In diesem Abschnitt sind die verschiedenen „Rechte“ oder Anordnungen enthalten, die Gott gab, um sein Volk in ihren vielfältigen Beziehungen zu leiten. Es wird nicht nötig sein, auf jede Einzelheit einzugehen, obwohl die Bedeutung und das Gewicht jeder Kategorie angedeutet werden soll. Sie geben einen bemerkenswerten Einblick auf die Fürsorge Gottes im Blick auf alles das, was den Wandel und Wege seines Volkes betraf. Und wenn auch Strafen auf den Bruch dieser verschiedenen Gebote folgen sollten, ist dies nur in völliger Übereinstimmung mit der Haushaltung, die gerade angebrochen war.

Die erste Anordnung bezieht sich auf den hebräischen Knecht:

Wenn du einen hebräischen Knecht kaufst, soll er sechs Jahre dienen, und im siebten soll er frei ausgehen, umsonst. Wenn er allein gekommen ist, soll er allein ausgehen; wenn er der Ehemann einer Frau war, soll seine Frau mit ihm ausgehen. Wenn sein Herr ihm eine Frau gegeben und sie ihm Söhne oder Töchter geboren hat, so sollen die Frau und ihre Kinder ihrem Herrn gehören, und er soll allein ausgehen. Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen, so soll sein Herr ihn vor die Richter bringen und ihn an die Tür oder an den Pfosten stellen, und sein Herr soll ihm das Ohr mit einem Pfriem durchbohren; und er soll ihm dienen auf ewig. (2. Mo 21,2–6)

In diesem hebräischen Knecht haben wir ein wunderschönes und genaues Vorbild von Christus. Den Punkt, den wir beachten sollten ist der, dass er, nachdem er sechs Jahre gedient hatte, „frei ausgehen“ sollte, „umsonst“. Wenn ihm sein Herr in dieser Zeit seiner Knechtschaft allerdings eine Frau gegeben hatte und wenn ihm Söhne oder Töchter geboren worden waren, sollten seine Frau und Kinder seinem Herrn gehören – er sollte allein ausgehen. Der einzige Weg, durch den er seine Frau und Familie behalten konnte, war der, für immer ein Knecht zu bleiben. Hierin die vorbildliche Bedeutung auf Christus zu sehen, ist höchst interessant. Er nahm Knechtsgestalt an (Phil 2,5); er kam, um den Willen Gottes zu tun (Heb 10,7), nicht um seinen eigenen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hatte (Joh 6,38). Er diente während seiner ihm bestimmten Zeit in vollkommener Weise und hätte deshalb das Recht gehabt, frei auszugehen. So konnte er einmal zu Petrus sagen: „Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte und er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde? Wie sollten denn die Schriften erfüllt werden, dass es so geschehen muss?“ (Mt 26,53.54). Es gab keine Notwendigkeit, soweit es ihn selbst betraf, ans Kreuz zu gehen; keinen Anlass außer dem Drang seines Herzens und seinem Wunsch, Gott zu verherrlichen und seine Braut zu erwerben, diese eine sehr kostbare Perle (Mt 13,46).

Warum nahm er es dann hin, an dieses schmachvolle Kreuz genagelt zu werden? Wie ein Schaf zum Scherer  geführt zu werden? Sowohl von Gottes als auch von der Seite des Menschen her war er frei. Niemand konnte ihn einer Sünde überführen (Joh 8,46). So stand er da – absolut frei (unschuldig). Und wir fragen uns wieder: Warum ging er nicht frei aus? Weil er, dürfen wir antworten, seinen Herrn, seine Frau und seine Kinder liebte und deshalb für immer ein Knecht wurde. Sein „Herr“ nahm in seiner Seele stets den ersten Platz ein, und er brannte mit einem heiligen Begehren, ihn hier auf der Erde zu verherrlichen, das Werk zu vollbringen, was der Vater ihm gegeben hatte. Er liebte seine Frau – die Kirche – und gab sich selbst für sie hin (Eph 5,2); und was seine Kinder (die Seinen, individuell gesehen) betrifft, war er mit denselben unveränderlichen Fesseln der Zuneigung gebunden, und er wollte folglich nicht frei ausgehen, sondern stellte sich vor seinen Herrn, um ihm für immer zu dienen. So wurde ihm das Ohr durchbohrt, was das Zeichen des Dienstes ist (vgl. Ps 40,7 mit Heb 10,5), als Symbol seiner nunmehr bleibenden Stellung. Infolgedessen wird er nie mehr aufhören, ein Knecht zu sein. Er dient seinem Volk jetzt zur Rechten Gottes (vgl. Joh 13) und er wird sie in der Herrlichkeit selbst bedienen, denn in Lukas 12,37 lesen wir: „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen.“

Dieses Bild verbindet deswegen den niedrigen Dienst Christi auf der Erde mit dem Dienst, den er jetzt, wo er verherrlicht ist, zur Rechten Gottes ausübt und bis in alle Ewigkeit für sein Volk ausüben wird. Gleichzeitig zeigt sich so die einzigartige Gnade und unvorstellbare Liebe seines Herzens, die ihn bewegte, diese Stellung anzunehmen und beizubehalten. Und wie wunderbar ist es, wenn wir sehen, dass die Kirche seine Zuneigungen mit seinem „Herrn“ einmal teilen wird. „Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen.“ Gelobter Herr, du hast auf diese Weise, durch die Macht deiner Liebe, die Deinen für immer mit deinem Gott und dir selbst verbunden!

[Übersetzt von Stephan Keune aus einer hervorragenden Auslegung über das zweite Buch Mose von Edward Dennett: Typical Teachings of Exodus. Diese Auslegung ist beim CSV in Hückeswagen erhältlich, http://www.csv-verlag.de/.]