Kapitel 2

Durch die ersten beiden Kapitel dieses Briefes laufen eigentlich zwei große Gedanken. Der erste Gedanke ist, wie die Thessalonicher das Wort aufgenommen haben, und Paulus greift diesen Gedanken dann in Kap 2,13 noch einmal auf. Der zweite Gedanke ist die Tatsache, wie die Diener bei den Thessalonichern gearbeitet und gewirkt haben. Andeutungsweise haben wir das in Kap 1,5+9 schon gesehen, und in den ersten zwölf Versen dieses Kapitels wird das nun aufgegriffen und vertieft.

Wir sind keine Apostel sondern nur einfache Diener des Herrn, und doch können wir von dem, was der Apostel hier über ihren Eingang bei den Thessalonichern schreibt, auch für uns und für unseren Dienst etwas lernen. Diese zwölf Verse zeigen zwei Bereiche, in denen dieser Eingang stattfand. Das eine war die Verkündigung des Evangeliums mit dem Ergebnis, dass Menschen sich bekehrt hatten; das andere war der Dienst an solchen, die sich bekehrt hatten, Dienst an Gläubigen. Und der Apostel zeigt in diesen Versen anhand von mehreren Kennzeichen, wie ihr Dienst nicht gewesen ist; und ab Vers 7 zeigt er die beiden positiven Kennzeichen ihres Dienstes, der mit einer nährenden Frau verglichen wird und mit einem ermahnenden und tröstenden und bezeugenden Vater. Beides ist Hirtendienst, aber in einem unter-schiedlichen Charakter.

Wirklichen Dienst sehen wir vollkommen im Herrn Jesus. Er redete aus der Gegenwart Gottes heraus, und Er tat Seinen Dienst unbeeinflusst von Beifall oder Ablehung und Widerstand des Menschen. Das ist das Grundsätzliche, aber in die-sem Kapitel 2 finden wir auch, dass es ein Zusammenspiel gibt zwischen Redendem und Hörenden vor uns.

„Denn ihr selbst kennt, Brüder, unseren Eingang bei euch, dass er nicht vergeblich war“ (Kap 2,1)

Mit Eingang ist hier der Dienst in der Verkündigung durch den Apostel und seine Begleiter gemeint, dieser Dienst war im Blick auf sein Ergebnis nicht vergeblich gewesen. Apg 17,4 zeigt übrigens ganz deutlich, dass der Eingang bei den Thessalonichern nicht vergeblich gewesen war, und Paulus ist sich hier auch gar nicht unsicher darüber.Was für ein Er-gebnis wäre es auch in unseren Tagen, wenn Diener nach einem erfolgten Dienst wegen seiner sichtbaren Ergebnisse den Eindruck und das Empfinden haben können, dass er nicht vergeblich gewesen ist.

Nicht vergeblich ist eine doppelte Verneinung, die deshalb als eine starke Bejahung anzusehen ist. Offenbar kann es vergeblichen Dienst geben, und dabei können drei Möglichkeiten in Frage kommen:
• es kann sein, dass der Inhalt eines Dienstes so geartet ist, dass gar kein gutes Ergebnis hervorkommen kann. Wenn wir nicht Brot des Lebens verkündigen, können wir auch nicht erwarten, dass Sättigung die Folge ist (vgl. 1. Kor 15,14).
• es kann auch an dem Diener selbst liegen. Wenn wir das Wort der Wahrheit nicht gerade teilen (2. Tim 2,15), dann liegt es an uns, dem Diener, an der Art unseres Dienstes, und dann ist es zu unserer Beschämung und wir müssen uns nicht wundern, wenn der Dienst vergeblich ist.
• es kann aber auch an der Seite der Zuhörer oder Empfänger des Dienstes liegen, dass der Dienst vergeblich ist, selbst der Herr klagt im Blick auf Sein irdisches Volk in dieser Hinsicht (Jes 49,4). Die Galater liefen gut, aber sie wurden aufgehalten, und der Apostel fürchtete, dass er vergeblich unter ihnen gearbeitet hatte (Gal 4,11). Der Grund dafür waren lehrmäßig falsche Einflüsse verkehrter Lehrer gewesen. Bei den Thessalonichern war die Sorge um möglicherweise vergeblichen Dienst begründet in dem Druck, den Satan auf diese Jungbekehrten ausgeübt hatte, um sie zu irritieren, damit die ausgestreute Saat nicht wachsen sollte (1. Thes 3,5). Bei den Philippern erwartete der Apostel, dass sie das Wort des Lebens darstellen würden, damit er nicht vergeblich gearbeitet hätte (Phil 3,16); dabei ging es ihm nicht um persönlichen Ruhm, sondern um Frucht für die Ewig-keit für den Herrn.
Möchte der Herr auch nach diesen drei Tagen der Konferenz hier in Dillenburg das Urteil über uns, die wir dabei sein durften, abgeben können: es war nicht vergeblich!

