Die Berufung der Braut
1. Mose 24 ist von tiefster Bedeutung für den Christen, denn wir finden dort ein von Gott gegebenes Bild der Dinge, mit denen alle Personen der Gottheit im Moment beschäftigt sind.
Die Beschäftigung im Dienst, die ständige Wachsamkeit gegenüber dem Feind und der Kampf für die Wahrheit – als Folge der Not der Welt, dem zunehmenden Verderben in der Christenheit und des Versagens im Volk Gottes – können unsere Gedanken so in Beschlag nehmen, dass wir manchmal übersehen, was Gott trotz aller Macht des Feindes und trotz des ganzen Verderbens und Versagens tut. Es ist daher keine geringe Barmherzigkeit, dass Gott uns in diesem schönen Bild einen umfassenden Einblick in die Absichten und Tätigkeiten göttlicher Personen gewährt. Wenn wir den Menschen und sein Versagen mehr aus dem Blick verlieren, werden unsere Seelen sich in Gott und seinem Vorsatz erfreuen können und ruhig und still werden, weil sie erkennen, dass Gott seinen Vorsatz trotz Versagens und Widerstands zur Ausführung bringen wird.
Um die sinnbildliche Belehrung des Kapitels erfassen zu können, müssen wir die Verbindung dieses Abschnitts mit den vorhergehenden und nachfolgenden Kapiteln verstanden haben. 1. Mose 24 ist ein Teil des letzten Abschnitts der Geschichte Abrahams, der in Kapitel 22 beginnt und in Kapitel 25,10 endet. Der erste Teil der Geschichte beschreibt das individuelle Glaubensleben, aber in diesem letzten Teil finden wir einen umfassenden Überblick über die heilsgeschichtlichen Wege Gottes. In 1. Mose 22 wird Isaak geopfert und aus den Toten wiedergebracht – ein beeindruckendes Bild vom Tod und von der Auferstehung Christi. Auf die Opferung Isaaks folgt in 1. Mose 23 der Tod Saras, und Abraham wird als „Fremdling und Beisasse“ im verheißenen Land gesehen (1. Mose 23,4). Das alles spricht im Vorbild von der einstweiligen Beiseitesetzung Israels als Volk unter Gnade, die auf den Tod Christi folgte. In der Berufung Rebekkas in 1. Mose 24 sehen wir im Vorbild die Berufung der Braut Christi während der Zeit der Beiseitesetzung Israels. 1. Mose 25 vervollständigt das Bild, indem die Hochzeit Abrahams und die Söhne seiner zweiten Frau vorgestellt werden, was von der Wiederherstellung Israels und den Segnungen der Nationen im Tausendjährigen Reich spricht.
Wenn wir unsere Betrachtung auf 1. Mose 24 beschränken, sehen wir dort in einem Bild die Entfaltung des Geheimnisses von Christus und der Versammlung. Wir sehen den Vorsatz Gottes und den Weg, den er beschreitet, um diesen Vorsatz zu erfüllen.
Wir wollen dabei im Auge behalten, dass es um Gottes Vorsatz in Verbindung mit der Versammlung als Braut Christi geht. Wie wir gesehen haben, stellt uns dieser Aspekt der Versammlung den Vorsatz Gottes vor, einen Gegenstand zu haben, der vollkommen passend ist, von Christus geliebt zu werden. Hier haben wir also ein Bild von der Berufung der Braut, von dem Schmücken der Braut und von der Darstellung der Braut vor dem Bräutigam, seiner selbst würdig. Für das Herz Christi passend zu sein und auf die Liebe Christi zu antworten, das sind die beiden bedeutenden Gedanken in Verbindung mit der Versammlung als Braut.
Bei der Schöpfung haben wir gesehen, dass Eva von der Braut Christi spricht. Isaak und Rebekka nehmen 18 Jahrhunderte später die Geschichte von Christus und seiner Versammlung wieder auf. Es gibt allerdings einen Unterschied, denn in der Schrift findet man keine bloßen Wiederholungen. In Eva sehen wir die Braut als Ergebnis eines göttlichen Werkes, das sie bildete und zu Adam brachte. In Rebekka sehen wir das Hervorrufen der Zuneigung in der Braut – die Ausgänge der Liebe, die durch den Knecht in Tätigkeit gesetzt werden. Eva spricht von dem Werk Gottes für die Braut, Rebekka spricht von dem Werk Gottes in der Braut.
