Es ist auffällig, dass die Reden Abend für Abend einen praktischen Inhalt hatten. Mein erster Gedanke bezüglich dieser abschließenden Rede war der, ein weiteres praktisches Thema zu bearbeiten. Aber nachdem wir nun all diese förderlichen und wichtigen Ermahnungen gehört haben, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass diese Schlussmomente der Betrachtung großer und gesegneter Realitäten gewidmet werden sollten, die die Grundlage darstellen, auf die ein Leben des geistlichen Sieges gebaut werden kann.  Verlasst euch darauf: Das christliche Leben ist im Normalfall ein siegreiches Leben, denn Gott hat uns mit allem ausgestattet, was diesem Zweck dient. In den drei Abschnitten, die wir gelesen haben, wird vom Überwinden gesprochen, und zu überwinden bedeutet natürlich, den Sieg davonzutragen. Ich denke, ich kann in diesen Abschnitten vier Dinge hervorheben – eine Art vierfache Grundlage, auf welcher ein siegreiches Leben beruht; und diese vier Dinge werden uns von Gott zur Verfügung gestellt und angeboten. Wir müssen uns viel mehr damit beschäftigen, wie wir das nutzen, was Gott uns zur Verfügung stellt. Der praktische Aspekt wird also nicht ganz ausbleiben in dem, was ich zu sagen habe. Obwohl dieser Brief des Johannes viele Warnungen enthält, ist er ein Brief über den Sieg, wenn auch das große Buch des Sieges in der Bibel das Buch der Offenbarung ist, da dort der Höhepunkt erreicht und der Sieg Gottes offenbar wird.  Ich werde nicht über das Thema sprechen, das uns in Römer 7 und 8 begegnet. Wir sprechen oft von dem „Sieg über die Sünde“, aber tatsächlich taucht das Wort „Sieg“ in diesem Textabschnitt nicht auf: Das Wort, welches auftaucht, ist „Errettung“ – „wer rettet mich?“ Das ist es, was wir brauchen, wenn es um das Wirken der Sünde im Fleisch geht – Errettung von diesem Zustand der inneren Versklavung und Verwirrung, in den die Sünde uns gestürzt hat. Das erlangen wir in Christus und durch seinen Geist. Wenn diese Errettung uns erreicht hat, werden wir darauf vorbereitet, uns äußeren Gegnern zu stellen, und wir werden feststellen, dass der Sieg unser ist. 

In den wenigen Worten, die wir in 1. Johannes 2 gelesen haben, hörten wir von denen, die den Sieg über den Bösen gewonnen haben. Wir wissen alle, wer das ist: unser großer Gegenspieler, der Teufel. In 1. Johannes 4 ist es der Sieg über die falschen Propheten. Männer sprachen in einem anderen Geist als dem Geist Gottes, und die Kinder der göttlichen Familie haben sie überwunden. In 1. Johannes 5 ist die Sache sehr offensichtlich: Es geht darum, die Welt zu überwinden. Ich schlage vor, am Ende zu beginnen und rückwärts zu arbeiten. 

Das Erste, was ich hervorheben möchte, ist: „Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt.“ Einige von euch haben vielleicht bisher gedacht, dass Sieg nur den älteren und fortgeschritteneren Christen gehört, aber dieses Wort gilt für uns alle. Es ist eine wunderbare Tatsache, dass, wenn du ein Christ bist, du aus Gott geboren bist. Demzufolge hast du eine Natur, die in Gott, der Liebe ist, bleibt und die sich völlig außerhalb der Welt hält – die in der Tat der Welt völlig überlegen ist – und so den Sieg über sie davonträgt. Die Welt hat große Anziehungskraft für die alte Natur, sie hat jedoch absolut keine für die neue Natur. 

Einige von euch mögen vielleicht diese Aussage nehmen und Rückschlüsse ziehen, so wie ich selbst das auch getan habe. Die Aussage alarmiert dich, denn du sagst zu dir selbst: Ich überwinde die Welt nicht, also schließe ich daraus, dass ich nicht aus Gott geboren bin. Nun, was das betrifft, muss ich dich daran erinnern, dass wir uns in unseren Bibellesungen zu diesem Brief wiederholt mit dem abstrakten Wesen der Aussagen beschäftigt haben, die der Apostel Johannes macht. Dies ist eine davon. Der Apostel ist wie ein analytischer Chemiker, aber in geistlichem Sinne. Er zerlegt Dinge in ihre ursprünglichen Einzelteile und zeigt uns, was die grundlegenden Eigenschaften dieser Einzelteile sind. Er bittet uns nicht, alle Verbindungen und Mischungen zu bedenken, in denen diese Einzelteile gewöhnlich anzutreffen sind. Die grundlegende Eigenschaft der neuen Natur, die in den aus Gott Geborenen zu finden ist, ist die, dass sie den Sieg über die Welt davonträgt. 