Müssen wir uns eiegntlich die Frage stellen, ob unser Dienst vergeblich war? Regen und Schnee gehen nicht eher zu-rück zum Himmel, bevor sie nicht die Erde befruchtet haben. Das hat Gott gesagt, Sein Wort wird nicht leer zu Ihm zu-rückkehren (Jes 55,10+11). Wenn wir immer schauen würden, ob es vergeblich war oder nicht, sind wir mehr mit uns beschäftigt als mit Gott und Seinem wunderbaren Wort. Natürlich kommt die Frage bei einem Diener, ob es in Ordnung war, und manches Mal fragen wir das auch unsere Frauen, wenn wir einen Dienst getan haben. Aber unsere Aufgabe ist es, das Brot auf die Fläche der Wasser zu werfen (Pred 11,1).

„...sondern nachdem wir in Philippi zuvor gelitten hatten und misshandelt worden wa-ren, wie ihr wisst, waren wir freimütig in unserem Gott, das Evangelium Gottes zu euch zu reden unter großem Kampf“ (Vers 2)

Von Philippi sind diese Diener vertrieben worden und über Beröa nach Thessalonich gekommen. In Philippi waren sie misshandelt worden, und man konnte bestimmt noch die Striemen und die Wundenmale an ihnen sehen (Apg 16,22+23+33). Wenn man die Füße im Stock hatte und geschlagen worden ist, dann verheilt das nicht so schnell. Es gibt böse Wunden, wenn man gegeißelt wird. Deshalb wäre das griechische Wort, dass hier mit freimütig wiedergege-ben ist, besser mit kühn übersetzt worden. Sie haben eine Kühnheit an den Tag gelegt, obwohl sie eben den Widerstand Satans erfahren hatten. Der Widerstand Satans ist übrigens der beste Beweis, dass die Sache von Gott ist, sonst würde er nicht dagegen angehen. Trotzdem also benutzten sie die ganze Kraft, die der Herr ihnen noch schenkte, und redeten das Evangelium unter großem Kampf. Das ist jetzt nicht das Gleiche wie in Kol 2,1, wo der Apostel um die Kolosser rin-gend kämpfte, sondern es war hier in Thessalonich Anstrengung, die die letzten Kraftreserven forderte. Was für ein Beispiel! Keine Resignation, sondern Kühnheit und Anstrengung, um weiter den Dienst zu erfüllen. Wunderbare Gnade Gottes in einem Diener, der eigentlich doch auch ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen war wie wir. Möchten wir doch mehr lernen, der Kraft des Wortes Gottes zu vertrauen, das wird uns eine gewisse Kühnheit verleihen im Zeugnis für den Herrn.

Was für einen Eindruck muss das auf die Thessalonicher gemacht haben, dass da diese Männer mit ihren schlimmen Wunden und Verletzungen zu ihnen kamen, und nicht damit aufhörten, das Evangelium zu verkündigen, sondern damit weitermachten.

Wir müssen in unserem Dienst nicht um Anerkennung oder Beifall buhlen; im Allgemeinen wird der Widerstand oder die Ablehnung größer sein als der Dank. So hat es der Herr selbst auch erfahren (Jes 49,4). Bruder Darby hat einmal gesagt: „Im Allgemeinen ist der Weg eines Dieners nicht durch Ermunterung gekennzeichnet“. Aber der Herr sorgt da-für, dass Seine Diener Ermunterungen finden zur rechten Zeit (Ps 110,7). Ein bewährter Diener des Herrn hat einmal gesagt: „Der Herr gibt uns soviel Widerstand in unserem Dienst, dass wir nicht übermütig werden; und Er gibt uns so-viel Ermunterungen, dass wir nicht am Boden liegen bleiben“.

Was ist Freimütigkeit? Sie ist kein Naturtalent, mit dem jemand einfach unerschrocken und ohne Menschenfurcht auftritt. Sie ist auch keine Rhetorik. Freimütigkeit ist eine geistliche Zubereitung oder Eigenschaft, in der der Dienst getan werden kann und soll – es ist ein unerschrockenes freies Reden. Die Quellen zu dieser Fähigkeit liegen nicht in uns selbst. Selbst Paulus, dieser begnadete Diener, bittet die Epheser um ihre Fürbitte, damit ihm Rede verliehen werde und er mit Freimütigkeit reden kann, „wie er reden soll“ (Eph 6,18–20). Geistliche Freimütigkeit wird sich darin entfalten, dass wir reden können, wie wir reden sollen.

Freimütigkeit bezieht sich aber nicht nur auf das Bewusstsein, in wessen Auftrag ich reden darf, sondern auch was ich reden darf, welche Botschaft ich verkündige. Und wir wissen, dass sowohl gegen den Auftraggeber selbst als auch ge-gen die Botschaft in der Welt Widerstand zu erwarten ist. Und trotz dieses Widerstandes diesen Dienst mit Kraft und Kühnheit zu tun, das ist Freimütigkeit.