Das Kapitel beginnt damit, dass Abraham seinem Knecht Anweisungen gibt (1. Mose 24,1–9). Dann beschäftigt sich der Hauptteil des Kapitels mit dem Knecht und seiner Mission (1. Mose 24,10–61). Schließlich endet es mit Isaak und seiner Liebe für Rebekka (1. Mose 24,62–67). Übertragen auf das Neue Testament haben wir also im ersten Teil den Vater und seinen Vorsatz; im zweiten Teil den Heiligen Geist und sein Werk; und im dritten Teil Christus und seine Zuneigung. Im Bild sind also alle Personen der Gottheit mit der Braut beschäftigt.
1. Abrahams Anweisungen an seinen Knecht
Als Erstes lernen wir, dass der Gedanke an eine Braut für Isaak von Abraham stammt. Er ist es, der die Geschichte in 1. Mose 24 beginnt. Er offenbart seine Gedanken über die Braut für Isaak; er gibt dem Knecht Anweisungen und sendet ihn aus. Darin sehen wir, dass der Gedanke an eine Braut für Christus dem Vorsatz des Herzens Gottes entspringt. Es ist auch der Vater, der den Geist sendet, um die Braut zu Christus zu bringen (Johannes 14,26).
Der zweite Vers stellt uns die Person vor, dessen Tätigkeit den größten Platz in der Geschichte einnimmt – der älteste Knecht des Hauses Abrahams. Es ist sehr passend, dass sein Name nicht erwähnt wird, denn er spricht von dem Heiligen Geist, der gekommen ist, nicht um von sich selbst zu reden, sondern um von den Dingen Christi zu nehmen und uns zu verkündigen.
Der Heilige Geist hat in dieser Welt viele unterschiedliche Tätigkeiten, aber in diesem Kapitel wird uns vorgestellt, wie der Heilige Geist die Braut findet, wie er die Zuneigungen in der Braut entfacht, indem er die Herrlichkeiten Christi entfaltet, und wie er schließlich diese Zuneigungen befriedigt, indem er die Braut zu Christus führt.
Die Anweisungen, die der Knecht von Abraham erhält, sind sehr bezeichnend und reich an Belehrungen für unsere Herzen.
1. Die Braut für Isaak muss zu Isaak passen und darf daher nicht von dem Töchtern der Kanaaniter genommen werden (1. Mose 24,3). Diese waren dem Gericht verfallen und deshalb gänzlich ungeeignet für Isaak. Das zeigt uns, dass das Handeln mit Rebekka nicht ein Bild von der Gnade Gottes ist, die Sündern Errettung bringt, sondern vielmehr von der Liebe Christi, die sich den Gläubigen zuwendet. Ginge es um die Darstellung der Gnade Gottes, die den ärgsten Sünder erreicht, dann wären es die Töchter Kanaans gewesen, zu denen der Knecht gesandt worden wäre, so wie Gott in den Evangelien eine Syrophönizierin – eine Tochter Kanaans – benutzt, um seine Gnade zu offenbaren.
2. Wenn die Braut für Isaak passend sein soll, muss sie aus der Verwandtschaft Isaaks kommen. Daher lautet die Anweisung an den Knecht: „In mein Land und zu meiner Verwandtschaft sollst du gehen und eine Frau nehmen meinem Sohn, dem Isaak“ (1. Mose 24,4). Wir haben bereits bemerkt, dass die, die zu Adam passte, „seinesgleichen“ sein musste; und um eine „seinesgleichen“ zu erlangen, musste Adam in einen „tiefen Schlaf“ fallen. Auch Isaak musste im Bild durch den Tod gehen – musste auf dem Berg Morija geopfert werden –, bevor er sich eine Braut aus Mesopotamien erwerben konnte. So musste auch Christus, auf den diese Vorbilder hinweisen, als das kostbare Weizenkorn in die Erde fallen und sterben oder für immer allein bleiben. Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt hat, wird er Samen sehen. Gerade der Tod, der dem Menschen alle Hoffnung auf Nachkommen nimmt, wird der Weg, auf dem sich Christus seinen Samen erwirbt. Und sein Same ist ihm gleich, aus seiner Verwandtschaft. Wie der Himmlische sind auch die Himmlischen. So sehen wir, dass die Braut Christi aus solchen besteht, die durch ein göttliches Werk für sie eine passende Herkunft haben und die durch das Werk Gottes in ihnen, das den Glauben an Christus hervorbringt, mit Christus in Beziehung stehen als seine Verwandtschaft. Als der Herr auf der Erde war, sagte er: „Meine Mutter und meine Brüder sind diese, die das Wort Gottes hören und tun“ (Lukas 8,21).
