Die Braut im Ratschluss Gottes (1. Mose 2)

Der Abschnitt in Epheser 5, den wir betrachtet haben, endet mit einem Zitat aus 1. Mose 2, wo wir, nachdem Eva gebildet und Adam vorgestellt worden war, Folgendes lesen: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein.“ Der Apostel fügt dem Zitat in Epheser 5 sofort hinzu: „Dieses Geheimnis ist groß; ich aber sage es in Bezug auf Christus und auf die Versammlung“ (Epheser 5,31.32). Das berechtigt uns, zu sagen, dass wir in Adam und Eva ein schönes Vorbild auf Christus und seine Versammlung haben.

Im Garten Eden mit seiner göttlich geordneten Gestaltung lernen wir nicht nur das kennen, was im Herzen Gottes für den Menschen ist, sondern auch, was im Herzen Gottes für Christus ist. Adam war nicht der Mensch des Ratschlusses Gottes; er war nur ein Bild von dem, der kommen würde. Wir mögen fragen, warum diese Erde mit allen ihren Schöpfungswundern erschaffen wurde. Jetzt, da uns das Geheimnis von Christus und seiner Versammlung offenbart worden ist, kennen wir die Antwort Gottes, und im Vorbild sehen wir, dass seine Antwort gegeben wurde, sobald die Schöpfung vollendet war und bevor die Sünde in die Welt kam. Gottes Antwort ist Christus und die Befriedigung seines Herzens.

Es ist wahr, dass die Versammlung schon vor Grundlegung der Welt im Ratschluss Gottes war, denn der Gedanke der Versammlung führt uns zurück zu dem ewigen Vorsatz Gottes und bringt uns hinauf bis in die Ewigkeit. Die Versammlung gehört zur Ewigkeit, auch wenn Zeit und Schöpfung benutzt werden, um sie ins Dasein zu bringen. Die Versammlung ist kein nachträglicher Gedanke Gottes. Zeitlich kam die Schöpfung zuerst, aber im Ratschluss Gottes war zuerst die Versammlung, wie wir mit Sicherheit aus Epheser 3 entnehmen können, wo wir lesen, dass er „alle Dinge geschaffen hat; damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes, nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Epheser 3,9–11). Nachdem die Versammlung gebildet worden ist, werden die „jetzigen Himmel und die Erde“ zu gegebener Zeit vergehen, aber die Versammlung wird bleiben –  zur Herrlichkeit Gottes und zur Befriedigung der Liebe Christi für immer und ewig.

Wenn wir jedoch Christus und die Versammlung in einem Vorbild vor uns haben, müssen wir beachten, dass Eva die Versammlung als Braut Christi darstellt. Es gibt, wie wir gesehen haben, andere Aspekte der Versammlung, doch dieses ist unseres Erachtens der höchste Gedanke der Versammlung, der dem Herzen Gottes am nächsten und dem Herzen Christi am wertvollsten ist, denn darin erkennen wir, dass es Gottes Absicht war, Christus einen Gegenstand zu erwerben, der vollkommen würdig ist für seine Liebe. In der Versammlung als Braut sehen wir nicht nur eine Gesellschaft von Leuten, die in Christus den Gegenstand finden, der ihre Herzen befriedigt, sondern eine Gesellschaft von Leuten, die zu einem würdigen Gegenstand für die Liebe Christi werden. Das ist das Wunder und das ist die Schönheit der Versammlung, wenn sie als Braut Christi gesehen wird. Es ist kein Wunder, dass die Versammlung in Christus einen Gegenstand der Liebe findet, aber dass in der Versammlung ein Gegenstand gefunden wurde, der vollkommen würdig ist, von Christus geliebt zu werden, ist in der Tat ein großes Wunder.

Mit diesem herrlichen Gedanken beginnt Gott sein Buch und mit diesem herrlichen Gedanken schließt er es. Gott gibt nie auf, was er einmal begonnen hat. Das erste Buch Mose beginnt mit diesem Gedanken seines Herzens; und obwohl Sünde und Tod die Schöpfung Gottes beeinträchtigen und obwohl das Bild in der langen und traurigen Geschichte des Versagens des Menschen und des Ruins der Versammlung unter Verantwortung verwischt und sogar aus dem Auge verloren wurde, kommt dieser herrliche Gedanke Gottes doch schließlich wieder ans Licht, und am Ende des Buches dürfen wir noch einmal Jesus sehen, der sich an seiner Braut erfreut, und die Braut, die auf Jesus wartet.

