In seinem Evangelium nennt der Apostel Johannes seinen Namen nicht. Wenn er von sich schreibt, bezeichnet er sich fünfmal als den Jünger, den Jesus liebte. Das bedeutet nicht, dass der Herr diesen Jünger mehr als die anderen liebte, aber Johannes war sich der Liebe Christi besonders bewusst und lebte darin.

Dagegen neigte sein Freund Petrus dazu, sich mit seiner Liebe zu Christus beschäftigten, was sich in selbstbewussten Worten und Treuegelöbnissen zeigte (vgl. Mt 19,27; 26,33–35; Lk 22,33). Wir können vereinfacht sagen: Johannes war der Jünger, den Jesus liebte, und Petrus war der Jünger, der Jesus liebte.

Wenn wir uns die fünf Stellen aus dem Johannesevangelium ansehen, in denen Johannes sich als den Jünger bezeichnet, den Jesus liebte, dann erkennen wir, was für ein Segen es ist, wenn wir mit Christi Liebe zu uns und nicht mit unserer Liebe zu Ihm beschäftigt sind.

In diesen fünf Bibelstellen finden wir den Apostel Johannes in verschiedenen Aktivitäten: liegend, stehend, laufend, erkennend und nachfolgend. Und bei jeder Gelegenheit dachte er an die Liebe des Herrn Jesus und genoss sie.

Liegen

„Einer aber von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tisch in dem Schoß Jesu. Diesem nun winkt Simon Petrus, damit er frage, wer es wohl sei, von dem er rede. Jener aber, sich an die Brust Jesu lehnend, spricht zu ihm: Herr, wer ist es? Jesus antwortet: Der ist es, dem ich den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde“ (Joh 13,24–26).

Im Obersaal sagte der Herr zu seinen Jüngern, dass einer von den Zwölfen Ihn überliefern würde. Petrus wollte wissen, wer der lieblose Verräter sei, wagte aber nicht, dem Herrn diese heikle Frage zu stellen. Er winkte deshalb Johannes zu, der im Schoß Jesu lag: Dieser fragte ohne Scheu den Meister und bekam eine klare Antwort, die Judas Iskariot bloßstellte.

Wir lernen: Wer Christi Liebe genießt, wird sich nahe bei Ihm aufhalten und viel zu Ihm im Gebet sprechen. So jemand wird durch das Wort Gottes belehrt und lernt die Dinge so zu sehen, wie Er sie sieht. Wer dagegen die eigene Liebe in den Fokus rückt, wird mehr auf Distanz zum Herrn bleiben und nicht so schnell Antworten auf wichtige Fragen finden.

Stehen

„Bei dem Kreuz Jesu standen aber seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleopas, und Maria Magdalene. Als nun Jesus die Mutter sah und den Jünger, den er liebte, dabeistehen, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann spricht er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm der Jünger sie zu sich“ (Joh 19,25–27).

Beim Kreuz des Herrn Jesus, wo seine Feinde sich zusammenrotteten, stand von den Zwölfen nur Johannes. Auch Petrus war nicht zugegen, der doch so mutig sein und den Herrn niemals verlassen wollte. In jener denkwürdigen Szene vertraute der gekreuzigte Heiland seine Mutter Maria dem geliebten Jünger Johannes am. Er sollte künftig für die Witwe sorgen.

Wir lernen: Wer sich an der Liebe des Herrn Jesus erfreut, bleibt auch in großer Gefahr für Christus stehen und kann von Ihm für herausragende Dienste der Liebe gebraucht werden. Wer dagegen auf die eigene Liebe baut, wird in der Erprobung straucheln und nicht in der Lage sein, anderen in Liebe zu dienen.

Laufen

„Sie läuft nun und kommt zu Simon Petrus und zu dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn aus der Gruft weggenommen, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Da ging Petrus hinaus und der andere Jünger, und sie gingen zu der Gruft. Die beiden aber liefen zusammen, und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam als Erster zu der Gruft“ (Joh 20,3.4).

