Was können wir von dem grübelnden Propheten Habakuk lernen? Was bedeuten die „mysteriösen“ Visionen Sacharjas? Hat ein Mann wie Obadja eine Botschaft für uns, wenn er Gericht über Edom ankündigt? – Die so genannten kleinen Propheten bieten eine große, interessante, aber auch schwierige Themenvielfalt. Deshalb wollen wir in den nächsten Monaten eine kleine Hilfe zu ihrem Studium geben.

I. Wer sind die kleinen Propheten?

Als kleine Propheten bezeichnet man seit dem vierten Jahrhundert zwölf prophetische Bücher des Alten Testaments, die, verglichen mit den vier großen Propheten (Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Daniel) einen geringeren Umfang haben: Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja, Haggai, Sacharja und Maleachi. Der Ausdruck „klein“ bezieht sich also nicht auf die Bedeutung ihrer Botschaft, sondern auf deren geringeren Umfang. Mit diesem Leitfaden möchten wir den Zugang zu ihnen erleichtern. In dem vorliegenden Heft beginnen wir außerdem mit einem „Streifzug“ durch die kleinen Propheten, um Appetit auf mehr zu machen. Danach möchten wir zwei dieser Propheten „unter die Lupe nehmen“, das heißt im Bibelstudienteil ausführlich betrachten.

II. Die kleinen Propheten und ihre Geschichte

Nachdem die zwölf Stämme des Volkes Israel von Gott aus Ägypten befreit und nach Kanaan gebracht worden waren, kehrten sie Ihm rasch den Rücken zu und gehorchten seinen Geboten nicht. Darum sandte Gott ihnen Propheten, um sie zur Umkehr zu bewegen. Der erste Prophet trat in der Richterzeit auf (Ri 6,7 ff.). Weitere folgten.

Die kleinen Propheten wirkten einige Jahre nach der Teilung des Reiches in Juda (das Südreich, die zwei Stämme Juda und Benjamin) und Israel (das Nordreich, die übrigen zehn Stämme). Hosea, Amos und Jona[1] wurden zu Israel gesandt, während Joel und Micha zu Juda sprachen. Da Israel die Bußbotschaften nicht beherzigte, vollzog Gott schließlich das angekündigte Gericht: Das Volk wurde nach Assyrien verschleppt (2. Kön 17). Juda – das im Gegensatz zu Israel eine Reihe von gottesfürchtigen Königen hatte – hörte u.a. von Nahum, Habakuk, Zephanja und Obadja weitere Botschaften Gottes; jedoch vergeblich. Auch Juda wurde deportiert, und zwar nach Babylon (2. Kön 24). Später gewährte Gott diesen beiden Stämmen die Rückkehr in ihr Land (Esra 1). Doch auch unter diesen „Heimkehrern“ war prophetischer Dienst nötig: Haggai, Sacharja und Maleachi wurden von Gott benutzt, um sie zur Treue aufzurufen. Das konnte aber den Verfall unter den Juden nicht aufhalten, der etwa vierhundert Jahre später in der Ermordung des Sohnes Gottes gipfelte.

Eine grobe Gliederung nach Zeitraum und hauptsächlichem Wirkungskreis:

Israel

Juda

Nach der Teilung des Reiches bis zur Wegführung Israels (siehe 1. Kön; 2. Kön 1 – 16)

Hosea, Amos, (Jona)

Joel, Micha, (Obadja)

Bis zur Wegführung Judas

(siehe 2. Kön 17 – 24)

./.

(Nahum) Habakuk, Zephanja

Nach der Rückkehr Judas

(siehe Esra, Nehemia, Esther)

./.