Wenn wir uns nun kurz das Bild in 1. Mose 2 ansehen, finden wir am Anfang des Kapitels eine Beschreibung des Gartens der Wonne, den Gott dem Menschen zur Verfügung stellt. Eden bedeutet „Wonne“. Es ist Gottes Freude, für die Wonne seiner Schöpfung zu sorgen. So sehen wir, dass in dem Garten „allerlei Bäume wachsen, lieblich anzusehen“, um allen Dingen Schönheit zu verleihen, und dass jeder Baum „gut zur Speise“ ist, um den Bedürfnissen des Menschen zu begegnen; es gibt dort den Baum des Lebens, der die Fähigkeit verleiht, den Ort zu genießen; und es gibt dort den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen mit seinem Verbot, damit der ganze Garten in Beziehung mit Gott genossen werden kann, einer Beziehung, die durch Gehorsam Gott gegenüber ausgedrückt wird.

Nachdem dieser schöne Ort gebildet ist, wird der Mann in den Garten gestellt, damit er ihn bebaue und bewahre. Doch so schön dieser Ort auch ist, er ermangelt doch der Vollkommenheit, weil der Mensch allein ist. Seine Umgebung war vollkommen, er hatte eine hervorragende Stellung, er stand weit über der niedrigeren Schöpfung – aber er war allein, und es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Dort gab es alles, was sein Auge erfreute, es war alles vorhanden, um das Leben zu erhalten; selbst die Fähigkeit, seine Umgebung zu genießen, war da; aber nirgends in diesem Ort der Schönheit und Fülle gab es etwas, was sein Herz befriedigen konnte, denn es gab dort nichts, vom Höchsten bis zum Geringsten, was die Liebe seines Herzens hätte beantworten können. Der Mensch war allein.

Doch vor unseren Herzen erhebt sich ein anderer Ort; ein Ort, von dem dies alles nur ein schönes Vorbild ist; ein Ort, wo Sünde niemals eingehen kann. Der Garten war in sich vollkommen, und doch war es einem Feind möglich, dort einzudringen, und wir wissen, wie schnell er eintrat und Sünde und Tod und Ruin in diesen Garten der Wonne brachte. Doch das Haus, das der Garten vorschattet, ist nicht nur ein Ort unendlicher Vollkommenheit und ewiger Freude, sondern ein Ort, wo „der Betrüger keinen Zutritt hat und den sündbeschmutzte Füße nie betreten haben“[1] – ein Ort, an dem es keinen Tod, keine Trauer, kein Geschrei und keinen Schmerz mehr geben wird. Diese Dinge sind dort nicht und werden auch nie dort eingehen, denn sie sind vergangen. Aber Jesus ist dort, der Sohn des Menschen wird in diesem Reich der Herrlichkeit der Höchste sein, und können wir nicht sagen, dass er diesen Ort auch bebauen und bewahren wird? Denn jede Zierde dieses Ortes und seine ewige Sicherheit werden das Ergebnis seines eigenen Werkes sein.

Doch wenn er dort allein wäre, wäre sein Herz dann befriedigt? Würden wir befriedigt sein, wenn wir uns an einem Ort unendlicher Vollkommenheit und unendlicher Heiligkeit befänden und Jesus nicht da wäre? Und wird er befriedigt sein, wenn wir nicht da sind? Ein Ort unendlicher Vollkommenheit würde das Herz nicht befriedigen; wir brauchen einen Gegenstand für unsere Herzen, und braucht nicht auch er einen Gegenstand für sein Herz? Aber wie kann dieser Gegenstand erlangt werden? Das lernen wir im Vorbild, wenn wir sehen, wie Gott Adam eine Hilfe machte.

Zuerst lernen wir, dass die, die seine Hilfe sein soll, sein „Ebenbild” oder „seinesgleichen“ sein muss, wie wir das in 1. Mose 2,18 lesen. Die Eine, die das Herz Adams befriedigen soll, muss „seinesgleichen“ sein, muss die gleichen Gedanken und Zuneigungen haben und fähig sein, seine Liebe zu beantworten. Denn Liebe kann nur befriedigt sein, wenn sie einen Gegenstand hat, der die Liebe beantwortet.

