Nachdem ihr Mann und ihre beiden Söhne gestorben waren und Noomi gehört hat, dass die Hungersnot in Bethlehem vorüber ist, macht sie sich mit ihren beiden Schwiegertöchtern auf den Weg in das verheißene Land. Doch nach einiger Zeit kommen Noomi Bedenken und sie möchte, dass ihre beiden Schwiegertöchter zurückkehren.

Diese Bedenken können zweifach gewesen sein: 1. Noomi würde in Bethlehem verachtet werden, wenn sie mit moabitischen Schwiegertöchtern auftauchen würde – denn die Verbindung zu den Moabitern war strikt untersagt und hatte im Volk Gottes schon viel Ungemach verursacht (4. Mo 25). 2. Noomi wusste auch, dass es für die beiden jungen Frauen schwierig werden würde, denn sie durften nicht in Israel aufgenommen werden – und welcher Jude würde sie heiraten?

Deswegen versucht Noomi, so schwer ihr das einerseits auch gefallen sein mag, Ruth und Orpa zur Rückkehr zu überreden. Damit setzt sie auf die emotionale Ebene und gebraucht vielsagende Begriffe, um die zwei Frauen zu beeinflussen:

  • Sie fordert sie auf, in das „Haus ihrer Mutter“ zurückzukehren (Ruth 1,8). Warum wollten sie mit der Schwiegermutter gehen, obwohl sie doch das Haus der Mutter noch hatten?
  • Sie zeigt, dass sie in Moab schnell das „Haus ihres Mannes“ (Ruth 1,9) finden würden. Warum sollten sie Witwen bleiben?
  • Sie spricht sie dreimal als „Töchter“ (V.11.12.13) an. Damit macht sie klar: Töchter sollten auf den Rat der Mutter hören.
  • Nachdem Orpa gegangen war, redet sie zweimal zu Ruth über die Entscheidung ihrer Schwägerin Orpa und legt nahe, es genauso zu machen wie diese vertraute Person.
  • Dann redet Noomi, wohin Orpa gegangen ist und erwähnt wieder Begriffe, die bedeutungsschwer sein können: „Siehe, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk [das ist Heimat!] und zu ihren Göttern [das ist Tradition!] zurückgekehrt.“

Sechs verschiedene Begriffe gebraucht Noomi, um Ruth den Gang nach Bethlehem zu verleiden: Mutter, Mann, Tochter, Schwägerin, Volk und (sogar) Götter. Alle diese Begriffe sprechen von einer Vertrautheit, von einer Identität und von Sicherheit. Der natürliche Mensch kann dadurch angezogen werden, aber der Glaube Ruths sieht weiter. Sie sagt: „Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, um hinter dir weg umzukehren; denn wohin du gehst will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden. So soll mir der HERR tun und so hinzufügen, nur der Tod soll scheiden zwischen mir und dir!“ (Ruth 1,16–17).

Wer heute zu dem Herrn Jesus kommen und ihm nachfolgen will, wer heute da sein möchte, wo Gott seinen Segen verordnet hat – inmitten seines Volkes –, der muss bereit sein, Brücken zu der gewohnten Umgebung abzubrechen und als Fremdkörper in dieser Welt zu gelten und zu leben. Der Herr hat gesagt:  „Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlassen hat um meinet- und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker unter Verfolgungen, und in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben“ (Markus 10,29.30).