Nachdem Johannes und Petrus von Maria Magdalene informiert wurde, dass das Grab Jesu leer sei, gingen die beiden los. Dabei lief Johannes schneller als der sonst so forsche Petrus und kam als Erster zur Gruft. Johannes war innerlich frei, während Petrus durch Schuldgefühle gehemmt wurde – allein der Anblick des Grabes Jesu musste schon sein Gewissen stechen.

Wir lernen: Wer die Liebe Christi genießt, bleibt vor der Sünde bewahrt, geht seinen Weg zuversichtlich und macht freudige Glaubensentdeckungen. Wer dagegen auf seine eigene Liebe gebaut und zu Schanden geworden ist, wird den Elan auf dem Weg des Glaubens auch dann verlieren, wenn an sich große natürliche Energie und Willenskraft vorhanden sind.

Erkennen

„Da sagt jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr. Simon Petrus nun, als er hörte, dass es der Herr sei, gürtete das Oberkleid um – denn er war nicht bekleidet – und warf sich in den See. Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot – denn sie waren nicht weit vom Land, sondern etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen nach“ (Joh 21,7.8).

Die Jünger warteten in Galiläa auf den auferstandenen Herrn. Doch Petrus wollte aktiv werden und ging mit einigen Jüngern fischen. In jener Nacht fingen sie nichts. Als ein unbekannter Mann am Ufer sie zu einem überwältigenden Fang führte, merkte und bezeugte Johannes als Erster, dass dieser geheimnisvolle Fremde am Ufer niemand anders war als der Herr.

Wir lernen: Wer sich der Liebe des Herrn Jesus bewusst ist, wird hinter den Fügungen des Alltags Ihn sehen und andere auf seine Gegenwart hinweisen können. Wer mehr an die eigene Liebe und Kraft denkt, wird rasch ergebnislose Aktivitäten anzetteln und nicht so schnell hinter den Gaben den guten Geber erkennen.

Nachfolgen

„Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem?“ (Joh 21,20.21).

Am See Tiberias sprach der Herr mit Petrus über dessen Liebe. Nachdem Petrus bekannt hatte, dass nur Allwissenheit seine kleine Liebe wahrnehmen kann, sprach Jesus davon, dass Petrus durch seinen Tod Gott verherrlichen würde. Dann forderte der Herr ihn auf, Ihm nachzufolgen. Da sah Petrus, dass Johannes das bereits tat und fragte, was aus seinem Freund werden sollte.

Wir lernen: Wer im Sonnenschein der Liebe Christi bleibt, wird von seiner Person mächtig angezogen. So jemand benötigt kaum Impulse von außen, dem Herrn nachzufolgen, weil Christi Liebe dafür Grund genug ist. Anders stellt sich die Sache dar, wenn die Liebe zu Christus das Denken füllt. Da wird bald die Aufforderung des Herrn nötig sein: „Folge mir nach!“

Zusammenfassung

Wer die Liebe Christi genießt, wird ...

  • ... im Schoß Jesu liegend die Gemeinschaft mit Ihm genießen.
  • ... in Schwierigkeiten stehen bleiben.
  • ... den Weg des Glaubens kraftvoll laufen.
  • ... den Herrn und sein Wirken erkennen.
  • ... dem Herrn wie von selbst nachfolgen.

Es ist gut, den Herrn Jesus zu lieben. Aber es ist nicht gut, mit unserer wechselhaften Liebe zu Ihm beschäftigt zu sein oder dieser Liebe gar zu vertrauen. Vielmehr wollen wir in seiner unveränderlichen Liebe bleiben (Joh 15,9). Dann werden unsere Herzen warm werden und wir werden Ihn wiederlieben.

[Aus der Zeitschrift „Im Glauben leben“, www.imglaubenleben.de]