3. Abraham warnt den Knecht zweimal ernstlich davor, Isaak zurück nach Mesopotamien zu bringen (1. Mose 24,6.8). In diesem Kapitel ist Isaak das Vorbild auf einen himmlischen Christus, und daher wird sein Name nach der Opferung in 1. Mose 22 bis zum Ende von 1. Mose 24 nicht erwähnt. Wie Isaak nicht erneut mit Mesopotamien in Verbindung gebracht werden sollte, so gibt es auch keine Verbindung zwischen Christus und der Welt während der Zeit, in der er im Himmel ist und der Heilige Geist hier ist, um die Braut für einen himmlischen Christus herauszurufen. Ach, die Christenheit hat jeden Gedanken wahren Christentums so gründlich aufgegeben, dass ihr einziges großes Bestreben ist, Christus mit der Welt, die ihn hinausgeworfen hat, zu verbinden. Sie ignoriert, dass Christus der Stein ist, den die Bauleute dieser Welt verworfen haben, und versucht, Christus sozusagen zum Eckstein ihres irdischen, religiösen Systems zu machen. Sein Name wird verknüpft mit ihren großen religiösen Gebäuden, mit ihren Reformationsplänen, mit ihren Werken der Wohltätigkeit und mit ihren Regierungsformen. Kurz gesagt ist es das große Bemühen, Christus zurück in die Welt zu bringen und seinen Namen mit nicht erretteten und unbekehrten Menschen dieser Welt zu verbinden, in der Hoffnung, die Menschen reformieren zu können und aus dieser Welt, in der sie leben, einen schöneren und besseren Ort zu machen. Es ist kaum eine charakteristischere Raffinesse des Teufels vorstellbar als der Versuch der Welt, ihre Bosheit mit einer ehrbaren Fassade zu bedecken, indem sie sich den Namen dessen zu eigen macht, den sie verworfen und ans Kreuz genagelt hat.
Der unterwiesene Gläubige weiß jedoch sowohl durch die neutestamentlichen Belehrungen als auch durch die alttestamentlichen Bilder, dass der Heilige Geist nicht hier ist, um Christus in die Welt zurückzubringen, sondern um die Braut aus der Welt heraus zu Christus zu bringen. So lesen wir, dass „Gott zuerst die Nationen heimgesucht hat, um aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen“ (Apostelgeschichte 15,14).
Schließlich sagt Abraham: „Der HERR, der Gott des Himmels, … wird seinen Engel vor dir her senden“ (1. Mose 24,7). Der Engel würde in vorbereitender Weise den Weg für den Knecht ebnen, aber der Knecht würde sich persönlich um die Braut kümmern. „… dass du meinem Sohn von dort eine Frau nehmest” (1. Mose 24,7). Sowohl der Knecht als auch der Engel waren völlig damit beschäftigt, für Isaak eine Braut zu beschaffen. Wir wissen, welche bedeutende Rolle die Engel in kommenden Tagen bei der Ausführung des Gerichts in der Welt spielen werden, aber heute sind sie „ausgesandt zum Dienst um derer willen, die die Seligkeit ererben“ (Hebräer 1,14). Wie das Vorbild den Unterschied zwischen dem vorbereitenden Werk der Engel und dem persönlichen Werk des Geistes deutlich macht, so ist es in der Tat eingetroffen. Der Engel des Herrn leitete Philippus auf seinem Weg in die Wüste von Gaza, aber der Geist leitete Philippus in seinem persönlichen Dienst an dem Kämmerer (Apostelgeschichte 8,26.29).
