Jakobus zuzuhören, ist eine fruchtbringende und gesunde Übung. Das ist das, wozu er uns auch auffordert: „Hört, meine geliebten Brüder!“ (Jakobus 2,5).  Das zu praktizieren, ist gleichzeitig auch ernüchternd. Denn dadurch entdecken wir, dass wir weit von den Maßstäben entfernt sind, die er setzt. Das wird schon ganz im Anfang deutlich.

„Meine Brüder”, sagt er, „haltet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Prüfungen fallt“. Die Prüfungen, über die er spricht, sind jene Dinge, die uns unter Beweis stellen. Sie können natürlich in der Form von Verlockungen auftauchen, die, so wie Vers 14 andeutet, aus unseren eigenen Begierden entspringen. Aber andererseits auch wiederum nicht. Gott versucht uns niemals. Aber Er erlaubt und schickt uns Prüfungen von außen, um die „Erprobung unseres Glaubens“ anzutreiben; das heißt, um unseren Glauben auf den Prüfstand zu stellen. Alles, was wertvoll ist, muss geprüft werden, und Gott legt nun mal großen Wert auf den Glauben.

Jedes Jahr durchlaufen Tausende von Anträgen das Londoner Patentamt, aber nur wenige von ihnen sind wirklich etwas wert. Wenn die Anträge von erfahrenen Menschen geprüft werden, schütteln diese meist nur den Kopf und lehnen die Idee als nicht umsetzbar ab. Wenn sie aber den Vorschlag machen, ein Modell anfertigen zu lassen, um das Ganze einmal zu testen, ist der Erfinder glücklich. Und er ist umso glücklicher, wenn sich das Modell durch die Prüfung als funktionsfähig und nützlich erweist. Das traurige ist jedoch, wenn eine Erfindung noch nicht einmal wert ist, um getestet zu werden. Nun, der Glaube ist besonders wertvoll, um einer Prüfung unterzogen zu werden, und wir dürfen in der Tat Gott preisen, wenn uns dieses wertvolle Gut zu Eigen ist und wir solch einer Prüfung mit Freude entgegentreten können.

Ist dies aber auch die Haltung, in der wir den Prüfungen der heutigen Zeit [geschrieben zur Zeit des Zweiten Weltkriegs] begegnen? Wir müssen diese Frage jeder für sich beantworten, und wenn wir die denn ehrlich beantworten, werden die meisten von uns keinen Anlass zur Eitelkeit finden. Unsere Prüfungen unterscheiden sich sicherlich voneinander und sind sehr vielfältig. Für viele wehen die Winde der Widrigkeiten aus allen vier Himmelsrichtungen gleichzeitig. Ihr Zuhause wurde zerstört; ihre Geschäfte wurden beschädigt; ihre Familien zerstreut; einige Familienmitglieder verletzt oder gar getötet; und ihre Freude an christlicher Gemeinschaft wurde größtenteils zerrüttet, da Zusammenkünfte aufgelöst wurden. Andere haben nicht bis zum selben Ausmaß gelitten. Dennoch begegnen sie auf unterschiedliche Weise Drangsal, und ihr altes, ruhiges Leben der wohl geordneten christlichen Vorrechte wird zerstört. Erachten wir solche Dinge denn für lauter Freude?

Solch einer schwierigen Situation muss man, so glauben wir, mit einer beachtlichen Stärke entgegengetreten. Doch unsere Stärke kann nur aus dem Bewusstsein entspringen, dass wir in Christus eine reiche Fülle haben. Wir sind dankbar, bezeugen zu können, dass wir keine Stimme des Murrens und der Unzufriedenheit gehört haben: Es gibt eine stille Fügsamkeit und Akzeptanz für das, was Gott erlaubt hat. Dies ist sicherlich gut, aber jedoch nicht das, wovon Jakobus spricht. So oft nehmen wir unser eigenes Schicksal einfach nur hin und reagieren darauf gefasst oder gar zuversichtlich. Und doch sind wir nicht von Freude gekennzeichnet.  

Was wird uns also unter solchen Umständen dazu befähigen, uns zu freuen? Nun, nur jene Dinge, über die jetzt Jakobus zu uns spricht. Wir sollen wissen, dass alle Umstände darauf hinarbeiten, unseren Glauben zu prüfen. Diese Prüfung wird unsere Ausdauer bewirken; eine Eigenschaft, die Gott sehr wertschätzt. Es liegt wohl einfach in der Natur von gewissen Dingen, dass sie einer langwierige Prüfung unterzogen werden müssen. Aus diesem Grund wird uns auch gesagt, dass wir in der Ausdauer die volle „Reifeprüfung“ ablegen sollen. Dieser Prozess ist keiner, der hastig vorangetrieben werden kann. Um das Ziel zu erreichen, lohnt sich der lange Weg allemal. das Ziel ist untadelig zu sein und in nichts Mangel zu haben (Vers 4). Wenn die Prüfungen erst einmal sorgfältig verarbeitet sind, werden wir zur Vollendung kommen: nämlich als Absolventen der göttlichen Schule.

