„Und was soll ich noch sagen? Denn die Zeit würde mir fehlen, wenn ich erzählen wollte von Gideon und Barak und Simson und Jephta, und David und Samuel und den Propheten“ (Hebräer 11,32).

Dieser Vers ist sehr interessant, weil man sich die Frage stellen kann, warum von den vielen Richtern ausgerechnet diese in diesem „Verzeichnis der Glaubenshelden“erwähnt werden. Der Grund kann darin gesehen werden, dass von diesen Richtern auch Defizite genannt werden. Bei Barak Kleinglauben, bei Gideon, Simson und Jephta verschiedene Sünden. Daher gibt Gott ihnen hier nochmal einen extra Ehrenplatz.

Ich möchte etwas zu Gideon, Jephta und Simson schreiben, weil uns von diesen Richtern einiges über ihre Herkunft, Erziehung und ihr Umfeld berichtet wird. Diese führten bei allen zu verschiedenen Defiziten und Stärken. Dies soll keine Hobbypsychologie anhand der Bibel sein. Aber auch für Christen ist es durchaus sinnvoll, sich die Fragen zu stellen: Wer bin ich? Was ist mein Charakter? Was ist meine soziale Herkunft und was für Angriffspunkte ergeben sich daraus für den Teufel und das Fleisch? In diesem Sinn wird es hier mehr um die negativen Punkte dieser Richter gehen; daher zunächst der Hinweis auf den Vers in Hebräer und die Frage an uns: Würde Gott uns als „Glaubenshelden“ nennen können?

Gideon (Richter 68)

Gideon hatte eine sehr gute Selbstreflexion. Er wusste, dass sein Tausend das ärmste in Manasse war und er der Jüngste. Er war keiner von den Menschen, die sich für die „Größten“ halten, während die Umwelt sieht, dass es eigentlich „Otto-Normal-Verbraucher“ sind. Er selbst war schon junger Vater bei seiner Berufung und glaubte an Gott, obwohl sein eigener Vater ein führender Götzenanbeter (Baal und Aschera) war. Der Charakter Gideons wird als eher ängstlich beschrieben, was er auch nicht leugnete.

Als es nach der Schlacht gegen Midian mit dem Stamm Ephraim zum Streit kam, sagte er: Was habe ich getan im Vergleich zu euch? Gideon hatte gelernt zu vergleichen und konnte akzeptieren, dass er der Jüngste und aus dem ärmsten Tausend seines Stammes kam. So konnte er auch hier durch Demut einen folgenschweren Streit abwenden. Akzeptieren wir, wenn wir nicht so intelligent sind wie andere, nicht die gleichen geistlichen Gaben oder weniger Geld und beruflichen Status haben? Und können wir unsere Erfolge so im Hintergrund halten, dass für weniger Erfolgreiche oder auch Neider eine möglichst kleine Plattform übrigbleibt, um Streit anzuzetteln? Können wir unsere Defizite, wie z.B. Angst, vor Gott und auch Menschen zugeben, oder spielen wir etwas vor, was wir gar nicht sind? Hier können wir von Gideon lernen.

Als Gideon die Herrschaft über Israel angeboten wird, lehnt er diese ab und verweist auf Gott als alleinigen Herrscher. Dennoch hat sich langsam bei ihm etwas Hochmut eingeschlichen. Als seine Brüder von den feindlichen Königen als Königssöhne beschrieben werden, widerspricht Gideon nicht. Später sammelt er das Gold der Feinde ein und macht daraus ein Ephod, was ihn und sein Haus wohl schließlich zu Götzendienern werden ließ.

Auch ließ er, der selber ängstlich war, seinem Sohn eine Aufgabe – nämlich „Töten der Feinde“ – zukommen, für die dieser noch nicht die Reife hatte. So kann es auch sein, dass ältere Christen sich nicht mehr daran erinnern, wie sie sich als Jüngere gefühlt haben, als sie Verantwortung übernehmen sollten. Es kann z.B. wichtig sein, dass in einer Versammlungsstunde oder während einer Konferenz längere Pausen da sind, damit sich auch jüngere Brüder prüfen können, ob sie etwas beitragen sollen. Diese Pausen werden aber nur eintreten, wenn sich die Älteren daran erinnern, dass auch sie in jungen Jahren vielleicht länger gewartet haben, bevor sie sich sicher waren, etwas zu sagen. Auch kann es sein, dass wir junge, eher schüchterne Geschwister zum Büchertisch „überreden“, sich diese jedoch mit dieser Aufgabe, mit Kontakt zu fremden Menschen, total unwohl oder überfordert fühlen.

Doch zurück zum Ephod. Wir können nur vermuten, warum Gideon es errichten ließ. Ein Grund könnte sein, dass er Angst hatte, wieder in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Mit dem Ephod hatte er immer einen sichtbaren Beweis für seine Taten und konnte entsprechend Ansprüche erheben. Auch die vielen Frauen, Nebenfrauen und siebzig Söhne zeigen, dass er offensichtlich nun das Defizit, aus dem ärmsten Tausend zu sein, korrigieren wollte. Sein geringer Status und seine Furchtsamkeit wurden damit kompensiert. Des Weiteren bediente er sich der Methode seines Vaters, sich mit einem Götzenbild (selbst wenn erst gar nicht als solches geplant) auch gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Gott konnte dies nicht hinnehmen und so starben nach Gideons Tod seine Söhne (bis auf einen) alle an einem Tag.

Der Teufel kann keine Gedanken lesen, aber er ist listig und kennt unsere Defizite und wunden Punkte ziemlich genau. Daher ist es manchmal wichtig, sich mit den Defiziten, die wir haben, auseinanderzusetzen und diese Gott zu sagen. Gott kann uns dann davor schützen, diese auf menschliche Weise zu kompensieren. Er kann uns aber auch davor schützen, aufgrund der Defizite depressiv zu werden und gar nichts mehr zu machen. Er kann Defizite in Stärke umwandeln. Paulus lernte in seinem Leben: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark!“