In den Anweisungen Abrahams an seinen Knecht wird die große Mission des Heiligen Geistes in dieser Welt sehr deutlich. Er ist nicht hier, um den Christen geschäftliches Gedeihen zu geben oder uns zu reichen Menschen in dieser Welt zu machen oder aus dieser Welt einen für uns angenehmen Ort zu machen. Er ist nicht hier, um den Fluch wegzunehmen oder das Seufzen der Schöpfung zum Schweigen zu bringen. Er ist nicht hier, um die Wüste frohlocken und wie eine Narzisse aufblühen zu lassen. Er ist nicht hier, um Schmerzen, Tod, Trauer und Tränen wegzunehmen. Alles das wird Christus an einem zukünftigen Tag tun. Er ist auch nicht hier, um die Welt zu bekehren, wie einige denken. Er ist hier, um ein Volk zu finden, dass passend ist für Christus und zur Freude und Befriedigung seines Herzens.
In Übereinstimmung mit diesen Anweisungen sehen wir daher im Verlauf der Geschichte, dass der Knecht sich nicht in die Dinge einmischte, die in Mesopotamien vorherrschten. Er versuchte nicht, ihre Religion zu verändern oder die sozialen Bedingungen zu verbessern oder sich in die Regierung Mesopotamiens einzumischen. Seine einzige Aufgabe war, für Isaak eine Frau zu beschaffen. Wie viele Enttäuschungen würde sich das Volk Gottes ersparen, wenn es nur erkennen würde, was Gottes Vorsatz für die jetzige Zeit und was die besondere Mission des Heiligen Geistes in dieser Welt ist.
Gläubige sind oft von sich selbst enttäuscht. Sie wünschen, irgendein großes Werk für den Herrn zu tun, und stellen fest, dass ihnen nur ein stilles Werk in einem verborgenen Winkel übertragen wurde, und das entmutigt sie. Sie sind vielleicht auch sehr enttäuscht über die örtliche Gruppe von Gläubigen, mit denen sie den Weg gehen. Sie hatten gehofft, dass Gott große Mengen zum Glauben bringen würde und ihre kleine Gruppe zu einem bedeutenden Zentrum des Segens mit der öffentlichen Anerkennung des Herrn machen würde, und stattdessen erleben sie Schwachheit und Versagen und sind entmutigt. Vielleicht sind wir auch vom Volk Gottes im Allgemeinen enttäuscht. Wir hatten vielleicht den Traum, die zerstreuten Fragmente des Volkes Gottes wieder zusammenzubringen, um in Einheit und Liebe weiterzugehen, und sehen doch nur Zwietracht und fortschreitenden Zerfall und die Enttäuschung nimmt zu.
Vielleicht hat das Volk Gottes auch noch große Hoffnungen bezüglich der Missionsgebiete. Mit Tausenden von Missionaren, die in allen Teilen der Welt arbeiten, hofften sie, dass die Bollwerke des Heidentums, Buddhismus und Islams vor dem Licht des Christentums zusammenbrechen würden, und müssen nun feststellen, dass diese falschen Systeme davon wenig beeindruckt sind, und das enttäuscht sie.
Andere wiederum dachten, dass die Welt nach 19 Jahrhunderten des Lichts des Christentums moralisch besser wäre, und müssen stattdessen zugeben, dass die Gesellschaft nie so verdorben, die Gesetzlosigkeit nie so vorherrschend und die Unruhe nie so verbreitet war wie heute, und deshalb sind sie enttäuscht.
Wenn wir uns jedoch von unseren eigenen Gedanken lösen und uns zu Gottes Gedanken erheben, werden wir nicht enttäuscht sein. Unsere Erwartungen sind oft zu begrenzt, unsere Sicht zu eingeschränkt. Wir denken an die jetzige Zeit und sehen nur auf das Sichtbare. Lasst uns jedoch auf das große Ende sehen, auf das Gott hinwirkt, dass er aus dem Trümmerhaufen dieser Welt eine Braut herausholt, die passend ist für die Liebe Christi. Was für ein Gedanke, dass der Geist Gottes hier ist, um bräutliche Zuneigungen in den Herzen der Gläubigen zu erwecken, im Hinblick auf den Tag – den großen Tag – den Tag der Hochzeit des Lammes!
Mit diesem Ziel sendet der Vater den Geist. Mit diesem Ziel wirkt der Geist auf der Erde. Auf dieses Ziel wartet Christus im Himmel. Und sollten der Vater, der Sohn und der Heilige Geist dieses Ziel nicht erreichen? Können göttliche Personen enttäuscht sein? Unmöglich! Jeder Vorsatz Gottes wird seine herrliche Erfüllung finden. So werden auch wir nicht enttäuscht sein, wenn wir Gottes Gedanken kennen und Gottes großen Vorsatz im Blick behalten – die Hochzeit des Lammes.