Haggai, Sacharja, Maleachi

III. Was haben uns die kleinen Propheten zu sagen?

Man mag sich die Frage stellen, warum wir uns heute mit diesen alttestamentlichen Propheten beschäftigen sollten. Die Antwort lautet: Biblische Prophetie ist wichtig und wertvoll. Eine allgemein gefasste und handliche Definition für Prophezeiung (oder Weissagung) lautet: Verborgenes aufdecken. Ein Prophet enthüllt Geschehnisse oder Gesinnungen und rückt sie in Gottes Licht. Häufig legt er den moralischen Zustand derer offen, zu denen oder über die er spricht. Das sehen wir an vielen Stellen sowohl im Alten (z.B. Klgl 2,14; Mich 3,8) als auch im Neuen Testament (z.B. Joh 4,16–19; 1. Kor 14,24.25). Wenn ich heute die kleinen Propheten unter Gebet lese, wird ihre Weissagung mein Gewissen erreichen und meine Gesinnung verändern. Ich werde mich von den Worten der Propheten – wie einer aus dem Volk Gottes damals – angesprochen fühlen und mich prüfen, was Gott mir dadurch heute sagen möchte. Ich kann mich darüber hinaus in die Position des Propheten versetzen und lernen, wie ein Diener Gottes demütig, konsequent, betend und mit Hingabe seine Aufgabe erfüllt.

In dem Streifzug durch die kleinen Propheten wollen wir das Schwergewicht auf diese praktische Seite legen. Es gibt natürlich auch noch eine andere: Propheten enthüllen die Zukunft. Gottes Plan für die Zukunft zu kennen, ist für uns Christen von großer Bedeutung und hat auch einen prägenden Einfluss auf unser gegenwärtiges Verhalten[2].

IV. Zeitstrahl zur Prophetie

Um die zukunftsbezogenen Weissagungen besser einordnen zu können, folgt ein „Zeitstrahl“ zur Prophetie. Er ist als Orientierungshilfe gedacht und soll den Leser anreizen, selbst weiter zu forschen.

Eine Anmerkung noch zu dem Ablauf der prophetischen Ereignisse und zu der im Zeitstrahl erwähnten „letzten Jahrwoche Daniels“: Nach der Entrückung der Gläubigen (1. Thes 4,15 ff.) wendet sich Gott wieder seinem irdischen Volk, Israel, zu und greift sichtbar in das Geschehen auf der Erde ein. Bevor der Segen des Friedensreichs kommen kann, müssen aber sieben Jahre der Zucht und des Gerichts vergehen – die letzte der von Daniel über Israel prophezeiten 70 „Jahrwochen“[3] muss sich erfüllen (siehe Dan 9,24–27). Zur Hälfte dieser sieben Jahre hört der jüdische Gottesdienst auf (Dan 9,27), und viele Umwälzungen ereignen sich. Außerdem bringt Gott Gerichte von nicht gekanntem Ausmaß über die Erde (besonders über die abtrünnigen Christen und Juden). Es ist die Zeit der „großen Drangsal“ (Off 7,14), die mit der Erscheinung des Herrn Jesus zur Aufrichtung des Reiches ihren Höhepunkt und Abschluss findet. Nur aus dem Neuen Testament erfahren wir, dass dieses Reich 1000 Jahre dauern wird, dass nach den 1000 Jahren Himmel und Erde vergehen und ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehen werden (2. Pet 3,10 ff.; Off 20,4 ff.).

Prophetischer Zeitpunkt/Epoche

Weissagung der kleinen Propheten

Beginn der letzten Jahrwoche Daniels (Dan 9,27). Der Anfang der Wehen (Mt 24,8).

Einige Juden (der „Überrest“) erkennen, dass der Herr Jesus der Messias ist und kehren zu Ihm um. Gott benutzt dazu Drangsale, die bis zur Aufrichtung des Reiches andauern und intensiver werden (z.B. Hos 2,14.15; 3,5; Sach 13,9; Mal 3,17).

Die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels. Die große Drangsal (Mt 24,21).

Das gezielte Gericht Gottes trifft die abtrünnigen Juden, die Gott und Jesus Christus ablehnen, schwer: Das gesellschaftliche und politische Fundament zerbricht; die Nachbarvölker unter Anführung Assyriens nehmen Palästina ein. Der treue Überrest wird von dem Antichristen heftig verfolgt. Gott läutert den Überrest in den Drangsalen (z.B. Hab 2,4; 3,16; Zeph 1,14 ff.; Nah 1,7; Mich 3,12; 7,7 ff.; Sach 13,8.9).

Erscheinung des Herrn Jesus.

