Gideon war ein Mann des Glaubens. Er ließ sich von den Feinden nicht einschüchtern und schlug Weizen aus, er riss den Baal im Haus seines Vaters um, er kämpfte mit nur dreihundert Mann gegen die Feinde, er ließ sich durch den Neid nicht irritieren, er gab der Müdigkeit nicht nach, er ließ sich nicht durch mangelnde Unterstützung vom rechten Kurs abbringen – aber wenn es um Schmeichelei geht, dann sehen wir, dass er doch anfällig ist. So bekommt seine weiße Weste am Ende seiner Geschichte einen Fleck.

Als er die beiden Stadtkönige Sebach und Zalmunna zur Rede stellte, wen sie denn in Tabor erschlagen haben, da antworteten sie, dass es Männer waren wie er – wie Königssöhne. Gideon, der Landwirt, wird als Königssohn bezeichnet! Und wie reagiert er darauf? Er macht die Strafe davon abhängig, dass es seine Brüder sind, und er will sich die Hände nicht schmutzig machen: Sein Sohn soll die Könige erschlagen. Doch der getraut sich – als echter Sohn von Gideon – das nicht. Dann macht es Gideon selbst und tut etwas, was man bei keinem Richter sonst findet: Er nimmt den Schmuck der Kamele der feindlichen Könige ab und steckt sie sich wie eine Trophäe ein.

Dann kommen die Männer von Israel und wollen ihn, weil er das Volk aus der Hand der Midianiter gerettet hat, zum Herrscher machen – mit Thronnachfolge seiner Söhne (was es bei den Richtern sonst nicht gab). Gideon lehnt ab und verweist zu Recht auf die Herrschaft Gottes (die Königsherrschaft sollte erst später kommen, mit David). Aber er versäumt, etwas sehr Wichtiges klarzustellen: Nicht er hat gerettet, sondern es war der Sieg Gottes. Gideon wusste, dass Gott hier besonderen Wert darauf legt (vgl. Ri 7,2), und doch sagte er es nicht.

Und schließlich erbittet Gideon doch etwas von den Männern: Gold von ihrer Beute. Daraus macht er dann ein Ephod (ein Priesterkleidungsstück), das er ausgerechnet in seiner Heimatstadt Ophra platziert, womit der Sieg mit seiner Person verbunden wird. Er hätte statt des Ephods lieber auf seinem Altar in Ophra geopfert und wahren Priesterdienst in der Opferung ausgeübt! Dieses Ephod wird zu einer Art Talisman im Volk und führt zur geistlichen Hurerei des Volkes, die einen Wallfahrtsort gefunden haben, aber in ihrem Herzen nicht mit Gott verbunden sind und sich darum bald dem Baalskult hingeben.

Gideon mag auch durch Frauen geschmeichelt werden, jedenfalls mehrt er sich die Frauen sehr und wird sicherlich auch auf seine 70 Söhne mächtig stolz gewesen sein. Einem Sohn gibt er den bemerkenswerten Namen: Abimelech, das heißt: „Mein Vater ist König“. Das alles zeigt, dass wir am Ende des Lebens von Gideon doch eine gewisse Abwärtsentwicklung sehen. Er wurde nicht durch die Schwierigkeiten zu Fall gebracht, sondern durch die Annehmlichkeiten. Möge uns das zur Warnung sein!