Zweifellos ist diese Schriftstelle die Sprache der Braut, des wahren Überrestes, der zur Braut wird, die in diesem Buch als Jerusalem personifiziert wird. In diesem letzten Kapitel werden alle Grundsätze des ganzen Liedes aufgegriffen und dargelegt; und so werden wir in Vers 1 (obwohl die Braut am Ende des vorigen Kapitels in dem glücklichen Bewusstsein ruht, im Besitz des Bräutigams und Gegenstand seiner Zuneigung zu sein) zu der Zeit zurückgeführt, als ihr ganzes Verlangen darin bestand, ihn zu finden und ihrer glühenden Liebe Ausdruck verleihen zu dürfen.
In Vers 5, nach dem Ausruf: „Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her, sich auf ihren Geliebten stützt?“, erinnert der Bräutigam seine Braut daran, dass sie all den Segen, in den sie eingetreten ist, ja ihre Existenz als Gegenstand seiner Zuneigung und als Gefährtin seiner Freuden ganz und gar seiner Gnade verdankt. Als Antwort darauf ruft sie: „Lege mich wie einen Siegelring an dein Herz, wie einen Siegelring an deinen Arm“, usw. Das Herz und der Arm (wahrscheinlich die Schulter) sind, wie immer in der Heiligen Schrift, Symbole der Liebe und der Stärke und können mit den Namen der zwölf Stämme in Verbindung gebracht werden, die auf dem Brustschild und den Onyxsteinen auf den Schultern des Hohenpriesters eingraviert sind. Die Bedeutung lautet also: Lege mich wie ein Siegel, ein Symbol der Sicherheit (denn ein göttliches Siegel kann niemals zerbrochen werden), an dein Herz und auf deine Schultern, damit ich immer von deiner göttlichen Liebe getragen und von deiner göttlichen Macht gestützt werde.
Der Grund für diesen Wunsch liegt in der Tatsache, dass „die Liebe gewaltsam ist wie der Tod, hart wie der Scheol ihr Eifer; ihre Gluten sind Feuergluten, eine Flamme Jahs.“ Dies sind Bilder, die die Intensität der Liebe zeigen. Sie ist so stark wie der Tod. Wenn der Tod seine Finger um sein Opfer schließt, gibt es keine Macht auf Erden, die seinen Griff lösen kann. Und wer kann uns von der Liebe Christi scheiden? Wenn das Grab seine Beute aufnimmt, schließt es sich um sie und schließt alles andere aus; und die göttliche Eifersucht beansprucht ihren Gegenstand ganz für sich (vgl. Jak 4,4.5). Sie ist zudem so glühend, dass sie nur mit der verzehrenden und reinigenden Wirkung des Feuers verglichen werden kann, „eine Flamme Jahs“, was uns auf das Wesen und die Größe ihres Charakters zurückführt, denn Liebe und Licht sind die Worte, mit denen das göttliche Wesen ausgedrückt wird. Diese Liebe ist auch unauslöschlich, sei es durch die „großen Wasser“ oder durch „die Fluten“. Die Braut wird dies in ihrer eigenen Erfahrung gelernt haben, wenn sie sich mit dem Bräutigam in der Herrlichkeit des Reiches vereint findet, nach den unvergleichlichen Schmerzen jener großen Trübsal, von der der Herr sprach, als er sagte, dass eine solche „seit Anfang der Welt“ nicht gewesen ist, „und auch nicht wieder sein wird“ (Mt 24,21).
Schließlich werden wir gelehrt, dass diese Liebe nicht gekauft werden kann. Nein, sie war immer und wird immer eine souveräne und göttliche Gabe sein; und gerade deshalb ist sie sowohl unveränderlich als auch ewig (vgl. Jeremia 31,3).