Diese Kühnheit und innere Freiheit kommt nicht aus uns selbst, sondern der Apostel fügt hier hinzu: „freimütig in unse-rem Gott“. Sie entspringt der Gemeinschaft mit Gott, sie ist ein Auftrag Gottes. Und der Apostel betont in den nächsten Versen mehrfach, dass er seinen Dienst in Gemeinschaft mit Gott und vor Gott tat (Vers 4+5). Freimütigkeit wird im Neuen Testament zum ersten Mal in Apg 2,29 erwähnt, also erst nachdem der Heilige Geist ausgegossen war. Daraus können wir den Schluss ziehen, dass diese Freimütigkeit eine Folge der Innewohnung des Heiligen Geistes in den Gläubigen ist.

„Denn unsere Ermahnung war nicht aus Betrug noch aus Unreinheit, noch mit List“ (Vers 3)

Paulus blickt hier auf die Zeit zurück, als er bei den Thessalonichern gewesen ist, und er spricht von dem, was er nicht gewesen ist, und dem was er unter ihnen gewesen ist. Was war der Anlass dafür, dass er jetzt von sich und seinem Dienst zu reden beginnt? Vielleicht waren während seiner Abwesenheit Männer aufgetreten, die ihn und seinen Dienst verunglimpften. Vielleicht waren die Thessalonicher dadurch beunruhigt worden, dass ihnen so etwas unterstellt wurde.

Zwischen seine Gemeinschaft mit Gott, der sein Dienst entsprang, ließ der Apostel nichts kommen. Er ließ nicht zu, dass verkehrte Gedanken in ihm aufkamen, denn dann hätte er die Gemeinschaft mit seinem Gott verloren. Der Aus-gangspunkt für seinen Dienst war also nicht etwas Unredliches, sondern seine Bewährung vor Gott.

Sechsmal in diesem Abschnitt von Kap 1,1 bis 2,12 stellt der Apostel einander gegenüber, wie sein Dienst nicht gewe-sen ist, sondern wie er stattdessen gewesen ist:
Vers nicht sondern
1,5: • im Wort allein • in Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewissheit
2,1+2: • vergeblich • freimütig in unserem Gott
2,3+4: • aus Betrug, noch aus Unreinheit, noch mit List • so, wie wir von Gott als bewährt befunden worden sind
2.4: • um Menschen zu gefallen • Gott, der unsere Herzen prüft
2,5–7: • niemals mit schmeichelnder Rede aufgetreten • wir sind in eurer Mitte zart gewesen
2,8: • allein das Evangelium Gottes mitzuteilen • auch unser eigenes Leben mitzuteilen

„...sondern so, wie wir als von Gott bewährt befunden worden sind, mit dem Evangelium betraut zu werden, so reden wir, nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unse-re Herzen prüft“ (Vers 4)

Die Begleiter des Apostels sind mit dem Evangelium betraut worden, nachdem sie von Gott als bewährt befunden wor-den waren, das ist auch die Reihenfolge bei den Dienern: erst Bewährung, dann Auftrag (1. Tim 3,10). Möchten wir auch in dem kleinen Bereich, in dem wir dem Herrn dienen dürfen, diesen Dienst in Treue ausüben, sodass wir als be-währt befunden werden; dann kann es vielleicht sein, dass Er uns auch mehr anvertraut. Von Gott als bewährt befunden zu werden ist ein hoher Adel (Mt 25,23); das Maßgebliche ist nicht das Urteil der Brüder (1. Kor 14,29; Apg 16,15), sondern das Urteil des Herrn. Wenn wir im Blick darauf sprechen und handeln, im Licht des Richterstuhls Christi, dann werden wir vor manchem leichtfertigen Tun und Reden bewahrt werden. Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass wir für jedes unnütze Wort einmal Rechenschaft ablegen müssen (Mt 12,36). Was für ein Licht sollte das werfen auf unser Reden, in den Versammlungen aber auch untereinander.

Der Apostel Paulus selbst ist eine Ausnahme hiervon, er war von seiner Mutter Leib an abgesondert (Gal 1,15). Und er sagt von sich selbst, dass er von Gott als treu erachtet wurde (1. Tim 1,12). Als treu erachtet zu werden ist etwas ande-res, als treu befunden zu werden. Als Gott den Paulus als treu erachtet hatte, hatte dieser noch gar keine Treue erwiesen; aber Er hatte ihn als treu erachtet im Blick auf das, was er für Ihn tun würde. Als treu befinden kann man jemanden, wenn man gesehen hat, dass er treu ist; als treu erachten kann man jemanden nur, ohne dass man aus gewonnener Er-fahrung irgendeinen Grund dazu hätte. Von Abraham konnte Gott sagen, dass Er ihn erkannt hatte (1. Mo 18,19); in Seiner Allwissenheit hatte Er diesen Mann erkannt, dass Er ihn als ein geeignetes Werkzeug beauftragen konnte. Ähn-lich spricht Er auch von Jeremia (Jer 1,4+5), und es ist sehr schön, dass bei Jeremia dadurch kein Selbstbewusstsein aufkommt, dass er sich selbst nichts zutraute.

