Frage: „Müssen“ nur diejenigen evangelisieren, die die Gabe des Evangelisten bekommen haben (Eph 4,11)?

Antwort: In der Tat hört man manchmal, dass das Evangelisieren nicht die Aufgabe eines jeden Christen sei. Es wird anlehnend an 2. Tim 4,5 so argumentiert, dass man ja beispielsweise einem Metzger nicht sagen könne: „Tue das Werk eines Gärtners“. Quintessenz: Nur die haben die Aufgabe, zu evangelisieren, die dafür vom Heiligen Geist besonders begabt sind.

Meiner Ansicht nach kann dies nicht korrekt sein. Wenn wir diesen Gedanken konsequent weiterverfolgen, müsste das nämlich auch bedeuten:

  • Sollen nur diejenigen Hilfe leisten, die die entsprechende Gabe haben (1. Kor 12,28)?
  • Sollen nur diejenigen dienen, die die entsprechende Gabe haben (Röm 12,7)? Antwort: Gal 5,13
  • Sollen nur diejenigen lehren, die die entsprechende Gabe haben (1. Kor 12,28)? Das würde bedeuten, dass Eltern ihre Kinder, die eine Frage zu einer Bibelstelle haben, an einen Lehrer verweisen müssten, und nicht lehrbegabte Ehemänner ihre Frauen bei deren Fragen auch nicht belehren würden (1. Kor 14,35).
  • Sollen nur diejenigen als Hirten aufeinander achten, die die entsprechende Gabe haben (Eph 4,11)? Antwort: Heb 10,24
  • Sollen nur diejenigen Barmherzigkeit üben, die die entsprechende Gabe haben (Röm 12,8)? Antwort: 1. Pet 3,8
  • Sollten nur diejenigen geben, die die entsprechende Gabe haben (Röm 12,8)? Antwort: 2. Kor 9,7
  • Sollte nur ein Evangelist, wie Philippus (Apg 21,8), evangelisieren, da er die entsprechende Gabe hat? Sind Eltern beispielsweise nicht die „Haupt-Evangelisten“ ihrer Kinder, unabhängig von ihrer Gabe?

Aus diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass die jeweiligen Tätigkeiten durchaus auch von denen auszuführen sind, die dazu weder eine spezielle Begabung noch einen speziellen Auftrag bekommen haben. Selbstverständlich ist es wahr, dass der Herr einzelne Gaben sowie Schwerpunkte des Dienstes souverän verteilt und dadurch Verantwortungsbereiche absteckt. Und doch, so meine ich, bedeutet dies nicht, dass andere Gläubige sich aus diesen Tätigkeiten zurückziehen und dann zurücklehnen können.

Bei allem ist wichtig, sich vom Herrn zeigen zu lassen, wo unser Aufgabenschwerpunkt liegt. Und doch dürfen wir alle bereit und willig sein, dem Herrn in jeglicher Hinsicht zu dienen. Wir wollen ausgewogen sein: Nicht jeder wird das Evangelium öffentlich verkündigen oder am Büchertisch Gespräche führen können, und das ist in Ordnung so, weil der Herr souverän ausstattet. Aber: Dem Nachbarn und Schulkollegen Zeugnis geben oder hier und da ein Traktat verteilen – das können wir alle tun!

Übrigens: Bibelverse wie 2. Kor 3,3; Phil 2,15.16; 1. Pet 3,15 sind an alle Christen gerichtet!