Ihr kennt die Geschichte von Noahs Arche – dass er zwei Vögel freilässt, als die Wasser zurückgingen. Einer war ein Rabe, der andere eine Taube. Der eine hatte eine unreine Natur mit einem sehr verdorbenen Geschmack und liebte nichts mehr als Aas. Der andere, ein Vogel mit einem ganz anderen Wesen, fand nichts Attraktives an dem Futter des Raben. Der Rabe fand bald etwas, das seinen Appetit befriedigte und kam nicht mehr zurück. Die Taube fand nichts, bis das trockene Land erschien. Das Fleisch in uns ist wie der Rabe und ernährt sich von  Aas, aber das aus Gott Geborene ist wie die Taube und ernährt sich nur von Reinem. Wenn wir uns erinnern: Die Taube ist in der Schrift ein Bild für den Geist Gottes. Wie nun die Taube den Sieg über das Aas erlangt, so erlangt alles, was aus Gott geboren ist, den Sieg über die Welt. Das muss es – es liegt in seiner Natur. Wie ich sagte, wir betrachten die Dinge abstrakt. 

Wenn wir jedoch die Dinge praktisch betrachten, müssen wir sofort zugeben, dass es hier anders aussieht. Als aus Gott Geborene haben wir neue Geschmäcker und Wünsche; wir sehen eine ganze Welt von Dingen, die wir nie zuvor gesehen haben, doch kennen wir nur zu gut den furchtbaren Abwärtssog des Fleisches in uns und wie das Fleisch die Welt und das Böse darin liebt. Als aus Gott Geborene sollen wir den Sieg haben, und das Geheimnis, wie wir diesen Sieg in der Praxis erlangen, ist: Füttere die Taube und lass den Raben verhungern! 

Genau davon redet der Apostel Paulus in Galater 6, nur in einem anderen Bild, wenn er davon spricht, dass wir entweder auf unser Fleisch oder auf den Geist säen. Da ist ein Mann, der hingeht mit einem Korb voller Samen auf jeder Seite. In dem einem Korb ist Weizen, in dem anderen Unkraut. Er kann das eine oder das andere säen, und die Frucht ist abhängig von seiner Wahl. Unsere Hand mag häufig in den Korb mit Unkraut greifen und dieses auf die Erde unseres Lebens streuen: Wenn dem so ist, dürfen wir uns nicht über die hässliche Frucht wundern, die wir zu ernten haben. Der Heilige Geist aber ermutigt uns, das zu säen, was aus ihm selbst ist, damit wir das ewige Leben ernten – anders ausgedrückt, dass wir nicht den Raben, sondern die Taube füttern. Aber schau hierhin, junger Christ, und schöpfe Mut daraus: Als aus Gott Geborene haben wir eine solche Natur, die die Welt überwindet. 

Aber da ist noch eine zweite Sache in 1. Johannes 5. Der Sieg, der die Welt überwindet, ist „unser Glaube“. Wie der nächste Vers zeigt, deutet dies auf den Glauben eines Christen, dass „Jesus der Sohn Gottes ist“. Jesus ist tatsächlich der Christus, aber unser Glaube geht weiter zu der herrlichen Tatsache, dass er der Sohn Gottes ist. Johannes schrieb sein Evangelium, damit unsere Seelen fest in diesem Glauben verankert sind; und wenn Christus vor unserem Glauben als der Sohn Gottes erstrahlt, erkennen wir ihn als den Einen, der aus jener Welt – der Welt des Vaters – in diese Welt kam. Wer ist es, der den Sieg über diese Welt davonträt, wenn nicht der, welcher durch Glauben den Mittelpunkt einer viel strahlenderen und besseren Welt als dieser hier entdeckt hat? Es geht nicht darum, dass wir die Sohnschaft Jesu als einen Absatz in unserem Glaubensbekenntnis haben, dass wir diese Wahrheit theologisch anerkennen, sondern dass wir sie als eine lebenswichtige Kraft in unserer Seele haben. 

