Wenn man sich einem anderen gegenüber etwas hat zuschulden kommen lassen, dann neigt man dazu, dem Betroffenen aus dem Weg zu gehen. Wenn das nicht gelingt, versucht man doch wenigstens, den Blickkontakt zu meiden. Das drückt auch die bekannte Redewendung „jemandem nicht mehr in die Augen schauen können“ aus, womit ein schlechtes Gewissen gemeint ist.
Was unter Menschen gilt, gilt noch viel mehr in unserer Beziehung zu unserem Herrn. Wenn wir ein schlechtes Gewissen vor ihm haben, ist kein „Blickkontakt“ mehr möglich. Unsere Gebete werden hohl und das Bibellesen bereitet auch keine echte Freude mehr. Der Gedanke an die Nähe des Herrn wird zu einer unangenehmen Sache.
Das macht auch die Geschichte Jonas deutlich. Es heißt nicht nur, dass er flieht, sondern dass er „von dem Angesicht des Herrn weg“ flieht. Vor dem Angesicht des Herrn ist der normale Aufenthaltsort eines Dieners (vgl. 1. Kön 17,1). Es bedeutet nichts anderes, als dass der Diener im Bewusstsein der Nähe und Beobachtung Gottes lebt. Wenn es gut um uns steht, bewirkt dieses Bewusstsein Frieden und Sicherheit, aber auch Ehrfurcht und Sorgfalt. Doch mit einem belasteten Gewissen wird dieser Aufenthaltsort „vor dem Angesicht des Herrn“ für uns unerträglich (vgl. 1. Mo 3,8; 4,16).
Jona kann auch nicht mehr beten. Selbst die Aufforderung und das Vorbild der Seeleute brachten ihn nicht dazu. Ein Kind, das dem Vater ungehorsam war, weiß, dass es ihn nicht im nächsten Moment um Hilfe bitten kann. Erst muss die Sache bereinigt werden. Doch was muss erst alles passieren, bevor wir merken, dass wir auf dem Weg des Ungehorsams unweigerlich untergehen werden.
Natürlich ist es nur das Empfinden Jonas, als er so in die Tiefe des Meeres hinabsinkt, dass er „aus den Augen Gottes verstoßen“ ist (Jona 2,5) – Gott war ihm viel näher, als er glaubte. Und doch zeigt es, dass er jetzt empfindet, dass der Ort, wohin er fliehen wollte – vom Angesicht des Herrn weg –, ein schrecklicher Ort ist. Er tut Buße, kehrt im Herzen um zu Gott. Er hatte wegfliehen wollen und sehnt sich jetzt danach, wieder hinzuschauen zu dem Wohnort Gottes.
Willst du deinem Herrn wieder freimütig „in die Augen schauen können“? Dann befreie dein belastetes Gewissen von allem, was dich daran hindert. Denn der Platz vor dem Angesicht des Herrn ist ein gesegneter Ort.