Joseph – ein Leben ohne Bitterkeit

„Achtet darauf, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, dass nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosse und euch beunruhige und viele durch sie verunreinigt werden“ (Heb 12,15).

Leider sind manche Christen bitter geworden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Manche konnten Enttäuschungen nicht verkraften, andere wurden sehr ungerecht behandelt. Der Umgang mit ihnen ist nicht einfach, weil sie ihren Frust und ihre Aggressivität nur schwer unter Kontrolle halten können.

Nur wenn wir täglich aus der Fülle der Gnade Gottes schöpfen, bleiben wir vor Bitterkeit bewahrt oder können sie überwinden. Anschauungsunterricht für ein segensreiches Leben, in dem die Giftpflanze „Bitterkeit“ nicht aufsprossen konnte, liefert uns der Patriarch Joseph.

Joseph wird Sklave

Joseph bekam Träume von Gott geschenkt, die ihm eine ruhmreiche Zukunft zeigten. Seine Brüder hassten ihn deswegen und verkauften Joseph an eine midianitische Karawane, die ihn an einen hohen ägyptischen Hofbeamten weiterreichte (1. Mo 37). Diese schreckliche Ablehnung durch seine eigenen Brüder muss den siebzehnjährigen Joseph sehr verletzt haben. Doch was tat er? Er resignierte und rebellierte nicht, sondern arbeitete gewissenhaft als Sklave. Gott segnete seinen Dienst und Joseph erlangte im Haus Potiphars eine beachtliche Stellung (1. Mo 39,1–6).

  • Es ist gut, wenn wir auf harten Wegen nicht im Selbstmitleid versinken, sondern treu unsere Aufgabe erfüllen. Gott wird uns darin segnen und unsere Glaubenszuversicht stärken.

Joseph kommt ins Gefängnis  

Der gut aussehende Joseph wurde von der Frau Potiphars hartnäckig bedrängt. Aber der junge Mann widerstand der Versuchung, sich in die Lust des Fleisches zu stürzen, um seine frustrierenden Lebensumstände zu vergessen. Und als die verführerische Frau ihn ergriff, floh er mannhaft. Aufgrund einer infamen Opfer-Täter-Umkehr wurde er jedoch in einen Kerker geworfen, seine Füße kamen in einen Fußblock und sein Hals offenbar in Eisen (1. Mo 39,7–20; Ps 105,18).

  • Wir sollten den Druck der Lebensumstände nicht mit bösen Vergnügungen kompensieren Dann finden wir nur das, was bitterer ist als der Tod und was unsere Seele zugrunde richtet (Pred 7,26; Spr 6,32).

Sobald es Joseph möglich war, machte er sich wieder nützlich, und der Herr bekannte sich zu seinem unverdrossenen Knecht (1. Mo 39,21–23). Eines Tages wurden der Oberste der Mundschenken und der Oberste der Bäcker zu Joseph ins Gefängnis geworfen. Sie hatten rätselhafte Träume und waren deshalb bedrückt. Joseph sprach sie direkt auf ihre Niedergeschlagenheit an. Es wäre naheliegend gewesen, wenn Joseph sich wie ein Kreisel um sein eigenes Elend gedreht hätte. Aber er bewahrte sich einen Blick für das, was andere bewegte (1. Mo 40,1–8).

  • Gottes Gnade will es schenken, dass wir uns in belastenden Situationen um andere kümmern. Das wird nicht nur nützlich für unsere Mitgeschwister und Mitmenschen sein, sondern wird auch unsere Herzen vom eigenen Schmerz wegziehen.

Joseph verkündet Freiheit

Was tat Joseph, als die beiden prominenten Gefängnisinsassen ihre Träume berichteten? Obwohl er schon seit elf Jahren auf die Erfüllung seiner eigenen Träume wartete, zögerte er nicht, ihre Träume mit göttlicher Hilfe zu interpretieren und dem Mundschenken die Freiheit zu verkünden, die er selbst gerne gehabt hätte (1. Mo 40,9–13).

  • Sind wir bereit, anderen zu dienen und ihnen das zu gönnen, was wir für uns erhoffen? Können wir uns freuen mit den sich Freuenden? Das wird sich als wirksamer Schutz vor Bitterkeit erweisen.

Joseph erklärte dem Mundschenken, dass er zu Unrecht inhaftiert worden war, und bat ihn, seinen Wunsch nach Freiheit vor den Pharao zu bringen. Dabei vermied er es, die Personen namentlich zu erwähnen, die für seine missliche Lage verantwortlich waren (1. Mo 40,14.15).

  • Es ist gut, wenn wir nicht mit der Bosheit anderer beschäftigt sind. Das wird sich auch darin zeigen, dass wir sie so weit wie möglich schonen und nicht jede Gelegenheit nutzen, ihre krummen Taten vor anderen auszubreiten.

Joseph wird geehrt

Der egozentrische Mundschenk vergaß Joseph jedoch, der deshalb noch zwei volle Jahre im Gefängnis bleiben musste. Erst als der Pharao durch einen Traum sehr beunruhigt wurde, erinnerte sich der Mundschenk an Joseph – der kurz darauf vor dem mächtigsten Mann der Erde stand. Joseph war wieder sofort bereit, den Traum durch Gottes Geist zu deuten. Das, was Joseph sagte, überzeugte den Pharao und seine Berater. Damit war der Zeitpunkt gekommen, dass sich die Träume von Joseph zu erfüllen begannen: Er stieg zum zweitmächtigsten Mann in Ägypten auf (1. Mo 41,1–44).