„Oh weh“, rufen wir aus, „wie weit sind wir doch heute von solch einer Vollendung entfernt!“ Die Wahrheit zwingt uns geradezu so zu sprechen, und diese Mangelhaftigkeit wird von Jakobus in dem darauf folgenden Vers erörtert. Das Ziel ist es also, untadelig zu sein und an nichts zu mangeln; aber unmittelbar danach heißt es: „Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt ...“ Wie oft offenbaren Prüfungen unseren Mangel in dieser Hinsicht! Ein Kind heult auf, wenn die Dinge falsch laufen und es verletzt wird; größtenteils weil es ihm einfach an Einsicht fehlt. Es kann sich weder den Grund erklären, über das, was geschah, noch seinen Zweck verstehen. Doch ein erwachsener Mensch wird in einer ähnlichen Situation beginnen, Verständnis zu erlangen und aus den Widrigkeiten Nutzen ziehen wollen. Aber Weisheit ist mehr als das bloße Verständnis. Ein weiser Mensch ist jemand, der mit Einsicht die Dinge anwenden und einsetzen kann, die er versteht.

Wieder und wieder offenbaren uns die Prüfungen unseren Mangel an Weisheit. Wie wunderbar, dass wir dann Weisheit von Gott erbitten können, der sie uns großzügig und vorbehaltlos schenkt. Weisheit soll uns zuteil werden. Eine weise Einsicht für Gottes Handlungen und Wege kann unmöglich aus uns selbst kommen, wenn sie uns nicht von Gott gegeben wird. Daher wird Er auch nicht den Zeigefinger erheben, als ob wir denn keine Weisheit benötigen würden. Es ist unser Glaube, der geprüft wird. Demzufolge ist in unserer Bitte selbst, der Glaube ein sine qua non; also eine notwendige Voraussetzung.  Deshalb sagen wir kühn, dass wenn Gott uns schon Seine Weisheit reichlich schenkt, Er uns auch in gleicher Weise mit allem anderen versorgen wird, das wir benötigen, während die Prüfungen ihren Lauf nehmen.

Nicht nur Jakobus bezeugt, dass die Prüfungen nützlich sind. Paulus spricht sogar ausführlicher darüber in Römer 5. Kaum hat er die Rechtfertigung abgehandelt, die durch den Glauben unsere geworden ist, fährt er fort, uns über die vollkommenen Früchte der Drangsale zu unterrichten. Er erwähnt nicht nur die Geduld oder die Ausdauer, sondern auch die Bewährung, die Hoffnung und dass die Liebe Gottes; ausgegossen wurde in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde. So auch Petrus im letzten Kapitel seines Briefes: Er sagt, dass nachdem wir nun eine kurze Zeit leiden mussten, der Gott aller Gnade uns zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, und weist darauf hin, dass Gott unser Leid  dazu benutzen kann, um uns vollkommen zu machen, zu festigen, zu kräftigen und zu gründen. Vielleicht fühlen wir uns geneigt auszurufen, „All diese Schwierigkeiten und Widrigkeiten haben eine beängstigende Wirkung auf meinen Geist.“ Aber in unserer Hinwendung an den Gott aller Gnade, würden alle diese Dinge genau das Gegenteil bewirken, und wir werden dadurch zur Ruhe kommen.  

Es ist sicher erstrebenswert, dass wir vollkommen und vollendet sind und in nichts Mangel haben (Jakobus 1,4). Und diesem Ziel folgend, sollen wir auch fähig sein, uns zu freuen. Jakobus gibt sich jedoch mit einem begrenzten Maß an Freude nicht zufrieden. Er sagt: „Haltest es für LAUTER Freude!“ Gewiss wäre eine fünfzigprozentige Freude nicht unbedeutend, aber wir werden dazu ermahnt, uns hundertprozentig zu freuen. Ein vollkommener Maßstab! Aber den gibt uns die Bibel immer.

Jakobus’ hohen Maßstäbe sollten uns ermutigen, im Glauben alles von unserem Gott zu erbitten, der uns so freigiebig gibt. Und dann werden wir auf unserem mühsamen Weg nicht mutlos und niedergeschlagen gehen, sondern in der Stärke und Freude unseres Herzens. 

 [Übersetzt aus „Scripture Truth“ von Kyung-Hee Hong. Mit leichten Kürzungen/Veränderungen zum Original.]