Beginn des Tausendjährigen Reiches (Off 19,11 – 20,6).

Der Herr Jesus kommt auf die Erde zurück. Er richtet in mehreren Etappen die Nationen und die gottlosen Juden. Er erlöst aber den Überrest Judas, der auf den Messias wartete, und benutzt ihn, um gegen die Feinde zu kämpfen (z.B. Sach 12,1–9; 14,3.4; Mal 4,1–3; Joel 3,1 ff.; Obad 15.18 ff.; Mich 4,11–13; 5,4 ff.; Zeph 3,8 ff.).

Gläubige Israeliten (zehn Stämme) kehren nach Palästina zurück. Das Volk Gottes ist wiedervereinigt (z.B. Hos 11,10.11; Amos 9,14.15; Mich 2,12.13; Sach 10,6 ff.).

Der Herr Jesus herrscht von Jerusalem aus in Gerechtigkeit und Frieden über sein Volk und über die ganze Erde (z.B. Zeph 3,5; Sach 6,13; 8,3; 14,9 ff.).

Israel steht im Mittelpunkt des Reiches und ist besonders gesegnet. Auch die Nationen werden Gott anerkennen und durch Israel an dem Segen des Reiches teilhaben (z.B. Hos 2,19 ff.; Joel 3,18; Amos 9,13 ff.; Mich 4,1 ff.; Hab 2,14; Sach 8,20 ff.; 14,16 ff.; Mal 1,11).

V. Kurzer Themenabriss der kleinen Propheten

Auch wenn die Propheten von Hosea bis Maleachi häufig unter dem Begriff „kleine Propheten“ zusammengefasst werden, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bandbreite der Themen groß ist. Keine Botschaft gleicht der anderen. Der eine prangert mehr die sozialen Missstände an, der andere stärker den Götzendienst. Hier kommt besonders das Zehn-Stämme-Reich Israel ins Blickfeld, dort das Zwei-Stämme-Reich Juda, und ein dritter schreibt über die Feinde des Volkes Gottes. Oder ein Prophet schärft seinen Landsleuten die Notwendigkeit der Buße ein, während ein anderer das Schwergewicht seiner Botschaft auf die Segensverheißungen Gottes legt. Dabei ist sowohl die Art der Übermittlung der Botschaft (Ansprachen, Zwiegespräche mit Gott, Visionen …) als auch die Persönlichkeit und damit auch der Stil der Propheten verschieden. Gott spannt den Bogen von einem aufgewühlten Hosea über einen milden Joel bis zu einem herzerforschend fragenden Maleachi, um sein Volk in ihrer jeweiligen Situation und ihrem Zustand entsprechend zu erreichen. Hier eine kurze Inhaltsübersicht:

Hosea

Eine Bußbotschaft vor allem an Israel, für die Gott Hoseas persönliche Lebensumstände einbezieht: Er muss eine Hure heiraten, und seine Kinder bekommen prophetische Namen. Weil Israel untreu ist, wird es die unmittelbare Segensbeziehung mit Gott verlieren. Die Buße eröffnet den Weg zurück zu Gott, der treu ist und bleibt.

Joel

Eine Bußbotschaft an Juda. Eine katastrophale Dürre nimmt Gott zum Anlass, Juda auf kommendes Gericht hinzuweisen und zur Umkehr aufzurufen. Der Tag des Herrn (das Gericht mit der sich anschließenden Regierung Christi im Friedensreich) ist nahe. Wenn Juda Buße tut, wird der Heilige Geist auf alles Fleisch ausgegossen werden.

Amos

Kurze biographische Elemente, Visionen und eine Gerichtsankündigung an eine ganze Reihe von Nationen – einschließlich Juda und Israel. Wegen Ungerechtigkeit, Gleichgültigkeit und formalistischen Gottesdienstes wird das Volk von Gott gerichtet, aber ein gläubiger Überrest wird gesegnet werden.

Obadja

Ankündigung des schonungslosen Gerichts über Edom wegen seines Hochmuts und Hasses auf Israel. Gott wird Israel rächen und sein Reich in Zion aufrichten.