Bewährung wird in unterschiedlichen Bereichen beurteilt:
• Bewährung bei Gott (2. Tim 2,15)
• Bewährung vor den Menschen (Röm 14,18)
• Bewährung vor den Geschwistern (Phil 2,22)

Paulus war sich bewusst, in wessen Dienst er stand. Wenn Gott ihm diesen Auftrag gegeben hatte, dann wollte er den Auftrag auch so ausführen, dass Gott Gefallen daran haben konnte, mit ihm zufrieden sein konnte. Wir müssen es uns immer bewusst machen, dass unser Dienst zuerst vor Gott und dann vor den Menschen stattfindet (2. Chr 35,4). Wenn wir das mehr bedächten, dann blieben die Geschwister vor vielem verschont. Es wäre einfach unpassend, wenn Gott sie als bewährt für den Dienst befunden hatte, und wenn sie dann gehen und die Arbeit so ausführen würden, dass sie Menschen gefallen wollten (vgl. Gal 1,10). Wenn er hier von wir spricht, dann sollten wir daraus nicht schließen, dass jeder der drei Diener Paulus, Timotheus und Silas zu gleichen Teilen gesprochen hatten; sicher kann man anneh-men, dass es hauptsächlich Paulus war, der gesprochen hatte und auch vorn gestanden hat. Aber die anderen haben ihm beigestanden!

„Denn niemals sind wir mit schmeichelnder Rede aufgetreten, wie ihr wisst, noch mit ei-nem Vorwand für Habsucht, Gott ist Zeuge“ (Vers 5)

Dieser Vers zeigt, wie Paulus mit den Thessalonichern umgegangen ist. Er hatte ihnen nicht schmeicheln wollen, und dennoch ist er nicht kalt und dogmatisch gewesen, sondern wie eine nährende Frau. Er hatte sie nicht mit Schmeichelei gefangen nehmen wollen, aber doch hatte er sie umgeben, weil sie ihm liebgeworden waren. Er hatte es die Geschwister in seinem Dienst spüren lassen, dass er sie liebte.

Es ist eine Gefahr auch in unseren Tagen für uns Brüder, die wir in den örtlichen Versammlungen das Wort ergreifen, dass wir das reden, von dem wir wissen, dass es den Hörern gefällt (vgl. Jer 5,31; Jes 30,10). Als Absalom das König-tum Davids an sich reißen wollte, hatte er alle Männer Israels auf dem Weg abgefangen und versprochen, ihnen das zu sagen, was sie gern hören wollten. „Und so stahl Absalom das Herz der Männer von Israel (2. Sam 15,6); er raubte ihre Zuneigungen, die eigentlich dem rechtmäßigen König Israels gehörten. Und genau das hatte Paulus nicht getan, er hatte durch die Offenbarung der Wahrheit sich selbst jedem Gewissen der Menschen empfohlen vor Gott (2. Kor 4,2). Auch Elihu wollte für niemanden Partei ergreifen und keinem Menschen schmeicheln, denn er wusste, dass er schnell wegge-nommen werden würde, wenn er schmeichelte (Hiob 32,21+22). Aber er war auch nicht hart als Folge davon, sondern er hatte ein gutes Gleichgewicht in dem, was er und wie er es sagte. Wir wollen uns vom Herrn dieses Gleichgewicht erbitten in unserem Dienst.

Wir müssen uns selbst persönlich die Frage stellen, ob wir auch nicht schmeicheln? Ob wir auch nicht reden, um Men-schen zu gefallen? Ob wir nicht Ehre für uns suchen? Paulus hat das niemals getan! Wenn wir Versammlungen besu-chen, ist es oft so, dass wir schon im Voraus etwas über die Einstellungen dieser Versammlungen kennen. Besteht dabei nicht auch für uns die Gefahr, dass wir das reden, was diese Geschwister gern hören? Verschweigen wir etwas, von dem wir ahnen, dass es ihren Widerstand hervorrufen würde, mit Rücksicht auf ihre Empfindungen? Oder sagen wir etwas, was der Herr nicht hätte sagen wollen? Dieser Vers stellt für uns eine hochaktuelle Belehrung dar! In Gal 1,10 sagt Pau-lus: „Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, so wäre ich Christi Knecht nicht“.

