„Schau zur Rechten, und sieh: Ich habe ja niemand, der mich erkennt; verloren ist mir jede Zuflucht, niemand fragt nach meiner Seele“ (Ps 142,5).
Wir leben heutzutage in einer sehr gefühlsbetonten Welt, in der die Gefühle des Einzelnen und das allgemeine Wohlbefinden der Menschen im Vordergrund stehen. Doch wie war es, als der Herr Jesus über diese Erde ging? Fühlte Er sich in dieser Welt wohl? Nein, „er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut“ (Jes 53,3). Er musste mit den Worten Davids sagen: „Niemand fragt nach meiner Seele.“ Dies weist zum einen darauf hin, wie einsam unser Herr in dieser Welt war, aber zum anderen auch, welche Seelennöte Er auf seinem Leidensweg über diese Erde durchlebte.
Unser Herr war einsam (Ps 25,16; 102,8). Abgesehen von wenigen Ausnahmen interessierte sich niemand aufrichtig für Ihn. Niemand fragte nach dem Wohlergehen seiner Seele. Verachtet und verlassen von den Menschen ging Er seinen Weg über diese Erde. Die Welt, die Er erschaffen hatte, kannte Ihn nicht. Sein irdisches Volk, das Er viele Jahrhunderte lang getragen hatte, wollte Ihn nicht, und seine Jünger verstanden Ihn nicht (Joh 1,10.11; Lk 2,50; 9,45; 18,34). Selbst seine eigene Familie lehnte Ihn ab (Ps 69,9; Mk 3,21; Joh 7,5).
Als Er schließlich von den Juden gegriffen und abgeführt wurde, verließen Ihn seine Jünger alle und flohen (Mk 14,50). Seinen Weg nach Golgatha musste Er ganz allein gehen. Doch einer war auch in diesen Augenblicken bei Ihm: Es war sein Gott und Vater (Joh 8,29). Aber was geschah in den drei Stunden der Finsternis, als Ihn das göttliche Gericht unserer Sünden wegen traf? Da musste sich auch Gott von Ihm abwenden und Ihn verlassen (Mt 27,46; Mk 15,34). Da hing Er wirklich ganz allein zwischen Himmel und Erde – von den Menschen verlassen und von Gott gestraft. Was für ein anbetungswürdiger Heiland, der dort – von allen verlassen – die Strafe zu unserem Frieden trug!
Der Weg des Herrn über diese Erde war ein Weg der Leiden von der Krippe bis zum Kreuz. Dabei litt unser Heiland auch an seiner Seele. Das machen verschiedene Bibelstellen deutlich. Als Ihm im Garten Gethsemane die ganze Schrecklichkeit dessen, was Ihn am Kreuz erwarten würde, vor Augen stand, lesen wir, dass Er anfing, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Er sprach zu seinen Jüngern: „Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod; bleibt hier und wacht“ (Mk 14,32–34).
Auch sein weiterer Weg nach Golgatha und vor allem sein Leiden und Sterben am Kreuz waren mit tiefen Seelennöten verbunden. Das machen viele Stellen in den Psalmen deutlich. Doch kein Mensch scherte sich darum – selbst seine eigenen „Brüder“ nicht. In 1. Mose 42,21 lesen wir prophetisch von der Seelenangst, die der Herr in den Stunden vor dem Kreuz durchlebt haben muss. Dort sprechen die Brüder Josephs aus, was auch einmal der gläubige Überrest der Juden bekennen wird: „Wahrhaftig, wir sind schuldig wegen unseres Bruders, dessen Seelenangst wir sahen, als er zu uns flehte, und wir hörten nicht; darum ist diese Drangsal über uns gekommen.“ Wie dankbar dürfen wir sein, dass unser Herr all diese Nöte und Ängste durchstanden hat, bis Er schließlich am Kreuz ausrufen konnte: Es ist vollbracht!