Jona

Im Wesentlichen keine Weissagung, sondern Auszug der Biographie eines Propheten, die prophetisch gedeutet werden kann. Jona wurde nach Ninive gesandt, um zur Buße aufzurufen. Er erreicht die Stadt erst auf Umwegen des Ungehorsams. Auf seine Botschaft hin kehrt Ninive um.

Micha

Gericht und Gnade. Gericht über Israel aufgrund seiner Ungerechtigkeit. Gnade, weil der Messias aus Bethlehem kommen und sein Reich aufrichten wird. Gnade ist es auch, dass Gott sein Volk in dem unterweist, „was gut ist“.

Nahum

Gerichtsbotschaft gegen die Stadt Ninive, die für das ganze assyrische Königreich steht. Über 100 Jahre nach Jona ist Gottes Geduld mit Ninive am Ende, weil ihre Buße nicht von Dauer war. Wenn Gott Assyrien richten wird, wird Er die Herrlichkeit Israels wiederherstellen.

Habakuk

Keine direkte Botschaft an das Volk, auch keine Biographie, sondern das vertraute Gespräch eines Propheten mit seinem Gott. Während Jona aus den Wegen Gottes mit dem Menschen lernt, lernt Habakuk aus dem Reden Gottes und entwickelt sich vom fragenden zum glaubenden und jubelnden Propheten.

Zephanja

Der Tag des Herrn steht nahe bevor, er wird Gericht bringen für die Nationen, aber auch für Israel und Juda. Das Hauptaugenmerk richtet der Prophet auf Jerusalem: Sein damaliger, gerichtswürdiger Zustand steht im Gegensatz zu dem zukünftigen Segen, den der gläubige Überrest dort empfangen wird.

Haggai

Ermahnung an die aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Juden, den vernachlässigten Tempelbau wieder in Angriff zu nehmen. Nachdem sie das getan haben, ermutigt Haggai sie durch den Hinweis auf die Hilfe Gottes und den Ausblick auf eine herrliche Zukunft.

Sacharja

Visionen und Botschaften über die Stadt Jerusalem, das Volk Gottes sowie die Nationen, die mit Jerusalem in Verbindung stehen. Sacharja sagt die Verwerfung des Messias durch die Juden voraus, aber auch seine Erscheinung zur Aufrichtung des Reiches.

Maleachi

Die letzte Prophezeiung im Alten Testament richtet sich ebenfalls an die jüdischen Rückkehrer aus der Gefangenschaft, die inzwischen in einen traurigen geistlichen Zustand gefallen sind. In einem Zwiegespräch zwischen Gott und dem Volk wird alles, was Gott ihnen in Liebe vorstellt, hartnäckig und selbstgefällig in Frage gestellt. Doch auch in dieser bösen Zeit gibt es solche, die Gott fürchten.

VI. Handwerkszeug zum Studium der kleinen Propheten

Um die Botschaft der kleinen Propheten gut verstehen zu können, ist es hilfreich, einige „Faustregeln“ zu beachten. Vieles davon gilt natürlich nicht nur ausschließlich für das Studium der kleinen Propheten, sondern ebenso für andere Bibelbücher.