„...noch suchten wir Ehre von Menschen, weder von euch noch von anderen“ (Vers 6)

Der Zusammenhang dieser Verse macht deutlich, dass wir hier bei der Ehre von Menschen auch an Ehre in Form von materieller Unterstützung denken können. Unmittelbar vorher ist von einem Vorwand für Habsucht die Rede, und un-mittelbar danach davon, dass sie als Apostel den Thessalonichern hätten zur Last sein können. Also auch diese Form der Ehre suchte Paulus nicht, obwohl es ihm eigentlich zustand. Wenn in 1. Tim 5,17 von doppelter Ehre für die Ältes-ten gesprochen wird, kann man wohl an diese beiden Seiten denken: einmal Ehre in Form von Anerkennung und An-nahme ihres Arbeitens, dann aber auch Ehre in Form von Unterstützung in materieller Sicht.

Ehrsucht von Menschen ist das am schwersten auszurottende Übel für uns (vgl. Joh 12,43). Und je größer der Kreis un-serer Arbeit wird, je bekannter man wird, umso gefährlicher wird gerade dieser Punkt für uns! Ehre kommt nur von Gott allein (Joh 5,44). Der Herr Jesus, der aller Ehre würdig war, hat keine Ehre von Menschen angenommen (Joh 5,41).


„...obwohl wir als Christi Apostel euch zur Last sein konnten; sondern wir sind in eurer Mitte zart gewesen, wie eine nährende Frau ihre eigenen Kinder pflegt“ (Vers 7)

Hier wird sehr schön deutlich, dass es eben nicht bedeutet, kalt und lieblos zu sein, wenn man weder schmeicheln möchte noch die Ehre von Menschen sucht. Obwohl der Apostel mit seinen Begleitern all das nicht getan hatte, waren sie doch in ihrer Mitte zart gewesen. Darin waren sie Nachahmer Gottes selbst (Jes 49,15; Apg 13,18) und des Herrn Jesus geworden (Mt 23,27). Es ist ein sehr liebliches Bild der Beziehung eines Dieners zu der Versammlung, wo er dient. Paulus hätte zur Last sein können, aber er wollte das Gegenteil: er wollte nicht nehmen, sondern er wollte geben.

Das Nähren und Pflegen erinnert an Eph 5,29, wo von Christus gesagt wird, dass Er Seine Versammlung nährt und pflegt. Nähren ist das Stillen der Bedürfnisse, das geben, was nötig ist; Pflegen ist mehr als Nahrung geben, ist das, was darüberhinaus noch gegeben wird. So gab der König Salomo der Königin von Scheba alles, was sie wünschte und ver-langte für ihre Bedürfnisse auf der Rückreise; aber er gab ihr außerdem noch nach der Freigebigkeit des Königs (1. Kön 10,13). Der Herr gibt uns in der Wüste nicht nur das, was wir nötig haben, um geradeso eben noch das Ziel zu errei-chen, sondern Er gibt uns auch Oasen in der Wüste.

Es gibt eine vorbeugende Pflege und eine heilende Pflege. Wir könnten manche heilende Pflege ersparen, wenn die vorbeugende Pflege besser geübt würde. Vorbeugende Pflege im Blick auf geistliche Gesundheit und Sauberkeit erfor-dert das aufmerksame Auge einer Mutter, eine ordentliche Hygiene kann Infektionen vorbeugen. Paulus hatte diesen sorgsamen Blick, weil er das Herz Jesu Christi hatte (Phil 1,8). Das hat ihn sensibel dafür gemacht, zu erkennen, wo welche Hilfe in welchem Maß nötig war.

Gibt es etwas, was mehr Zartheit bedarf, als ein gerade geborenes Kind? Und geistlicherweise glichen die Thessaloni-cher einem gerade geborenen Kind. So zeigt sich die Zartheit des Apostels im Umgang mit den Thessalonichern darin, dass er alles gesucht hat, um diesen jungen Gläubigen Wachstum zu vermitteln. Es gibt wohl kein passenderes Bild von Liebe und Zuneigung und Hingabe, wie das einer Mutter mit ihren kleinen Kindern! Eine nährende Mutter gibt etwas von dem weiter, was sie selbst aufgenommen hat – es ist eine aufzehrende Mühe. Was eine Mutter kennzeichnet, ist Selbstaufopferung statt Selbstverwirklichung. Selbstverleugnung und Liebe sind die Grundpfeiler unseres Dienstes.

5. Mo 22,6 zeigt ein schönes Beispiel aus der Natur, was wir unter Pflegen verstehen können. Das Wort, das dort für die Mutter gebraucht wird, die auf den Jungen oder auf den Eiern sitzt, wird in der Septuaginta mit dem gleichen griech-sichen Wort wiedergegeben, das hier und auch in Eph 5,29 für das Pflegen gebraucht wird. Es spricht von Bewahren, Schützen und auch Wärme geben.

„So, da wir ein sehnliches Verlangen nach euch haben, gefiel es uns wohl, euch nicht al-lein das Evangelium Gottes, sondern auch unser eigenes Leben mitzuteilen, weil ihr uns lieb geworden wart“ (Vers 8)

In diesem Vers kommen zwei Gaben bei dem Apostel Paulus zum Ausdruck. Er war einerseits ein Evangelist, anderer-seits aber auch ein Hirte. In der Bereitschaft, den Thessalonichern sein eigenes Leben mitzuteilen, tritt er in die Fuß-stapfen des Guten Hirten selbst, der sein Leben lässt für Seine Schafe (Joh 10,11). Diese Hirten-Gabe kommt auch in Vers 11 zum Ausdruck, wo er sich um jeden Einzelnen von ihnen bemüht.

