Es ist unvorstellbar, sich den seelischen Schmerz des Herrn vorzustellen, als er wiederholt auf das Übelste beleidigt wurde:
- Mk 5,40: „Sie verlachten ihn.“ – ein lächerlicher Verrückter
- Mt 11,19: „Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern.“ – ein Trunkenbold, Alkoholiker, jemand, der mit dem Abschaum verkehrt
- Mt 12,24: „Dieser treibt die Dämonen nicht anders aus als durch den Beelzebul, den Fürsten der Dämonen.“ – jemand, der durch Satan kontrolliert wird
- Joh 18,30: „Wenn dieser nicht ein Übeltäter wäre...“ – jemand, der etwas Schlechtes getan hat
- Lk 23,2: „Diesen haben wir befunden als einen, der unsere Nation verführt und wehrt, dem Kaiser Steuer zu geben.“ – ein Manipulator, ein gesetzeswidriger Rebell
- Joh 10,33: „... wegen Lästerung und weil du, der du ein Mensch bist, dich selbst zu Gott machst.“ – ein Blasphemist, jemand, der Gott beleidigt
- Mt 27,43: „Er vertraute auf Gott, der rette ihn jetzt, wenn er ihn begehrt.“ – jemand, den Gott nicht begehrt
Seine Gefühle werden prophetisch in Ps 69,21 deutlich: „Der Hohn hat mein Herz gebrochen, und ich bin ganz elend.“
Wir fühlen uns beim Lesen dieser Beleidigungen vielleicht wie Johannes und Jakobus, die in einer solchen Situation gleichsam empört „aus der Haut fahren“ und rufen: „Feuer solle vom Himmel herabfallen und sie verzehren“ (Lk 9,54). Ihr Wunsch: Für solche unverschämten Beleidigungen müssen sie sterben!
Und tatsächlich – man wundert sich, warum sich bei den obigen Beispielen nicht augenblicklich der Himmel öffnete und ein Blitz die Beleidiger für immer verstummen ließ. Bei Elia fiel Feuer vom Himmel, um seine Feinde zu vernichten (2. Kön 1,10). Doch wenn der Herr der Herren und König der König beleidigt wird, geschieht – nichts.
Als Erklärung für dieses Unerklärliche kann uns Römer 9,22 helfen: „Gott, willens seinen Zorn zu erweisen und seine Macht kundzutun, mit vieler Langmut ertragen hat die Gefäße des Zorns“. Die Langmut des Herrn, seine Geduld mit denen, die nichts als Zorn verdient hätten, ist unfassbar groß. Und so nimmt der Herr die Beleidigungen hin und gibt dem Beleidiger mindestens eine weitere Chance, sich zu bekehren. Wo jeder weltliche Herrscher seine Kritiker mundtot macht oder gar umbringt, ist unser Herr langmütig. Das ist anbetungswürdig.
Das gilt auch für den Mann, dem ich kürzlich ein Traktat gab – und dessen verächtliche Reaktion darauf war: „Pfff, Gott ist ...“, worauf ein bitterböses Wort folgte. Der Himmel blieb verschlossen. Kein Blitz, kein Feuer, kein plötzlicher Herzinfarkt. Der Mann bekam eine weitere Chance. Der Herr Jesus war wieder einmal langmütig. Und ist es immer noch.