Man erzählt sich eine Geschichte von einem Mann, der in seiner Zeit sehr von Gott gebraucht wurde. Als er jung war und auf das College ging, hat er viele Preise errungen und wurde von den Rektoren gelobt. Sie sagten: „Wenn du dies und jenes tust und diesen Weg einschlägst, werden wir einen großen Mann aus dir machen.“ Doch er hatte sich kurz zuvor gründlich bekehrt und antwortete sinngemäß so: „Meine Herren, ich danke Ihnen, aber ich muss Ihnen eine Frage stellen: Wenn Sie einen großen Mann aus mir machen – für welche Welt tun Sie das?“ Sie hatten keine andere Welt vor Augen als diese, darum waren sie ohne Zweifel überrascht. Er verfolgte nicht den Weg, den sie für ihn geplant hatten, denn er hatte jene andere Welt vor Augen. Er lebte sein Leben im Dienst für den Herrn und dieser gebrauchte ihn, die Schrift auszulegen. Der Punkt bei der Sache ist, dass er wirklich glaubte, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der Meister und Mittelpunkt einer strahlenderen Welt als dieser, und im Licht dessen verlor diese Welt ihre Anziehung und er trug den Sieg über sie davon. 

Es wäre in der Tat gut, wenn wir aus diesen Treffen mit einer ähnlichen Sichtweise herausgehen würden. Möge Gott uns die Gnade schenken, sie zu entwickeln und zu pflegen.  Indem ich mich rückwärts vorarbeite, komme ich nun zu 1. Johannes 4. Hier geht es um die falschen Propheten, um Männer, die Agenten des Teufels sind und vom Geist des Antichristen ihre Kraft erhalten. Die Kinder Gottes überwinden sie, weil in ihnen der Geist Gottes wohnt. Die letzten Worte in 1. Johannes 3 sind der „Geist, den er uns gegeben hat“, und wir wissen, dass der Heilige Geist uns gegeben ist, um für immer bei uns zu sein. Dieser Geist ist gemeint, wenn wir lesen, dass „der, welcher in euch ist, größer ist als der, welcher in der Welt ist“. Der, welcher in der Welt ist, ist der Geist, der in der Schrift als der Gott und Fürst dieser Welt bezeichnet wird. Der Herr Jesus sagt: „Der Fürst der Welt kommt; und in mir hat er gar nichts“. Er hat etwas in uns, denn wir haben das Fleisch in uns, aber weil der Heilige Geist in uns wohnt, haben wir einen in uns, der größer ist. 

Der Geist der Finsternis wirkt in der Welt und spricht durch die falschen Propheten, die in die Welt hinausgegangen sind und die heutzutage keineswegs ausgelöscht sind. Leider gibt es sie zuhauf auf den Kanzeln des Christentums – ein Christentum, das sich von der Welt nicht unterscheidet. Als vor etwa dreißig Jahren die „Neue Theologie“ aufkam, schrieb Robert Blatchford, ein berüchtigter Ungläubiger dieser Zeit, sinngemäß: „Wirklich! Pfarrer ... (wobei er den führenden Vertreter dieser Sache nannte) ist genauso ein Ungläubiger wie ich, und ich bin genauso ein Christ wie er. Der Unterschied zwischen uns ist, dass er einen Frack trägt und ich nicht.“ Die falschen Propheten alter Zeiten wurden durch den Geist der Finsternis inspiriert und dieser Geist ist immer noch am Werk. Doch der, welcher in uns ist, ist größer als er. In dieser Tatsache liegt für uns der Sieg. 

Noch einmal gehe ich zurück: dieses Mal zu 1. Johannes 2. Hier spricht der Apostel die an, die er „junge Männer“ nennt, und sagt ihnen, dass sie stark sind und den Bösen überwunden haben. Die Grundlage dessen ist, dass „das Wort Gottes in euch bleibt“. Wir müssen das Wort „bleibt“ hervorheben, denn es ist von großer Bedeutung. Das Wort kann unmöglich in mir bleiben, es sei denn, ich kenne es. Ich muss es lesen; ich muss mich mit ihm vertraut machen; nicht nur gedanklich – so vortrefflich es auch ist, es durch fortwährendes Lesen im Gedächtnis abzuspeichern –, sondern so, dass die Wahrheit, die das Wort beinhaltet, wirklich vor dem inneren Auge meiner Seele aufgeht. Dann gewinnt das Wort meine Zuneigung, ich liebe es, ich erachte es als wertvoll, es verfügt über mein Gewissen, es beginnt, seine herrschende Macht über mein Leben auszubreiten. Darin liegt die Kraft. Das ist der Weg des Sieges über den Bösen. 

Ich muss euch kaum daran erinnern, dass der Herr Jesus selbst den Sieg über den Satan durch das Wort Gottes erlangt hat. Natürlich war er der über alles ewig gesegnete Gott, aber indem er Mensch wurde, nahm er völlig die menschliche Stellung der Abhängigkeit ein und besiegte Satan nicht durch die Macht seiner Göttlichkeit. Als der demütige und abhängige Mensch hatte er sofort die passende Antwort aus dem Wort Gottes und gewann so den Sieg. Das war die einzige Waffe, die er gebrauchte, und für uns ist es die einzig verfügbare Waffe. Wenn sie in uns bleibt, werden wir geschickt im Umgang damit. 