Paulus hatte ein sehnliches Verlangen nach den Thessalonichern, sein Herz war von Liebe zu ihnen erfüllt. Was sind bei uns die Beweggründe, warum wir eine Versammlung besuchen? Er wollte ihnen nicht nur das Evangelium gebracht ha-ben, sondern ihnen auch noch ihr eigenes Leben mitteilen (vgl. Apg 20,24; 2. Kor 12,15). Paulus war selbst weder Mut-ter noch Vater gewesen, aber er offenbart doch sowohl das Herz einer Mutter als auch das Herz eines Vaters. Mitteilen meint hier nicht darüber sprechen in Form von Kommunikation, sondern sich selbst, das eigene Leben, aufzuopfern.

Paulus hatte ihnen also in zweifacher Hinsicht etwas mitgeteilt: das Evangelium Gottes hauptsächlich wohl in Worten; und dann auch das Leben. Das kann auch in dem Sinn verstanden werden, dass sie in Bezug auf ihr Leben keinerlei Ge-heimnisse vor den Thessalonichern gehabt haben, dass sie, was ihr Leben betraf, wie ein aufgeschlagenes Buch vor ihnen waren. Es gab keinerlei Bereiche in ihrem Leben, von denen sie meinten, dass die Thessalonicher das nichts an-ginge. Es kann bei uns sein, dass wir bereit sind, in der Lehre oder dem Evangelium alles zu geben, aber wenn es um das eigene private Leben geht, dass wir da Bereiche haben, von denen wir sagen, dass kein anderer etwas damit zu tun habe. Paulus hatte sich völlig offen den Thessalonichern gegeben, und dadurch wurden sie gerade seine Nachahmer (2. Kor 8,5). Auch sie hatten nun ihrerseits ihr ganzes Leben wie ein aufgeschlagenes Buch dem Apostel gegeben.

Waren die Thessalonicher dem Apostel deshalb lieb geworden, weil sie besonders liebenswürdig waren? Hier geht es nicht um Zuneigung aufgrund von Sympathie, sondern die gemeinsame Grundlage dieser Liebe zueinander war der ge-meinsame Glaube an Christus. Aber wir müssen doch sehen, dass es in den Beziehungen zwischen den einzelnen Ver-sammlungen und dem Apostel Paulus schon Unterschiede gab; von den Philippern konnte er z.B. sagen, dass er das Ge-bet für sie mit Freuden tat (Phil 1,4). Empfinden wir nicht auch, dass das Fließen der Liebe intensiver ist, wenn man spürt, dass die geistlichen Gedanken die gleichen sind?

Wörtlich steht hier: „weil ihr uns Geliebte geworden seid“. Sie waren nicht einfach nur Geliebte geworden, sondern sie waren dem Apostel Geliebte geworden im Unterschied zu dem, was sie wenige Wochen vorher noch gewesen sind. Wenige Wochen vorher waren sie noch meilenweit davon entfernt und befanden sich in der Finsternis (Tit 3,3); und jetzt stellt er ihnen den Wert vor, den sie dadurch, dass sie sich zu dem lebendigen Gott bekehrt hatten und Ihm dienten, bekommen hatten. Und Paulus gibt das eigentlich allen Versammlungen zu verstehen, dass er sie liebte, sogar den Ko-rinthern (2. Kor 7,3). Es ist auch etwas sehr Wichtiges, dass man denen, an denen man dient, auch zu verstehen gibt, dass man sie liebt. Das öffnet die Herzen für die Aufnahme des Wortes. Bruder Darby hat einmal gesagt: „Willst du das Gewissen von jemandem erreichen, dann suche zuerst, sein Herz zu gewinnen“.

Bei den Thessalonichern kam dann noch hinzu, dass sie sehr positiv auf die Botschaft reagiert hatten, und das hatte der Apostel sehr geschätzt und das hier auch zum Ausdruck gebracht. Es ist auch weise, das zum Ausdruck zu bringen, was einen an den Geschwistern, an denen man dient, froh macht. Wenn wir das einander ausdrücken, können wir damit ein schon wenig die Herzen öffnen.

