Vermutlich sind viele mit mir einer Meinung, dass der Tempelbach in das Tote Meer mündet – und nicht in das Rote Meer –, und zwar aus folgenden Gründen:

  • In Hesekiel 47,1 steht, dass das Wasser unter der Schwelle des Tempels hervor nach Osten strömte (s. Hes 47,3.8). Der Prophet Sacharja redet über dasselbe, nämlich über lebendige Wasser, die aus Jerusalem zur Hälfte in das östliche Meer fließen (Sach 14,8). Dies ist ein bekannter Hinweis auf das Tote Meer. Das Tote Meer liegt im Osten von Jerusalem, das Rote Meer im Süden.
  • Wir lesen in Hesekiel 47,8, dass das Wasser dieses Meeres gesund wird und dass alles lebendig wird. Das ist anwendbar auf das Tote Meer. Im Roten Meer gibt es schon Fisch.
  • Der Hinweis auf das Salz (Hes 47,11) weist ebenfalls auf das Tote Meer hin, das ja auch Salzmeer genannt wird wegen seines enorm hohen Salzgehalts (zehnmal höher als in gewöhnlichem Meerwasser).
  • In Hesekiel 47,10 wird Engedi genannt. Diese Oase lag und liegt immer noch am westlichen Ufer des Toten Meeres. Der andere Ort, der genannt wird (En-Eglaim), kommt weiterhin in der Schrift nicht vor. Es ist nicht bekannt, wo sich dieser Ort befunden hat.
  • Der Prophet Joel hat prophezeit, dass die Quelle, die aus dem Haus des Herrn entspringt, das Tal Sittim bewässern wird (Joel 4,18). Sittim lag in Moab (4. Mo 25,1), nahe dem Ort, wo der Jordan in das Tote Meer einmündet. Es war der letzte Rastplatz der Israeliten, bevor sie durch den Jordan ins Land zogen (Jos 2,1; 3,1).
  • Hesekiel sagt, dass das Wasser in der Ebene fließt und dann in das Meer hineinfließt. Das Meer, in das der Jordan mündet, das Salzmeer, wird „das Meer der Ebene“ genannt (5. Mo 3,17; Jos 3,16; 12,3).

Zu Recht hat ein Schreiber darauf hingewiesen, dass dieser Tempelbach ein Bild von allen Segnungen ist, die während des 1000-jährigen Friedensreichs von Christus ausgehen. Nun scheint es mir so, dass die Schrift speziell betonen möchte, dass dieses Wasser alles dort lebendig werden lässt, wo der Tod herrscht. Dies kann nicht besser illustriert werden als mit dem Toten Meer und seiner Umgebung. Der Gegensatz tritt dann am besten zum Vorschein, wenn wir in diesem Zusammenhang an das Tote Meer denken.

Vielleicht darf ich noch auf eine Besonderheit dieses lebensspendenden Baches Gottes hinweisen: Er wird nämlich mit zunehmender Länge tiefer. Auch wenn uns das bekannt vorkommt, ist es doch ganz anders als in der Natur. Jeder Fluss ist an seiner Quelle nur ein kleines Rinnsal; er wird nur dadurch immer breiter und tiefer, weil immer wieder andere Ströme dahineinmünden. Das meiste Wasser kommt also gar nicht aus der ursprünglichen Quelle. Beim Tempelbach in Hesekiel ist jedoch absolut keine Rede von Nebenflüssen. Der Bach wird ausschließlich durch die Quelle am Altar im Haus Gottes gespeist. Christus ist die einzige Quelle des Segens. Und der Gnadenstrom der Segnung, der von Ihm ausgeht, wird immer tiefer und tiefer.

Das ist ganz in Übereinstimmung mit dem, was wir erfahren bzw. erfahren können. Wir können das auf uns selbst anwenden:

  • Am Altar, am Kreuz des Herrn Jesus, sahen wir diesen Strom zum ersten Mal. Dankbar bestätigten wir: Aus Gnade sind wir errettet, durch den Glauben, und das nicht aus uns, Gottes Gabe ist es (Eph 2,8).
  • Wir sollen aber nicht nur am Ufer des Baches stehen, sondern immer wieder hineingehen. In praktischer Hinsicht wachsen wir dann in der Gnade.
  • Nach 1000 Ellen merkt der Prophet, dass das Wasser bis an die Knöchel reichte. Gottes Gnade ist in unserem täglichen Wandel spürbar. Gnade bewahrt den Fuß vor Straucheln.
  • 1000 Ellen weiter stand Hesekiel bis zu den Knien im Wasser. Bei einigen Gläubigen kommt es schon einmal vor, dass sie „gelähmte Knie“ haben (Heb 12,12). Wir kommen dann nicht weiter. Dann müssen wir in den Bach steigen, um zu erfahren, dass Er gnädig Hilfe und Stärke gibt, wenn wir auf unseren Knien liegen.
  • Wieder 1000 Ellen weiter reicht das Wasser bis an die Hüften. Unsere Lenden (Eph 6,14) müssen umgürtet sein, um in geistlichem Kampf standhalten und siegen zu können. Dazu haben wir die Gnade des Herrn nötig. Es gibt sie und wir bekommen sie, wenn wir nur in den Strom steigen.
  • Schließlich konnte der Prophet den Bach nicht mehr durchgehen. Das verdeutlicht uns die Liebe von Christus, die die Erkenntnis übersteigt (Eph 3,19). Wir können ihre Tiefe nicht ergründen. Es gibt Gnade für jeden Umstand in unserem Leben. Wir müssen uns nur in den Strom werfen und werden dann wortwörtlich erleben, was es heißt, in der Gnade zu schwimmen. Wir empfangen nicht geizig, nicht häppchenweise, sondern aus seiner Fülle Gnade um Gnade (Joh 1,16).

Das sollte für uns keine theoretische Erkenntnis sein, sondern praktisch erlebt werden. Es ist sehr kostbar, im eigenen Leben zu erfahren, wie wahr die Verheißung des Herrn ist: Meine Gnade genügt Dir.

[Aus: „Bode des Heils in Christus“, Jahrgang 123 (1980), J. VAN DER BIJL]