„Euer Herz werde nicht bestürzt“ (Joh 14,1). So beginnt der Herr seine tröstenden Worte an seine Jünger. Sie waren niedergeschlagen, traurig und hoffnungslos. Sie ahnten, dass dunkle Zeiten auf sie zukommen, dass alles ganz anders werden würde, als sie sich das gedacht hatten. Doch die tröstenden Worte des Herrn gelten nicht nur ihnen, sondern in gleicher Weise auch uns heute.

Dreieinhalb Jahre lang waren die Jünger mit dem Herrn mitgezogen. Sie hatten mit ihm gelebt, hatten mit ihm und für ihn gedient, hatten von ihm gelernt – und sie liebten ihren Herrn. Doch jetzt würde der Herr von ihnen gehen (Joh 13,33). Können wir da verstehen, dass sie traurig waren?

Doch dass Er von ihnen gehen sollte, hatte auch ganz existenzielle Folgen für sie. Sie hatten alles verlassen und hatten, indem sie diesem „Zimmermann“ (Mk 6,3) und Wanderprediger aus Galiläa nachfolgten, alles aufs Spiel gesetzt. So lange er leibhaftig bei ihnen war, hatte er sie versorgt. Einmal fragte der Herr seine Jünger: „Als ich euch ohne Geldbeutel und Tasche und Sandalen sandte, fehlte es euch wohl an etwas?“ (Lk 22,35). Es hatte ihnen „an nichts“ gefehlt. Doch wie sollte es jetzt weiter gehen? Wer würde sie jetzt versorgen? Können wir da verstehen, dass sie sich Sorgen machten?

Doch dann war da noch die Sache mit dem Reich. Als gläubige Juden warteten sie auf das kommende Reich. Mit welcher Begeisterung werden sie den Worten Johannes des Täufers zugehört haben, wenn er davon sprach, dass das Reich Gottes nahe gekommen sei (Mt 3,2). Schließlich hatten sie erkannt und geglaubt, dass der Herr Jesus der Messias ist. Welche Freude muss Andreas empfunden haben, als er seinem Bruder Simon mitteilte: „Wir haben den Messias gefunden“ (Joh 1,41); oder Philippus, wenn er Nathanael erklärt: „Wir haben den gefunden, von dem Mose in dem Gesetz geschrieben hat und die Propheten, Jesus, den Sohn des Joseph, den von Nazareth“ (Joh 1,45). Doch ihre Vorstellung des Messias war die eines siegreichen und mächtigen Königs. Ihre Hoffnung war, dass der Herr der sei, der „Israel erlösen“ würde (Lk 24,21). Doch nun hatte der Herr wiederholt von seinen Leiden und seinem Tod gesprochen. Das passte überhaupt nicht in ihre Vorstellungen und machte die Jünger traurig.

Und so nimmt der Herr sich drei Kapitel lang (Joh 14–16) – vom Obersaal, durch das Kidrontal, bis hinein in den Garten Gethsemane – Zeit, um die Jünger zu trösten und sie für die kommende Zeit vorzubereiten.

Zeitlich gesehen befinden wir uns hier am Donnerstagabend und nur noch wenige Stunden bevor unsägliche Leiden über den Herrn kommen würden. Johannes 18,4 macht uns deutlich, dass der Herr „alles wusste, was über ihn kommen würde“. Er wusste um Judas, der ihn verraten; Petrus, der ihn verleugnen und um die gesamte Jüngerschar, die ihn alle verlassen würden. Er wusste um den beißenden Spott der Menge, um den ungerechten Gerichtsprozess und die körperlichen Schmerzen, die man ihm zufügen würde. Und wer konnte besser als der Herr empfinden, was es bedeuten würde, am Kreuz in den drei Stunden der Finsternis zur Sünde gemacht zu werden und in das Gericht Gottes zu gehen?

Wenn auch dies alles vor dem Herrn stand, so war er doch nicht mit sich selbst beschäftigt. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende „(Joh 13,1b). Wie oft sind wir mit uns selbst beschäftigt und völlig davon eingenommen, was uns betrifft. Doch „die Liebe ... sucht nicht das ihre“ (1. Kor 13,4.5).

Der Herr nimmt die Jünger nicht aus den Umständen, noch ändert er ihre Umstände. Das tut er auch heute meistens nicht. Doch er verändert uns – hier, indem er den Blick der Jünger weg von den Umständen und der Erde hin auf sich selbst und die Ewigkeit lenkt.

  • Die Jünger rechneten mit einem Messias auf der Erde. Doch der Herr stellt sich selbst als Glaubensgegenstand im Himmel vor („Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich“; V.1).
  • Die Jünger erwarteten ein Reich auf der Erde. Doch der Herr stellt ihnen eine ewige Bleibe im Haus des Vaters vor („In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen“; V.2). Nicht, dass sie nicht einmal an dem Reich teilnehmen würden. Das würden sie. Aber das, was der Herr ihnen – und uns – hier vorstellt, ist weit mehr!
  • Sie wünschten sich, dass der Herr in ihre Umstände kommen würde. Doch der Herr verspricht, dass er sie selbst einmal zu sich holen würde („so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet“; V.3)

Drei elementare christliche Wahrheiten: Ein Mensch im Himmel, das Vaterhaus als das Ziel der Kinder Gottes und das Kommen des Herrn zur Entrückung der Gläubigen. Wie oft verlieren wir sie aus dem Auge und sind völlig mit unseren Umständen beschäftigt oder haben nicht die richtigen Vorstellungen. Nicht selten ist das Ergebnis wie bei den Jüngern: Wir sind bestürzt und niedergeschlagen. Lassen wir uns doch neu durch die Worte des Herrn ausrichten. Das wird auch unsere Herzen trösten und befestigen.