  • Historischen Hintergrund berücksichtigen: Die Propheten redeten oft direkt in die damalige Situation hinein. Um mit dieser vertraut zu werden, ist das Lesen der entsprechenden Abschnitte in den geschichtlichen Büchern (Bücher der Könige und Chronika; Esra, Nehemia) sehr empfehlenswert. Allerdings ist nicht bei allen kleinen Propheten der historische Hintergrund bekannt.
  • Auslegung vor Anwendung: Ehe wir uns die Frage stellen: „Was hat das mir zu sagen?“, sollten wir wissen, wie dieser Vers im Zusammenhang des Textes auszulegen ist. Sonst besteht die Gefahr, mit der geistlichen Anwendung der Botschaft schief zu liegen.
  • Segen und Fluch: In den kleinen Propheten finden wir wiederholt, dass Gott das ganze Volk wegen ihrer Sünden mit Hungersnöten und Naturkatastrophen heimsucht. Das war deshalb so, weil das Prinzip galt: irdische Segnung bei Treue und Segensentzug bei Untreue (s. 3. Mo 26; 5. Mo 28). Das Volk Israel hatte sich dem Gesetz unterworfen und musste nun nach diesen Regeln leben. Andererseits ließ Gott immer Raum zur Buße und hielt Segen bereit. Andere Völker, die ebenfalls Gegenstand der Weissagung der kleinen Propheten sind, standen nicht unter Gesetz; ihre Beurteilung durch Gott richtet sich danach, wie sie sich gegenüber seinem Volk und Ihm selbst verhalten.
  • Doppelte Reichweite der Prophetie: Oft kündigten die kleinen Propheten Gericht (wenn keine Buße getan wird) und/oder Segen (wenn Buße getan wird) an. Nicht selten haben solche Vorhersagen eine „doppelte Reichweite“. Wenn z.B. Joel vorhersagt, dass ein Feind aus dem Norden in Juda einfallen würde (Joel 2,1 ff.), dann hat sich das zunächst bei der Invasion Assyriens zur Zeit Jesajas (2. Kön 18) erfüllt. Doch gleichzeitig weist diese Prophezeiung auf die Endzeit hin, in der Assyrien Juda verheeren wird (vgl. Dan 11,40 ff.; „König des Nordens“ = Assyrer). Die mehrfache Erwähnung des Tages des Herrn in Joel 2 macht klar, dass seine Weissagung diese weiter reichende Dimension hat. Ein anderes Beispiel: Wenn Micha in Kapitel 4,10 von der Errettung aus Babel schrieb, so fand das seine Vorerfüllung in der Rückkehr der zwei Stämme in das verheißene Land (Esra 1), aber auch hier macht der Zusammenhang klar, dass der Prophet „weiterdachte“, nämlich an das Tausendjährige Friedensreich. Wir denken hier auch an die Zitate der Propheten im Neuen Testament, die manchmal auf eine Teilerfüllung der Weissagung hinweisen  (vgl. z.B. die Anführung von Joel 2,28–32 in Apg 2,17–21).
  • Christus als Zentrum der Prophetie: „Von Mose und von allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn selbst betraf“ (Lk 24,27; Hervorhebung hinzugefügt). Nicht in jedem Satz, aber in jedem prophetischen Buch ist Christus zu finden (vgl. Off 19,10). Auch in Obadja, dem „Kleinsten“ der kleinen Propheten, der sich fast nur mit dem Gericht über einen Feind des Volkes Gottes beschäftigt. Dafür hat der Heilige Geist gesorgt, der die Propheten antrieb (vgl. 1. Pet 1,11). Wird nicht auch unser Herz brennen (vgl. Lk 24,32), wenn wir den Herrn Jesus in den kleinen Propheten suchen und entdecken?
  • Versammlung kein Thema der Prophetie: Die Versammlung sollten wir aber in den kleinen Propheten nicht suchen – weil wir sie dort nicht finden können. Die Versammlung war zur Zeit des Alten Testamentes weder existent noch bekannt (vgl. Eph 3,5.6). Das erste Mal lesen wir von der Versammlung in Matthäus 16,18. Dort spricht der Herr Jesus von dem Bau dieser Versammlung als etwas Zukünftigem. Der Bau selbst begann zu Pfingsten (Apg 2).
  • Israel als Gegenstand der Prophetie: Immer wieder reden die Propheten von Israel und ihrer herrlichen Zukunft. Diese Weissagungen sind buchstäblich zu nehmen und können nicht einfach auf die Versammlung übertragen werden. Auch wenn wir selbst nicht zu dem irdischen Volk Gottes gehören, sollten wir dennoch für diesen Teil der Prophetie Interesse aufbringen. Gott möchte, dass wir Christen darüber Bescheid wissen – sonst hätte Paulus den Christen in Rom das Thema der Zukunft Israels nicht so ausführlich dargelegt (siehe Röm 11).  
  • Jede Prophezeiung ist Stück eines Ganzen: Das lesen wir in 2. Petrus 1,19.20: „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester ... indem ihr zuerst dieses wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist.“ Wir sollten also nicht einen einzelnen prophetischen Ausspruch über die Zukunft als eine abgeschlossene Mitteilung behandeln, die losgelöst von der Fülle der prophetischen Belehrung gedeutet werden könnte. Die Weissagungen sind wechselseitig aufeinander bezogen und können nur im Zusammenhang des Ganzen richtig verstanden werden. So wird der prophetische Faden der (kleinen) Propheten im Neuen Testament insbesondere in der Offenbarung wieder aufgenommen. Manche Quervergleiche helfen, die dort jeweils genannten Weissagungen richtig einordnen zu können.
  • Tag des Herrn: Fast alle kleinen Propheten erwähnen in ihren Prophezeiungen diesen Tag (oft auch „jener Tag“ etc. genannt). Er markiert keinen Zeitraum von 24 Stunden, sondern weist auf eine Zeit hin, in der Gott seine Herrschaft über die Erde durch Gericht aufrichten und im Reich ausüben wird. Der Tag des Herrn ist dadurch gekennzeichnet, dass Gottes Ordnung (zumindest äußerlich) anerkannt wird. Heute ist hingegen noch der „Tag des Menschen“, und vieles steht in eklatantem Widerspruch zum göttlichen Willen.
  • Überrest: Ein wichtiges Schlagwort beim Studium der (kleinen) Propheten! Es gibt mehrere Überreste – welcher „übrig gebliebene Rest“ gemeint ist, erschließt sich aus dem Zusammenhang. Generell sind solche gemeint, die in einer Zeit allgemeinen Abweichens von dem Wort Gottes Ihm treu bleiben möchten. Häufig benutzen wir den Ausdruck für die gläubigen Juden in der Drangsalszeit, die von dem Antichristen und der Masse des Volkes abgelehnt und verfolgt werden.
  • Weiterlesen! Auch wenn manche Stelle schwer zu verstehen ist, die Nutzanwendung auf unser Leben beinahe unmöglich erscheint und eine ernste Gerichtsandrohung die andere ablöst – es gilt: Trotzdem weiterlesen! Nur dann werden wir in der Lage sein, die Botschaft der kleinen Propheten bei Gelegenheit auch berücksichtigen zu können. So wie Petrus bei seiner Ansprache aus Joel zitierte (Apg 2,17 ff.), Stephanus aus Amos (Apg 7,42.43) und Paulus aus Habakuk (Apg 13,41).

