Wenn es um Himmelsrichtungen geht, spielt hierzulande der Norden eine besondere Rolle. Norden ist oben. Bei den Israeliten sah das etwas anders aus. Bei ihnen war der Osten besonders wichtig. Der Osten war gewissermaßen die Himmelsrichtung, wohin man blickte.

Joel 2,20 macht das klar. Dort ist – ausgehend von Palästina als dem Standpunkt des Redenden – von dem „vorderen Meer“ und von dem „hinteren Meer“ die Rede. Das kann man nur verstehen, wenn man weiß, dass der Israelit nach Osten blickt. Und so ist es klar, dass das vordere Meer das Tote Meer und das hintere Meer das Mittelmeer sein muss.

Die Juden sehen nach Osten, weil sie von dort den Messias erwarten. Im Osten geht die Sonne auf. So wird auch das Kommen des Messias mit dem Sonnenaufgang verglichen. Für die Gerechten wird die „Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln“ (Mal 4,2). Das wusste auch Zacharias und erkannte daher als einer der wenigen in dem Herrn Jesus den Messias, den „Aufgang aus der Höhe“ (Lk 1,78). Für die Gottlosen wird dieser Sonnenaufgang Gericht bedeuten (Jes 41,2.25). Der Herr Jesus selbst vergleicht dieses Kommen zum Gericht mit einem Blitz aus Richtung Osten (Mt 24,27).

Dass der Jude nach Osten blickte und von dort den Messias erwartete, wird auch darin deutlich, dass der Eingang zum Zelt der Zusammenkunft auf der Ostseite war (2. Mo 27,13–16). Vor diesem Eingang lagerten Aaron und seine Söhne (4. Mo 3,38) und dort war auch das Panier des Stammes Juda (4. Mo 2,3). Aaron war der gesalbte Priester und aus Juda kam der König. So wird auch der Messias, wenn Er kommt, als Priesterkönig regieren (vgl. Melchisedek). Auch der salomonische Tempel hatten im Osten seinen Eingang (Hes 8,16). Auch der in Hesekiel beschriebene noch zukünftige Tempel wird wieder seinen Eingang auf der Ostseite haben (Hes 43,1). Und von dort wird die Herrlichkeit des Gottes Israels einmal einziehen (Hes 43,2).[1]

Auch wenn wir den Herrn Jesus nicht in diesem Sinne als aufgehende Sonne erwarten, dürfen wir doch auch gleichsam nach „Osten“ blicken, wo auch der „glänzende Morgenstern“ zu sehen ist, und zwar bereits vor Sonnenaufgang. Wir werden schon vor Tagesanbruch mit dem Herrn Jesus vereint sein und an seiner Seite das Herbeiführen dieses Tages erleben.


Fußnoten:

  1. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in der Stiftshütte und im Tempel der Israelit (gewöhnlich) nach Westen blickte. Das mag man so erklären, dass sich in der Anbetung der Israelit von der Sonne – die vielfach von den Heiden verehrt wurde – wegwenden sollte. Er wandte sich vom Geschaffenen ab, hin zu dem Schöpfer. Was für ein Frevel war es dann, was Hesekiel sehen musste: „Und er brachte mich in den inneren Vorhof des Hauses des HERRN; und siehe, am Eingang des Tempels HERRN, zwischen der Halle und dem Altar, waren fünfundzwanzig Männer, ihre Rücken gegen den Tempel des HERRN und ihre Angesichter gegen Osten gerichtet; und sie bückten sich gegen Osten hin vor der Sonne“ (Hes 8,16).