2. Der Knecht führt seine Mission aus
Wenn wir uns dem zweiten Teil des Kapitels zuwenden (1. Mose 24,10–61), finden wir den zutiefst belehrenden Bericht über die Art und Weise, wie der Knecht seinen Auftrag ausführt. Er kommt für seinen Dienst gut ausgerüstet nach Mesopotamien: „Und allerlei Gut seines Herrn hatte er bei sich“ (1. Mose 24,10). Das erinnert uns daran, dass der Heilige Geist gekommen ist, um uns „alles“ zu lehren, uns „in die ganze Wahrheit“ zu leiten und uns „alles, was der Vater hat“, zu zeigen (Johannes 14,26; 16,13.15).
In Mesopotamien angekommen, führt der Knecht seinen Auftrag in Abhängigkeit von Gott aus, daher sehen wir ihn im Gebet. Sein Gebet zeigt, dass er durch und durch mit einem Gegenstand beschäftigt ist. Er betet nicht für sich selbst und auch nicht für „die Töchter der Leute der Stadt“, obwohl er sie erwähnt. Er bittet darum, dass er zu der Einen geführt wird, die für Isaak bestimmt ist. Es ist bemerkenswert, dass der Knecht nicht gekommen ist, um eine Braut aus den Töchtern der Leute der Stadt auszusuchen, die passend ist für Isaak. Er ist gekommen, um die zu finden, die für Isaak bestimmt ist. Und das Erkennungszeichen der für Isaak Bestimmten sollte sein, dass sie durch Gnade geprägt ist. Das ist mit Sicherheit der große Gedanke in diesem Gebet: „Möge es nun geschehen, dass das Mädchen, zu dem ich sagen werde: Neige doch deinen Krug, dass ich trinke und das sagen wird: Trinke, und auch deine Kamele will ich tränken, diejenige sei, die du für deinen Knecht, für Isaak, bestimmt hast“ (1. Mose 24,14). Er wird sie fragen, ob er aus ihrem Krug trinken darf, und wenn sie nicht nur seine Bitte erfüllt, sondern freiwillig mehr tut, als er erbeten hat, wird das ein Zeichen sein, dass sie durch die Gnade Gottes gekennzeichnet ist – dass Gott ein Werk in ihr tut und dass sie demnach mit Isaak verwandt ist. Denn Gnade tut mehr, als wir erbitten (Mt 5,38–42).
Und so geschah es. Rebekka – die Verwandte Isaaks – wird gefunden. Und nachdem der Knecht die bestimmte Braut gefunden hat, macht er sofort einen Unterschied zwischen ihr und allen anderen, indem er sie mit dem goldenen Ring und mit den Spangen schmückt. Die Hände und das Gesicht zeugen von dem Werk der Gnade (1. Mose 24,22).
3. Der Knecht wird empfangen
Das ist jedoch erst der Anfang des Wirkens des Knechtes. Über Isaak ist noch kein Wort gefallen. Ob über ihn gesprochen wird, hängt davon ab, wie man den Knecht empfängt. Wenn er willkommen geheißen wird, wird er von Isaak erzählen, aber er wird Rebekka seine Gesellschaft nicht aufzwingen. „Ist im Hause deines Vaters Raum für uns zu herbergen?“ (1. Mose 24,23).
Wie schön, dass Rebekkas Antwort erneut über die Frage des Knechtes hinausgeht. Er hatte nur nach „Raum“ gefragt; sie sagt, dass es sowohl Futter als auch Raum gibt (1. Mose 24,25). Auch Laban sagt zu dem Knecht: „Komm herein, Gesegneter des HERRN! Warum stehst du draußen?“ (1. Mose 24,32). Und so lesen wir, dass der Mann in das Haus kam.
Erkennen wir nicht in diesem Abschnitt den Grund für unsere mangelhaften Fortschritte in der Erkenntnis Christi und für unsere so oft erkaltenden Zuneigungen? Wir behindern und betrüben den, der allein die Kraft hat, unsere Herzen für die Liebe Christi zu erwärmen. Eine göttliche Person – der Sachwalter – ist vom Vater, von Christus, vom Himmel gekommen. Heißen wir ihn willkommen? Machen wir ihm „Raum“?