Hier ist eine kurze Zusammenfassung dessen, womit wir uns beschäftigt haben: Wie Johannes uns die Dinge in diesem Brief darlegt, gibt es drei Gegner: „den Bösen“, die „falschen Propheten“ und „die Welt“. Unser Sieg hingegen ruht auf einer vierfachen Grundlage:

1.: Zuerst ist da das Wirken Gottes, durch das wir aus ihm geboren sind;

2.: der Sohn Gottes als der Gegenstand unseres Glaubens;

3.: der Geist Gottes, der in den Kindern der göttlichen Familie wohnt.

4.: das Wort Gottes, das in uns bleiben soll. Alle diese Dinge werden uns, wie wir bemerkt haben, in einer abstrakten Weise dargelegt, damit wir ihre wirkliche Natur und ihr Wesen erfassen können, ohne dass unser Denken durch die Mischungen und Komplikationen abgelenkt wird, denen wir in der Praxis begegnen. 

Lasst uns nun sehr darauf achten, dass wir diese Dinge auch praktisch umsetzen. Lasst uns nicht weggehen, indem wir sagen, wir hatten eine schöne Zeit und haben eine wunderbare Vision betrachtet, eine entzückende Utopie, in der uns der Sieg theoretisch gehört. Nein! Diese Dinge wurden uns in einer abstrakten Weise vermittelt, damit wir sie in konkrete Wirklichkeit verwandeln.  Wir sind aus Gott geboren, doch – wie dieser Brief deutlich macht – ist das Fleisch noch in uns. Das Geheimnis des praktischen Sieges in dieser Beziehung heißt also – um zu meinem Bild zurückzukehren –, dass wir die Taube füttern und den Raben verhungern lassen. Indem wir uns aus der Schrift ernähren, füttern wir die Taube. Gebet füttert die Taube. Dienst für den Herrn füttert die Taube. Seichte und schmutzige Literatur füttert nicht die Taube, sondern den Raben. So ist es auch mit vielen anderen Dingen, wenn ich auch nicht alle Punkte für euch auflisten kann. „Ich habe ein Problem“, sagt jemand, „ich wünschte, Sie könnten mir sagen, was zu tun ist, und mich von der Mühe meines Denkens befreien.“ Aber diese „Mühe“, die Betätigung des Verstandes, ist gut für dich, und das Problem wird sich leicht lösen, wenn du die Sache beurteilst, indem du dir die Frage stellst: Wird es die Taube oder den Raben füttern? Diese einfachen praktischen Dinge sind die Scharniere, mit denen sich die Sache wendet. Der Sieg gehört dir, sobald du dem nachgehst, was die Taube füttert, und nein sagst zu dem, was den Raben füttert.  Und dann „unser Glaube“, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Der Jude erwartete den Messias – denn das war sein Glaube – und dass dieser auf der Erde erscheinen und alle Dinge wiederherstellen würde. Sein Glaube an die Natur der Dinge trug sein Herz nicht aus der Welt hinaus. Aber das ist genau das, was „unser Glaube“ tut. Wir sind berufen, den Sohn Gottes in Herrlichkeit zu erkennen. Oh!, dass wir ihn klar und hell vor den Augen unseres Herzens erstrahlen sehen. Dann wird die Welt mit einem Male sehr klein in unseren Augen erscheinen, und der Sieg über sie wird unser sein.  Dann der Geist Gottes. Mein Wort an euch in diesem Zusammenhang ist das Wort der Schrift: „Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes“, denn wenn ihr das tut, werdet ihr vollkommen kraftlos sein. Mit nur euren eigenen Mitteln seid ihr nicht mehr als kleine Pygmäen in der Gegenwart falscher Propheten, die vom Geist des Antichristen beherrscht werden. Nur der Geist, der in euch ist, ist größer als der, welcher in der Welt ist.  Zuletzt das Wort Gottes, und das ist nicht nur in unserer Hand oder auch in unserem Denken, sondern es ist bewahrt in unseren Herzen und bleibt dort, wenn es unser Leben regiert und kontrolliert.  Möge Gott nun schenken, dass es für jeden von uns so ist. Wir wollen doch ein Leben des Sieges, nicht wahr? Nun, diese Schriftstellen haben uns den Weg aufgezeigt. Wenn wir durch die göttliche Gnade diesen Weg nehmen, so werden wir von Niederlage zu süßem Sieg schreiten.  

[Übersetzt von Peggy Hindemit, Auszug aus Scripture Truth, Vol. 29, 1937, S. 260]