“Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter.“ Johannes 4, 23 
 
Zweifellos sind wir als Anbeter dem Herzen Gottes näher, als wenn wir beim Danken für die empfangene Vergebung stehenbleiben – wohlverstanden: nicht der Stellung nach näher (denn die ist in Christus vollkommen), sondern in der praktischen Ausübung unserer Vorrechte. Der Anbeter preist Gott, wie Er sich in dem vollkommenen Opfer Christi offenbart hat, und nimmt teil am Wohlgefallen des Vaters an seinem geliebten Sohn.

Wenn auch das Brandopfer die erhabenste Seite des Opfers Christi darstellt, so sollten wir doch nie dem Sündopfer einen geringeren Platz geben, etwa weil es aus unserer Sicht das Elementare, Nächstliegende ist. Nicht umsonst lesen wir wiederholt: Hochheilig ist es.

Steht beim Gedächtnismahl des Herrn die Seite des Sündopfers vor den Herzen der Versammelten, dann ist es jedenfalls besser, dabei zu bleiben, als in gutgemeinter Absicht eine Vermengung herbeizuführen. Der Heilige Geist wirkt unterschiedlich – einmal als Nordwind, einmal als Südwind (vgl. Hohelied 4, 16). Anbetung in Geist und Wahrheit duldet kein menschliches Eingreifen, kein Schema. Wenn aber der Geist Gottes es ist, der uns von einer Sichtweise zur anderen weiterführt, dann ist es gut; dann gibt es auch kein Hin und Her.

In den Evangelien werden uns die verschiedene Opfer vorgestellt. In Johannes haben wir das Brandopfer vor uns. Hier finden wir weder die Not des Herrn in Gethsemane noch die Finsternis am Kreuz. Der Sohn Gottes hat Gott vollkommen verherrlicht und kehrt auf dem Weg über das Kreuz zum Vater zurück. Das Kreuz ist der Höhepunkt dieser Verherrlichung: Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse. Hier ist Er der Handelnde: Sein Kreuz tragend, ging er hinaus, und am Ende heißt es: Und er übergab den Geist.

Ganz anders ist das z.B. im Evangelium nach Matthäus und Markus. Da haben wir es mit dem Sünd- bzw. Schuldopfer zu tun und hören aus dem Mund des Herrn den Ausruf: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Deshalb finden wir hier auch – wie bei Lukas – die Leiden von Gethsemane. Und so heißt es: Sie führten ihn weg, um ihn zu kreuzigen und: Sie bringen ihn zu der Stätte Golgatha.

Beim Zusammenkommen zum Brotbrechen kann man deshalb nach den Worten von Psalm 22 oder nach einem Lied, das vom Tag der Schmach, der Schande und der Schmerzen redet, nicht gut den Kreuzigungsbericht aus dem Johannes-Evangelium lesen. Und nach einer Lesung aus 3. Mose 1 kann man wohl kaum singen: O Haupt voll Blut und Wunden.

Ganz gewiß darf es hier keine menschliche Liturgie geben. Aber wenn alle Versammelten sich fragen, was der Grundgedanke des zuletzt gehörten Wortes, des Liedes oder des Gebets eigentlich war, dann wird sich eins ans andere reihen und unter der Leitung des Geistes Gottes zu einem Zusammenhang formen, der wirklich den Stempel einer gemeinsamen Anbetung trägt.

[Aus Texten des Kalenders „Der Herr ist nahe!“]