Für das Verständnis dieser Stelle ist es wichtig, uns an die richtige Wiedergabe der Verse 22 und 24 zu erinnern. Sie müssen lauten: „Ihr habt abgelegt“ und „Ihr habt angezogen“ usw. Die Wahrheit, wie sie in dem Herrn Jesus ist, lautet also, dass wir im Tod Christi den alten Menschen abgelegt und in der Auferstehung Christi den neuen Menschen angezogen haben. Alle folgenden Ermahnungen stützen sich auf diese doppelte Tatsache.

Mit anderen Worten: Weil wir den alten Menschen durch die Einsmachung mit dem Tod Christi abgelegt haben, ermahnt uns der Apostel in Vers 25, die Lüge abzulegen und, weil wir den neuen Menschen in der Auferstehung Christi angezogen haben, ermahnt er uns, die Wahrheit zu reden, jeder mit seinem Nächsten (obwohl hier, entsprechend der charakteristischen Wahrheit des Briefes, der zusätzliche Gedanke der Einheit mit Christus und untereinander eingeführt wird – „denn wir sind Glieder voneinander“). Denn die Lüge konnte nur von dem alten Menschen ausgehen, der nach den betrügerischen Begierden verdorben ist (V. 22); die Wahrheit aber konnte nur aus dem neuen Menschen kommen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit (oder: Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit) (V. 24).

So weit ist alles klar; aber die Ermahnung: „Zürnt, und sündigt nicht“ (V. 26) ist nicht so einfach, weil der Zorn im Allgemeinen, wie auch in Vers 31, mit den Werken des Fleisches verbunden wird. Es ist daher offensichtlich, dass der hier gemeinte Zorn, da es sich um eine Aufforderung handelt, von ganz anderer Art ist.

Außerdem ist zu beachten, dass auch in diesem Zorn eine Gefahr liegt, sonst wären die Worte „und sündigt nicht“ nicht hinzugefügt worden. Es gibt nämlich so etwas wie einen göttlichen Zorn, einen heiligen Zorn, wie er im Alten Testament häufig vorkommt, und einmal im Leben unseres gesegneten Herrn (Markus 3,5), und in diesem Sinne ist es möglich, in Gemeinschaft mit dem Geist Gottes zornig zu sein.

Aber so leicht könnte dies in menschlichen, natürlichen Zorn oder Empörung übergehen, dass die Warnung vor dem Sündigen angefügt wird. Aus demselben Grund fährt der Apostel fort: „Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn“, denn wenn er gehegt wird, ergreift er Besitz von der Seele und gibt dem Fleisch Gelegenheit, sich durchzusetzen, und wird so zum Mittel der Sünde.