Seine Selbstlosigkeit, Langmut und Vergebungsbereitschaft

Bewundernd dürfen wir auch sehen, wie selbstlos der Herr durch diese Stunden ging. Bei allen Leiden, die ihm aus der Hand von Menschen und eines heiligen Gottes bevorstanden, hätte er da nicht allen Grund gehabt, allein mit sich selbst beschäftigt zu sein? Zweifellos handeln wir Menschen bei weit geringeren Leiden oft sehr egoistisch. Doch nicht so unser Herr. Selbst dann, als alles dunkler und feindlicher um ihn her wurde, auch, als alle ihn verlassen hatten und er einsam dastand, blieb er um andere besorgt.

Da waren seine Jünger, die er auf das Kommende vorbereitete (Joh 13 – 16). Da war ein Petrus, für den er gebetet hatte und an den er sich warnend wendet (Lk 22,31.32). Selbst ein Judas, der im Begriff stand, ihn mit einem Kuss zu verraten, wird mit einem „Freund, wozu bist du gekommen“ (Mt 26,50) angesprochen. Noch einmal stellt sich der Herr schützend vor seine Jünger.

Wenn die Schar, die gekommen war, um ihn gefangen zu nehmen, ihn suchte, so sollten sie seine Jünger gehen lassen (Joh 18,9). Auch Malchus, jener Knecht des Hohenpriesters, der gekommen war, um den Herrn gefangen zunehmen, und der wahrscheinlich in erster Reihe stand, durfte die heilende Macht des Heilandes noch erfahren.

Bereits im Haus des Hohenpriesters, als man ihn verhörte, verspottet und schlug, gelten noch einmal seine liebenden Bemühungen seinem Jünger. Im Garten Gethsemane hatte Petrus geschlafen, anstatt zu wachen. Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach, hatte der Herr gewarnt. Die Versuchung würde kommen, da war Abhängigkeit notwendig. Dann, als der Herr verhaftet wurde, war Petrus aktiv geworden, wo er sich hätte passiv verhalten sollen. Und jetzt im Haus des Hohenpriesters hatte er seinen Herrn drei Mal verleugnet. Doch die Liebe des Herrn lässt seinen Jünger nicht los! Sein Jünger sollte wiederhergestellt werden und dazu sollte jetzt der erste Schritt erfolgen. „Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an; … Und er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Lk 22,61).

Dann war da noch der Kriminelle, der Ungerechte, der das gerechte Gericht Gottes erfuhr, der von dem Gerechten die Worte hören durfte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Was für Worte in den letzten Minuten seines Lebens! Auch seine Mutter und Johannes dürfen noch seine Liebe erfahren.

Und schließlich, wer könnte das erfassen, vergebende Worte für seine Peiniger: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“ (Lk 23,34). Für die, die gerade dem ganzen Hass ihres Herzens freien Lauf gelassen hatten und den Herrn unbarmherzig gequält hatten, bittet der Heiland nun um Vergebung.

Die Liebe ist langmütig, ist gütig; … sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu“ (1. Kor 13,4.5).

(Fortsetzung folgt)