Das neue Leben

„Und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir.“ Dies ist wieder eine Tatsache, die das gesegnete Teil jedes Gläubigen ist. Das neue Leben ist keine Errungenschaft; „und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (1. Joh 5,11–12). Wäre es eine Errungenschaft, dann wäre es keine Gabe; und die Gabe wird denen verliehen, die überhaupt nichts verdient haben, die aber mit Christus gekreuzigt sind. Gott stellt uns also mit einem aus Seiner Sicht gestorbenen Ich vor, und mit Christus lebend in uns.

Nun, was ist denn das, was in einer göttlichen Weise in der Person des Gläubigen lebt? Wir lesen doch: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich.“ Zieht dieses von Gott gegebene Leben jetzt in unsere alte, gefallene Natur ein? Kommt das „Ich“ wieder hervor und wird von Christus unterstützt? Ist das neue Leben eine christianisierte, modernisierte, gefallene Natur? Ach, wie sorgfältig schließt das Evangelium das „Ich“ aus! Wenn es nicht so wäre, stünde das „Ich“ mit neuen Kleidern bekleidet erhobenen Hauptes, genauso energisch und mit noch mehr Selbstvertrauen als vorher da. Denn welche Art von „Ich“ ist schwieriger von ihrem völligen Tot-Sein in den Augen Gottes zu überzeugen als das religiöse „Ich“? Was aber ist dann das neue Leben? „Ich lebe, doch nicht ich“, nicht das „Ich“, meine gefallene Natur, die mit Christus gekreuzigt war und ist, „sondern Christus lebt in mir“ – Christus, der die Sünden seines Volkes für immer hinter seinen Rücken geworfen hat – Christus, der tot war, aber jetzt lebt, lebt in dem Gläubigen.

Christus und „Ich“ stehen hier einander gegenüber. Die heiligen Wünsche, die geistlichen Triebe, das, was sich nach Gott ausstreckt, der Friede und die Freude in der Gegenwart Gottes, alles, was sich als göttliches Leben in dem Gläubigen zeigt, ist Christus in mir, nicht das „Ich“.

Außerdem ist es für einen Gläubigen genauso wahr, dass Christus in ihm lebt, wie es wahr ist, dass seine eigene Natur in den Augen Gottes eine tote Sache ist. Er soll nicht an sich oder in sich nach Hilfsquellen suchen, sondern sich selbst Gott darstellen als Lebender aus den Toten (Röm 6,13).

Wir bitten unseren Leser nochmals, nicht zu vergessen, dass das, wovon wir bis jetzt gesprochen haben, keine eigenen Errungenschaften sind. Das Ich ist richterlich beseitigt im Kreuz Christi, und wir glauben, lebt Christus in uns. Das ist das Teil jedes Kindes Gottes, ob es das bewusst genießt oder nicht. Jemand mag ein Vermögen geerbt haben, und sich trotzdem, weil er davon nichts weiß, als mittellos bezeichnen. Tausende Kinder Gottes besitzen den ganzen Reichtum des Evangeliums und jammern und zweifeln doch, ob sie am Ende über haupt Chrisen sind, und sie werden weiterjammern, bis sie Gott glauben.