Die niedrigere Schöpfung wird zu Adam gebracht. Er gibt jedem einen Namen – keinen Fantasienamen, denn in der Schrift bezeichnet der Name die charakteristischen Merkmale dessen, der benannt wird. In der Namensgebung für die Tiere sehen wir daher, dass Adam eine vollkommene Kenntnis der Tiere hatte. Doch diese völlige Kenntnis reicht doch nicht aus, eine zu finden, die „seinesgleichen“ ist. In der ganzen niedrigen Schöpfung gab es nichts, was seine Gedanken teilen konnte, was fühlte, wie er fühlte, und seine Liebe beantwortete. Er stand auf einer unermesslich weit höheren Ebene als die Tierschöpfung.

Um ihm eine „seinesgleichen” zu machen, musste Gott erneut eingreifen. Und in diesem erneuten Werk können drei Dinge klar gesehen werden.

  1. Erstens wurde Eva von Adam genommen.
  2. Zweitens wurde Eva für Adam gebildet.
  3. Und drittens wurde Eva dem Adam vorgestellt.

Hier haben wir also im Bild die drei großen Wahrheiten, die in Epheser 5 vor uns standen:

  1. Erstens musste Eva aus Adam genommen werden, wenn sie seinesgleichen sein sollte. Deshalb der tiefe Schlaf, in dem die Rippe von Adam genommen wurde, um daraus die Frau zu bilden. Wenn Christus eine Braut haben soll – eine, die seinesgleichen ist, die seine Liebe beantworten kann –, muss diese Braut auch von ihm selbst sein. Er muss in den tiefen Schlaf des Todes gehen oder für immer allein bleiben. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein“ (Johannes 12,24). „Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen“ (Jesaja 53,10). Sein „Same“, der ihm gleich sein muss, ist die Frucht seines Todes, und hinter seinem Tod stand Liebe, denn wir lesen, dass „der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Epheser 5,25).
  2. Des Weiteren lesen wir, dass Gott, nachdem er die Rippe des Menschen genommen hatte, „aus der Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, eine Frau“ bildete. Ist das nicht in Verbindung mit der Versammlung das Werk, das der Geist gegenwärtig ausführt? Wenn durch den Tod Christi die Braut – eine seinesgleichen – erworben wurde, werden jetzt unsere Zuneigungen durch den Geist mit Christus beschäftigt, mit dem Ergebnis, dass Christus uns heiligt und reinigt durch die Waschung mit Wasser durch das Wort. Unsere Herzen werden mit Macht von der Liebe Christi angezogen. Es entstehen bräutliche Zuneigungen mit dem Ergebnis, dass wir in Liebe für ihn abgesondert werden und von allem gereinigt werden, was nicht zu einer echten und keuschen Braut passt.
  3. Zuletzt sehen wir die Vorstellung der Braut. Eva wird zu Adam gebracht. Und Adam sagt: „Diese ist [im Gegensatz zu den Tieren, die zu ihm gebracht wurden] einmal Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch; diese soll Männin heißen, denn vom Mann ist diese genommen“ (1. Mose 2,23). Endlich findet Adam eine „seinesgleichen“. So kommt auch der Tag, an dem die Versammlung dem Christus verherrlicht dargestellt wird, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen hat, sondern heilig und tadellos ist. Sie wird von ihm selbst sein und deshalb auch seinesgleichen sein. Sie wird in Liebe gebildet durch die heiligende und reinigende Wirkung des Wortes und daher fähig sein, seine Liebe zu beantworten. In alle Ewigkeit wird Christus seine Braut haben, die ihm gleich ist, die denkt, wie er denkt, fühlt, wie er fühlt, liebt, wie er liebt, und deshalb vollkommen würdig ist, der Gegenstand seiner Liebe zu sein. Dann wird Christus endlich befriedigt sein. Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen.

[Übersetzt von Marco Leßmann]


[1] Es handelt sich um ein Zitat aus dem englischen Lied „Where thy saints in glory thronging“ (JND, Spiritual Songs, No. 387).