Wir tun gut daran, uns selbst zu fragen: „Ist noch Raum?“ Sind wir bereit, dem Heiligen Geist Raum zu machen? Das Fleisch und der Geist sind einander entgegengesetzt (Galater 5,17). Wir können nicht den Geist beherbergen, während wir dem Fleisch dienen. Dem Geist Raum zu machen und sich gleichzeitig um die Dinge des Fleisches zu kümmern, ist unmöglich. Sind wir bereit, den Genuss des Fleisches an den vergänglichen Dingen dieser Zeit abzulehnen, um dem Geist Raum zu machen, uns in die ewigen Dinge Gottes zu leiten? Treiben wir Vorsorge für das Fleisch zur Erfüllung seiner Lüste, oder treffen wir Vorkehrungen für den Geist und machen ihm Raum? Im Haus Bethuels wurden dem Knecht Abrahams „Raum“ und „Futter“ zur Verfügung gestellt, mit dem Ergebnis, dass der Knecht von Isaak sprechen kann, um die Zuneigungen Rebekkas für Isaak einzunehmen und um sie zu Isaak zu bringen.
Nachdem der Knecht ins Haus gekommen ist (1. Mose 24,32), zeugt er als Erstes von Isaak. Er offenbart die Gedanken seines Herrn über Isaak und nimmt dadurch von den Dingen Isaaks und verkündigt sie Rebekka. Er spricht von dem Reichtum seines Herrn und sagt dann, dass dieser ganze Reichtum Isaak gegeben wurde. „Und er hat ihm alles gegeben, was er hat“ (1. Mose 24,36). Und wir wissen nur zu gut, dass alle Dinge des Vaters Christus gegeben worden sind, wie der Herr selbst sagt: „Alles, was der Vater hat, ist mein“, und wie er dann in Bezug auf den Heiligen Geist hinzufügt, „dass er von dem Meinen empfängt und euch verkündigen wird“ (Johannes 16,15).
Wir fragen uns, wie das Zeugnis von Isaak wohl auf Rebekka gewirkt haben muss. Sorgte es bei ihr nur für eine bessere Kenntnis Isaaks? Das war ohne Zweifel ein Ergebnis, aber es bewirkte mehr, viel mehr, denn es weckte Liebe zu Isaak. Und nachdem die Liebe geweckt ist, zog der Knecht silbernes Geschmeide und goldenes Geschmeide und Kleider hervor und gab sie der Rebekka. Er schmückt sie mit den wunderschönen Dingen, die von Isaak kamen. So möchte der Geist auch mit uns handeln. Er entfaltet vor uns die Gedanken des Vaters über Christus; er nimmt von den Dingen Christi und verkündigt sie uns. So weckt er unsere Liebe zu Christus und schmückt uns dann mit den wunderschönen Dingen Christi. Er macht uns zu Zeugen von der erlösenden Liebe (silbernes Geschmeide), zu Zeugen von der göttlichen Gerechtigkeit (goldenes Geschmeide) und zu Zeugen von praktischer Heiligung (Kleider).
4. Der Knecht führt die Braut zu Isaak
Es folgt, im Bild, ein weiteres Handeln des Geistes. Der Knecht hat die Braut aus der Verwandtschaft Isaaks gefunden; er hat durch den Ring und die Spangen einen Unterschied zwischen ihr und allen anderen gemacht; er hat ihre Zuneigung zu Isaak geweckt; er hat sie mit den wunderschönen Dingen Isaaks geschmückt; jetzt wird er sie zu Isaak führen (1. Mose 24,54–60).
Der Knecht sagt: „Entlasst mich zu meinem Herrn!“ Er war nach Mesopotamien gekommen, um die Braut zu finden, und nachdem er sein Ziel erreicht hat, möchte er sich gerne aufmachen. Er war nicht gekommen, um sich in Mesopotamien aufzuhalten. Es war der Gedanke des Knechts, die Braut zu finden, den Ort zu verlassen und zu seinem Herrn zurückzukehren. Er wollte nicht die Braut finden und sie in ihrer alten Heimat ansiedeln, sondern er wollte die Braut finden und sie in eine neue Heimat führen. Und wie schön bewirkt er in Rebekka dieselbe Gesinnung. Ihn verlangt danach, sich aufzumachen, um Isaak zu erreichen, und dasselbe Verlangen bewirkt er im Herzen Rebekkas. Er will gehen, und sie wird willig gemacht, zu gehen. Ihre Verwandten können verstehen, dass der Knecht sich zu seinem Herrn aufmachen möchte, aber sie würden Rebekka gerne noch eine Weile zurückhalten – wenigstens zehn Tage. So rufen sie das Mädchen und befragen ihren Mund, aber nur um zu entdecken, wie vollständig der Knecht sein Werk in ihr ausgeführt hat und dass seine Gedanken jetzt auch ihre Gedanken geworden sind. Wenn ihn danach verlangte, zu gehen, dann war auch sie bereit zu gehen.
