doch dann kam die Erprobung in Gestalt der Amalekiter. Gott hatte befohlen, sie vollständig auszurotten, doch Saul dachte anders. Würde er dem Willen Gottes gestatten, seinen eigenen Willen beiseitezusetzen? Er tat es nicht. Obwohl Gehorsam besser ist als Schlachtopfer, entschied er sich für den Ungehorsam. Daraufhin wurde ihm das Königtum genommen und dem David gegeben.

Dann kam noch eine andere Form der Erprobung. Er hatte nicht zugelassen, dass der Wille Gottes seinen eigenen Willen beiseitesetzte. Würde er es jetzt zulassen, dass er selbst durch David ersetzt würde? Nein, er sträubte sich mit aller Gewalt dagegen und brachte damit jene Jahre des selbstsüchtigen Elends über sich, die letztlich auf dem Gebirge Gilboa endeten (1. Sam 19,31).

Bei Saulus von Tarsus lagen die Dinge ganz anders. Zu Beginn seiner Laufbahn war er zwar zu einer gewissen Stellung unter seinen religiösen Zeitgenossen gelangt. Er schreibt darüber: „Ihr habt … gehört, dass ich …  in dem Judentum zunahm über viele Altersgenossen in meinem Geschlecht, indem ich übermäßig ein Eiferer für meine väterlichen Überlieferungen war“ (Gal 1,13.14). Doch das führte ihn nur zu einem wütenden Kreuzzug gegen die Nachfolger von Jesus von Nazareth, der ihm ein Dorn im Auge war.

Doch auf der Straße nach Damaskus änderte sich alles grundlegend und für immer. Jesus von Nazareth offenbarte sich ihm in der Herrlichkeit Gottes, und so wurde der einst verachtete Jesus der neue und alles bestimmende Gegenstand, der seitdem sein Leben beherrschte. Später sagte er vor Agrippa und Festus: „Ich war nicht ungehorsam dem himmlischen Gesicht“ (Apg 26,19). Er wurde gehorsam und war nicht ungehorsam wie Saul von Gibea. Darüber hinaus wurde er aus seiner Sicht durch Christus völlig beiseitegesetzt, der sich ihm so offenbart hatte. Er sagt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20).

Saul von Gibea war ungehorsam und kämpfte ganzes Leben dagegen, durch einen anderen ersetzt zu werden. Saulus von Tarsus war gehorsam und bereit, durch den Sohn Gottes beiseitegesetzt zu werden, dessen Liebe bis zum Tod sein Herz gefangen genommen hatte. Die Geschichte des einen ist zu unserer Warnung geschrieben, die des anderen, damit wir seinem Beispiel folgen, wie es auch der Geist durch ihn schreiben ließ: „zum Vorbild für die, die an ihn [Jesus Christus] glauben werden zum ewigen Leben“ (1. Tim 1,16).

Wir wollen uns diesem Thema alle in Ruhe und ehrlich stellen. Bin ich in der Fußspur Sauls von Gibea oder von Saulus von Tarsus, der zum Paulus – was „klein“ bedeutet – wurde, dem Apostel Jesu Christi? Bin ich ungehorsam und kämpfe dagegen, beiseitegesetzt zu werden, oder bin ich der Wahrheit des Evangeliums gehorsam und lasse mich willig beiseitesetzen, damit Christus Seinen rechtmäßigen Platz in Herz und Leben bekommt? Auf Christus fixiert zu sein und nicht auf mich selbst – das ist wahres Christentum.

Lasst uns nun noch beachten, wie auffallend der Gegensatz wird, wenn wir das Ende im Leben der zwei Männer erreichen. Fast am Ende seiner traurigen Laufbahn, als David sein Leben erneut verschont hatte, hören wir Saul sagen: „Ich habe gesündigt; … ich habe töricht gehandelt und gar sehr gefehlt!“ (1. Sam 26,21). Dann wenden wir uns zum letzten Brief, der aus der Feder von Paulus kam, kurz bevor er als Märtyrer starb, und hören ihn sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt“ (2. Tim 4,7). Saul von Gibea kämpfte um sein Königtum und seine Krone, als Gott ihn beiseitegesetzt hatte. Es war ein schlechter Kampf. Saulus von Tarsus, jetzt der Apostel Paulus, kämpfte für die Wahrheit des Evangeliums und die Herrlichkeit seines Herrn und Heilands. Es war ein guter Kampf.

Gibt es einen größeren und auffälligeren Gegensatz als „Ich habe töricht gehandelt“ und „Ich habe den Glauben bewahrt“? Das sind in der Tat prägnante Aussagen. Und wenn wir das Ende unserer irdischen Laufbahn erreichen, wird jeder von uns entweder den einen oder den anderen Satz über sein Leben sagen müssen.

Lasst uns ehrlich sein! Wie sieht es damit bei uns aus?