Joseph heiratete Asnat, die Tochter Potipheras, die ihm zwei Söhne schenkte. Die Namen der Söhne lassen erahnen, wie Joseph mit Verletzungen und Enttäuschungen umgegangen ist. Der erste Sohn hieß Manasse: „Der vergessen macht“. Joseph war so dankbar für seinen Sohn, dass er darüber das erlebte Unrecht vergessen konnte. Der zweite Sohn bekam den Namen Ephraim: „Doppelte Fruchtbarkeit“. Gemessen an dem reichen Kindersegen seines Vaters, erschienen zwei Söhne nicht viel. Das war aber nicht die Ansicht Josephs: Er sah in seinen zwei Söhnen eine doppelte Fruchtbarkeit (1. Mo 41,50–52).

  • Wir wollen dankbar das aus der Hand Gottes annehmen, was Er uns schenkt. Das hilft zu vergessen, was Menschen uns angetan oder vorenthalten haben, und das bewahrt uns vor Bitterkeit.

Joseph erweist Liebe

Als die Söhne Jakobs in der Hungersnot zu Joseph kamen, behandelte er sie hart. Er steckte sie drei Tage ins Gefängnis. Sein Bruder Simeon musste sogar so lange gefangen bleiben, bis die Brüder mit Benjamin in das Land Ägypten zurückkehrten. Doch Josephs Härte war nicht durch Bitterkeit motiviert. Die schmerzhafte Prozedur war nötig, um die Brüder zur Buße zu führen, was die Grundlage für Wiederherstellung und Versöhnung ist.

Es wird in der Geschichte sehr deutlich, dass Joseph nicht aufgehört hatte, seine Brüder zu lieben. So konnte er kaum die Tränen zurückhalten, als er sie nach langer Zeit wiedersah. Und als die Brüder endlich eine zerbrochene Gesinnung gezeigt hatten, offenbarte er sich ihnen sofort, küsste sie und weinte lange an ihrem Hals (siehe 1. Mo 42–45).

  • Wenn Gläubige uns übel mitgespielt haben, wollen wir in unserem Herzen die Zuneigung aufrechterhalten. Wir werden uns dann bemühen, zielgerichtet auf Versöhnung hinzuarbeiten, selbst wenn sich dieser Prozess über Jahre erstrecken sollte.

Joseph sieht Gottes Führung

Es ist bemerkenswert, was Joseph zu seinen schuldigen, aber zerknirschten Brüdern sagte: „Und nun betrübt euch nicht, und zürnt nicht über euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt … Und Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch einen Überrest zu setzen auf der Erde und euch am Leben zu erhalten für eine große Errettung. Und nun, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott“ (1. Mo 45,5–8). Joseph war nicht auf die Ungerechtigkeit seiner Brüder fixiert, sondern erkannte die segnende Hand Gottes in seinem Leben und konnte darum die Gewissen der Brüder mit glaubensstarken Worten entlasten. Als seine Brüder gingen, um ihren Vater Jakob zu holen, gab Joseph ihnen noch eine liebevolle Ermahnung mit: „Erzürnt euch nicht auf dem Weg!“ (1. Mo 45,24).

  • Wenn unsere Wünsche wie Seifenblasen zerplatzen und Menschen uns gemein behandeln, wehren wir Bitterkeit ab, indem wir uns klarmachen, dass Gott auch die Widerwärtigkeiten in unserem Leben zum Guten benutzt.

Joseph versorgt seine Brüder

Als der Vater Jakob gestorben war, bekamen die Brüder Josephs es mit der Angst zu tun. Würde sich der mächtige Joseph doch noch rächen? Sie baten ihn darum, wie Jakob sie vor seinem Tod gewiesen hatte, ausdrücklich um Vergebung. Doch Joseph pflegte keine Rachegefühle. Der Gedanke, dass Gott alles gelenkt hatte, wirkte mächtig in seinem Herzen: „Fürchtet euch nicht; denn bin ich an Gottes statt? Ihr zwar hattet Böses gegen mich im Sinn; Gott aber hatte im Sinn, es gut zu machen, damit er täte, wie es an diesem Tag ist, um ein großes Volk am Leben zu erhalten. Und nun, fürchtet euch nicht; ich werde euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete zu ihrem Herzen“ (1. Mo 50,19–21).

  • Wenn uns klar ist, dass Gott das Böse der Menschen benutzt, um Segen in unserem Leben hervorzubringen, werden wir in unseren Herzen frei sein, denen Gutes zu tun, die uns Schlechtes erwiesen haben. So hat Bitterkeit keine Chance.

Zusammenfassung

Das Leben Josephs zeigt eindrücklich, wie wir mit Enttäuschungen, Anfeindungen und Belastungen umgehen und Bitterkeit vermeiden können:

  • Nicht in Selbstmitleid versinken, sondern den Weg der Pflicht gehen.
  • Sündige Vergnügungen meiden, die in der Bitterkeit der Selbstvorwürfe enden.
  • Sich um andere kümmern und nicht nur an das eigene Leid denken.
  • Nicht mit den Bosheiten anderer beschäftigt sein.
  • Sich selbstlos mit den sich Freuenden freuen.
  • Dankbar sein für alles, was Gott schenkt.
  • Die Liebe anderen gegenüber nicht erkalten lassen.
  • Auf Gottes Führung in unserem Leben vertrauen.
  • Denen Gutes tun, die uns Böses erwiesen haben.

[Aus Im Glauben leben]