„Denn ihr erinnert euch, Brüder, an unsere Mühe und Beschwerde: Während wir Nacht und Tag arbeiteten, um niemand von euch beschwerlich zu fallen, haben wir euch das Evangelium Gottes gepredigt“ (Vers 9)

Dieser Mann hat nicht nur von Liebe gesprochen, sondern er hat es auch dadurch bewiesen, dass er von den Thessaloni-chern nicht etwas nahm, sondern selber arbeitete und für sich und seine Mitarbeiter gesorgt hat (Apg 20,34). Wir haben hier einen Mann vor uns, der nicht nur schöne Sätze gesagt hat, sondern das auch in seinem Leben bewiesen hat (vgl. 1. Joh 3,16–18). Er war bereit, zu arbeiten bis zur Erschöpfung seines Körpers, bis zur Aufopferung des eigenen Lebens. Priska und Aquila haben auch nicht davor zurückgeschreckt, im Dienst ihr Leben hingeben zu wollen (Röm 16,4); auch Epaphroditus war um des Werkes willen dem Tod nahe gekommen (Phil 2,30). Bruder Darby hat einmal gesagt: „Wenn es um mich geht, möchte ich gern mit der Hilfe des Herrn alles ertragen, wenn es aber um die Verteidigung der Wahr-heit geht, bin ich bereit, dafür zu kämpfen – und sei es um den Preis meines Lebens“.

Seine Art, wie er unter den Thessalonichern gewesen war, ruft der Apostel ihnen in 2. Thes 3,7+8 noch einmal ins Ge-dächtnis. Er hätte das Recht gehabt, vom Evangelium zu leben, aber er hatte in seinem eigenen Handwerk für seinen Lebensunterhalt gearbeitet. Paulus hatte weite Reisen unternommen, er hatte Briefe geschrieben, er hatte gedient, er hat-te auch noch körperlich gearbeitet – fragen wir uns da nicht auch, wann dieser Mann überhaupt noch geruht hat? Er musste gewissermaßen die Nacht zu Hilfe nehmen, um die fehlende Zeit am Tag ausgleichen zu können und die Dienste bewältigen zu können.

Hier wird nun zum dritten Mal das Evangelium Gottes erwähnt (Vers 2+8+9). Wieso werden eigentlich so oft in Ver-bindung mit dem Evangelium verschiedene Beifügungen gebraucht? Evangelium bedeutet nicht frohe Botschaft, son-dern gute Botschaft, es ist die einzige gute Botschaft, die es gibt. Es gibt verschiedene Bereiche, in denen das Evangeli-um gepredigt wird, z.B. das Evangelium des Reiches, oder das ewige Evangelium. Aber das Evangelium der gegenwär-tigen Zeit, wie wir es heute kennen, hat doch eine ganze Reihe verschiedener Zusätze:
• Evangelium Gottes: in Übereinstimmung mit diesem Charakter des Evangeliums hatten sich die Thessaloni-cher zu Gott bekehrt. Gott ist der Ursprung dieses Evangeliums. Nur der wahre und lebendige Gott hat uns die-se gute Botschaft gegeben, Er allein ist Quelle und Ursprung dieses Evangeliums.
• Evangelium des Christus (2. Kor 10,14; auch Röm 1,9): betont das Zentrum des Inhaltes dieser guten Bot-schaft, die Person, die den Gegenstand dieses Evangeliums darstellt
• Evangelium der Gnade, oder der Gnade Gottes (Apg 20,24): zeigt den Charakter des Evangeliums, wie es im Gegensatz zu dem Gesetz steht; aber es zeigt auch das Wesen und die Natur Gottes, wie Er sich uns heute als der Gott aller Gnade offenbart. Alles ist unverdient, aber auch alles ist kostenlos, man kann es sich nicht er-werben oder kaufen – es ist nur Gnade
• Evangelium der Herrlichkeit des Christus (2. Kor 4,4): es zeigt mehr das Ziel, zu dem uns dieses Evangeli-um hinführt. Unser Ziel ist die Herrlichkeit, wo wir allezeit bei dem Herrn sein werden.
• mein Evangelium (Röm 2,16; 16,25): in besonderer Weise war dem Apostel Paulus durch Offenbarungen diese gute Botschaft anvertraut worden.
• Evangelium der Vorhaut, der Beschneidung (Gal 2,7): die Verkündungsbereiche und Zielgruppen der bei-den Apostel Paulus und Petrus; Petrus konnte eine andere Art der Darstellung der gleichen guten Botschaft wählen, weil er bei den Juden die volle Kenntnis des Alten Testamentes voraussetzen konnte, was bei Paulus in vielen Fällen nicht der Fall war, weil er mit Heiden zu tun hatte, die vielleicht noch nie etwas vom Wort Gottes gehört hatten

All diese verschiedenen Zusätze haben also ihre Bedeutung; wichtig ist aber, dass wir festhalten, dass es immer um die gleiche gute Botschaft geht, die unter diesen verschiedenen Beifügungen nur von einer speziellen Seite beleuchtet wird. Wenn dann aus Röm 1,15 hervorgeht, dass Paulus bereit war, den Gläubigen in Rom das Evangelium zu verkündigen, dann zeigt das, dass diese gute Botschaft weit mehr beinhaltet, als die Botschaft der Erlösung für verlorene Sünder. Das zeigt auch der Ausdruck Geheimnis des Evangeliums in Eph 6,19. Die Erlösung ist der Anfang dieser guten Botschaft, alle anderen Teile der christlichen Wahrheit hat Paulus auch noch in diesem Begriff mit eingeschlossen. Er wollte den Gläubigen in Rom also den ganzen Ratschluss Gottes mitteilen. Durch das Evangelium sind Leben (für die Seele) und Unverweslichkeit (für den Leib) ans Licht gebracht worden (2. Tim 1,10).

