Die Gnade Gottes und die Verantwortung des Menschen sind wie zwei Gleiskörper einer Schiene. Wir dürfen sie nicht miteinander verbinden und auch nicht voneinander trennen. In beiden Fällen würde der Zug der Auslegung entgleisen. Wir müssen beide Punkte, die die Schrift klar lehrt, einfach auf ihrem Platz stehen lassen.

Petrus sagte, dass Christus nach dem bestimmten Ratschluss Gottes am Kreuz gestorben ist, aber auch, dass er durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geheftet und umgebracht wurde (Apg 2,23). War der Kreuzestod Jesu nun der Wille Gottes oder der Wille des Menschen? Ist das Kreuz ein Ausdruck der Gnade Gottes oder der Verdorbenheit des Menschen, der seiner Verantwortung nicht entsprach? Es ist beides wahr.

Paulus schrieb, dass er wusste, dass die Thessalonicher von Gott auserwählt waren (1. Thes 1,4). Aber Paulus sagt im ersten Kapitel des ersten Thessalonicherbriefes auch, dass sich die Thessalonicher bekehrt hatten (1. Thes 1,9). Wer war nun der Handelnde? Gott oder der Mensch? Es ist einfach beides wahr.

Und noch ein Beispiel, das vielleicht nicht so geläufig ist. Als Paulus in Seenot war, bekam er die göttliche Mitteilung, dass keiner von denen, die auf dem Schiff waren, sterben würde (Apg 27,22). Als das Schiff strandete und die Matrosen mit dem Beiboot zu fliehen suchten, sprach Paulus zu dem Hauptmann und zu den Soldaten: „Wenn diese nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden“ (Apg 27,31.32). Daraufhin hieben die Soldaten die Taue des Beibootes ab – und schließlich wurden alle gerettet (Apg 27,44). Einerseits die göttliche Gnadenverheißung und anderseits die Verantwortung des Menschen!

Dasselbe zeigt sich in der Geschichte Lots: Die beiden Engel sagen zu Lot: „Mach dich auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die vorhanden sind, damit du nicht weggerafft wirst in der Ungerechtigkeit der Stadt!“ (1. Mo 19,15). Das war seine Verantwortung. Aber später sagt Gott zu Lot: „Eile, rette dich dorthin; denn ich kann nichts tun, bis du dorthin gekommen bist“ (1. Mo 19,22).