VII. Empfehlungen von Studienhilfen

John Gifford Bellett: Die kleinen Propheten. 87 Seiten, Paperback, € 4,40. Erschienen beim Ernst-Paulus-Verlag, Neustadt. Hilfe und Anregungen zum Studium der zwölf kleinen Propheten.

Manfred Müller: Die Stimme der Propheten. 88 Seiten, Paperback, € 3,50. Erschienen beim CSV, Hückeswagen. Drei bearbeitete Vorträge: Überblick über die kleinen Propheten, Haggai, Habakuk. Viele ansprechende, praktische Hinweise für das Glaubensleben.

Arend Remmers: Das Alte Testament im Überblick. 220 Seiten, Hardcover, € 7,50. Erschienen beim CSV, Hückeswagen. Dieses Buch enthält zu allen Büchern des Alten Testaments eine knappe Einleitung mit den wesentlichen Informationen über den Verfasser, die Entstehungszeit und den Zweck des Buches sowie eine gegliederte Inhaltsangabe.

Die Bücher sind beim Herausgeber von „Folge mir nach“ erhältlich.

Thorsten Attendorn und Gerrid Setzer


[1] Im Buch Jona finden wir nur seine Botschaft an Ninive, aber 2. Könige 14,25 macht deutlich, dass er auch in Israel wirkte. Und die Prophezeiungen von Nahum und Obadja bestehen hauptsächlich aus Aussprüchen über Assyrien (Ninive) bzw. Edom (die Nachkommen Esaus) – aber mittelbar lag darin auch eine Botschaft für das Volk Gottes.

[2] Siehe dazu auch „Wozu Prophetie?“ in „Folge mir nach“ 01/2001, Seite 23.

[3] Eine „Jahrwoche“ umfasst sieben Jahre – siehe 3. Mose 25,8.

[Entnommen aus der Zeitschrift „Folge mir nach“, www.csv-verlag.de]