Wenn wir dem Heiligen Geist erlauben, auf seine Weise zu wirken – wenn wir ihn nicht behindern –, wird er unsere Gedanken in Übereinstimmung mit seinen Gedanken bringen, damit wir über Christus denken wie er; damit unsere Herzen von Dingen gelöst werden, die da sind, wo Christus nicht ist, und mit Christus verbunden werden, da, wo er ist.
Rebekka war keine mittellose Waise, sie hatte einen Vater und eine Mutter und eine Heimat in Mesopotamien mit der Aussicht auf Reichtum und Besitz in dem Land ihrer Geburt. Um alle diese Dinge genießen zu können, war es nicht nötig, ihr Geburtsland zu verlassen und sich einer Wüstenreise auszusetzen. Trotzdem verlässt sie alles. Sie vergisst ihr Volk und das Haus ihres Vaters und setzt sich einer Wüstenreise aus, um zu einer Person zu gelangen, die sie noch nie gesehen hat. Das ist die gewaltige Anziehungskraft einer Person, wenn der Glaube und die Zuneigung zu dieser Person geweckt worden sind.
In gleicher Weise ist auch der Heilige Geist gekommen, um unsere Herzen unter den fesselnden Einfluss der Liebe Christi zu bringen. Er ist hier, um von dem Seinen zu nehmen und uns zu verkündigen. Er ist hier, um uns in die Tiefen Gottes einzuführen – in Dinge, die „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen“ sind (1. Korinther 2,9). Er ist in der Lage, uns an dem inneren Menschen so zu stärken, dass „der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, indem ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid, damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus“ (Eph 3,17–19).
Er ist fähig und bereit, dieses alles zu tun. Wie kommt es, dass wir trotzdem so wenig in Zuneigung mit Christus verbunden und von den Dingen der Welt gelöst sind? Kann es nicht sein, dass wir ihn behindern? Die Worte des Knechtes: „Haltet mich nicht auf“, sollten daher eine gewaltige Ansprache für uns sein. Wir mögen sagen, dass wir diese Dinge nicht genießen können, wenn der Geist nicht in uns wirkt, und wir können das Wirken des Geistes nicht veranlassen. Das mag richtig sein; aber ach, wir können den Geist am Wirken hindern. Wir hängen an der Welt, an der Politik dieser Welt an der Religion dieser Welt, an den Vergnügungen dieser Welt und sind vielleicht so vertieft in diese Dinge – Land, Verwandtschaft und Vaterhaus –, dass wir den Heiligen Geist behindern.
Ob wir der Welt erlauben, zu behindern, oder nicht, liegt nicht an der Welt, sondern an uns selbst. Bruder und Mutter mögen versuchen, Rebekka zurückzuhalten. Das geben sie zu, indem sie sagen: „Lasst uns das Mädchen rufen und ihren Mund befragen.“ Wenn wir, wie Rebekka, antworten: Ich will gehen“, dann wird der Geist unsere Herzen so mächtig ergreifen, dass keine Macht und Anziehungskraft der Welt uns zurückhalten kann.
So geschah es, dass Rebekka sich aufmachte und dem Mann folgte. Sie unterstellte sich völlig der Leitung des Mannes, so dass der Knecht sie „nahm“ und „hinzog“ (o. seines Weges zog, KJV). Es war nicht ihr Weg, sondern sein Weg. Wir sind nicht immer bereit, den Weg des Geistes zu gehen. Es ist ein Weg, der völlig unvereinbar ist mit dem Willen des Fleisches. Es ist außerdem gut, zu beachten, dass der Leitung des Geistes zu folgen nicht bedeutet, irgendeinem „inneren Licht“ zu folgen. Wenn wir dem Geist folgen, gehen wir in Übereinstimmung mit dem Wort. Der Geist führt nicht vom Wort weg und auch nicht im Widerspruch zum Wort.
Das unmittelbare Ergebnis der Nachfolge Rebekkas hinter dem Mann war, dass sie sich auf einmal in der Wüste befand. Jetzt hatte sie weder das Haus Labans noch das Haus Isaaks. So geht es auch uns, wie jemand gesagt hat: „Wir haben weder die Erde, in der wir uns befinden, noch den Himmel, zu dem wir unterwegs sind.“ Rebekka hatte jedoch auf der 600 Kilometer langen Wüstenreise eine herrliche Aussicht vor sich, und sie hatte den Knecht bei sich, der ihr von den Dingen Isaaks erzählte. Und am Ende wartete die Person, die ihr Herz gewonnen hatte, darauf, sie in Empfang zu nehmen.
5. Isaak
Am Ende dieser schönen Geschichte, tritt Isaak selbst auf den Plan. Die ganze Wüstenzeit hindurch ist Isaak nicht in Erscheinung getreten, obwohl ihm das ganze Geschehen nicht gleichgültig ist. Er kommt vom Brunnen Lachai-Roi – ein Wort von tiefer Bedeutung, denn es heißt übersetzt „der Brunnen des Lebendigen, der sich schauen lässt (o. der mich gesehen hat)“ (1. Mose 16,14). Wie gut ist es, wenn man unterwegs ist, zu wissen, dass man am Ende der Reise den finden wird, dem sein Volk nicht gleichgültig war. Er sieht und lebt, ja, das Wort Gottes sagt, dass er „immerdar lebt“ (Hebräer 7,25).
Doch vor allem kam Isaak, um Rebekka zu begegnen, denn sie fragt: „Wer ist der Mann, der uns da auf dem Feld entgegenwandelt?“ (1. Mose 24,65). Wir sind auf der Reise zu der großen Begegnung, doch lasst uns nicht vergessen, dass er kommt, um uns zu begegnen. Das Bild stellt Isaak als einen vor, der auf seine Braut wartet und sie haben will. Unser Verlangen nach Christus mag oft schwach sein, aber sein Verlangen ist nach seiner Braut. Er sagt: „Wenn ich hingehe …, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen“ (Johannes 14,3).
Und die Zeit der Begegnung ist nicht mehr weit entfernt. Als Rebekka schließlich ihre Augen aufhob, warf sie sich vom Kamel herab, denn die Reise war zu Ende. Und wenn wir Christus schließlich von Angesicht zu Angesicht sehen werden, wird auch unsere Reise zu Ende sein. Und es wird nicht mehr lange dauern, die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe. Wenn der Moment kommt, wird unsere Entrückung nicht lange dauern; in einem Nu, in einem Augenblick werden wir dort sein.
Nach der Begegnung nahm Rebekka den Schleier und verhüllte sich. Die Braut bereitete sich und dann folgte die Hochzeit, denn „Isaak nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er hatte sie lieb“ (1. Mose 24,67). Auch von uns lesen wir, nachdem unsere Wüstenreise beendet ist, nach der großen Begegnung, wenn wir Christus zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht sehen – wenn Er uns zu sich nimmt: „Die Hochzeit des Lammes ist gekommen und seine Frau hat sich bereitet“ (Offenbarung 19,7). Die Versammlung wird dem Christus verherrlicht dargestellt, „die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen“ hat, sondern „heilig und untadelig“ ist (Epheser 5,27). Dann wird sich endlich zeigen, dass Christus einen Gegenstand gefunden hat, der seiner Liebe würdig ist, der seine Liebe beantwortet, und Er wird befriedigt sein. Er wird seine Braut betrachten und sagen: „Ich bin befriedigt.“ – „Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen“ (Jesaja 53,11).
Wie muss aller Glanz dieser Welt verbleichen, wie trübe müssen alle schönen Aussichten und wie armselig alle Reichtümer dieser Welt werden, wenn sich dieser herrliche Ausblick unseren Blicken eröffnet. Wie eitel werden die vergänglichen Freuden dieser Welt und wie leer ihre Ehrenbezeigungen im Licht dieser kommenden Herrlichkeiten.
[Übersetzt von Marco Leßmann]