„Ihr seid Zeugen und Gott, wie heilig und gerecht und untadelig wir gegenüber euch, den Glaubenden, waren“ (Vers 10)

Wenn ein gesegneter Dienst getan wird, ist der Feind schnell dabei, Missverständnisse zu wecken, durch die dem Dienst geschadet werden soll und die moralische Autorität des Dieners untergraben werden soll. Auch das Verhalten des Pau-lus hätte falsch ausgelegt werden können. Dem hat er aber in großer Wachsamkeit vorgebeugt, indem er z.B. Abstand genommen hat von Rechten, die ihm eigentlich zugestanden hätten. Ähnlich weise hat sich Nehemia verhalten und während 12 Jahre nicht von seinem Recht als Statthalter Gebrauch gemacht (Neh 5,14) und selbst Hand angelegt. Und das haben die Thessalonicher bei dem Apostel auch mitbekommen und konnten so zu Zeugen dafür benannt werden.„Und darum danken auch wir Gott unablässig dafür, dass ihr, als ihr von uns das Wort der Kunde Gottes empfingt, es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahr-haftig ist, als Gottes Wort, das auch in euch, den Glaubenden, wirkt.“ (Vers 12)

Wir können in diesem Vers einen Blick in die Seele des Apostels tun, denn zuerst dankt Paulus mit seinen Mitarbeitern; und zwar dankt er nicht den Thessalonichern, sondern Gott, weil Er es war, der diese Aufnahme des Wortes in den Her-zen der Thessalonicher gewirkt hatte. Und diese Danksagung geschah unablässig, Nacht und Tag; unablässig standen die Thessalonicher vor seinen Herzen; was für eine liebliche Beziehung verband sie untereinander. Alles, was Paulus tat, brachte er immer in Verbindung mit dem Herrn, er schrieb das Ergebnis seines Arbeitens in Thessalonich nicht sich zu, sondern Gott. Es ließ ihn nicht unbeteiligt und kalt, was seine Verkündigung bewirkt hatte. Was er tat, tat er nicht als Beruf sondern aus Berufung.

Das Wort der Kunde Gottes macht uns noch einmal bewusst, dass wir gar nichts von Gott wüssten, wenn Er sich nicht offenbart hätte! Er hat von Sich Kunde gegeben, und Er hat dazu Diener benutzt, die dieses Wort dann weitergegeben haben. In Thessalonich hatte nicht menschliche Rede ihre Auswirkung gehabt, sondern das lebendige und wirksame Wort Gottes. Die Grundlage des Glaubens der Thessalonicher war also nicht der Diener – obwohl diese damals das Wort inspiriert weitergaben – sondern es war das, was sie gesagt hatten. Darauf ruhte ihr Glaube. Das Wort der Kunde Gottes ist der gleiche Ausdruck wie in Heb 4,2, wo es Wort der Verkündigung genannt wird. Wie dankbar dürfen wir sein, dass Gott sich offenbart hat in Seinem Wort! Der Mensch könnte nicht in Beziehung zu Gott kommen, wenn Gott sich nicht in Seinem Wort offenbart hätte!

Hier haben wir eine interessante Stelle: es war nicht Menschenwort, was die Thessalonicher gehört hatten, und doch war es von Menschen verkündigt worden. Aber es ist Gottes Wort. Der unendliche Gott hat Seine unendlichen Gedanken durch endliche Menschen weitergegeben, damit wir auch als endlichen Menschen es aufnehmen und verstehen können. In einer Hinsicht sind alle unsere Worte Menschenworte, jede Sprache hat andere Worte; aber hier geht es nicht um die äußere Form sondern um den Inhalt. Und da sind alle Worte, die der Mensch von Natur aus spricht, Menschenworte. Alles, was der natürliche Mensch sagt, ist nicht nur in der äußerlichen Form sondern auch in seinem Inhalt Menschen-worte. Auch wenn wir über das Wort Gottes sprechen, bringen wir diese Gedanken in menschlichen Worten zum Aus-druck. Und Paulus sagt hier, dass sie zwar äußerlich menschliche Worte gebraucht hatten, aber was sie darin zum Aus-druck gebracht hatten, war Gottes Wort. Das Äußere ist immer Menschenwort, aber der Inhalt ist entweder Menschen-wort oder Gottes Wort – und bei Paulus in seiner Verkündigung war es Gottes Wort.

Paulus hat nicht immer inspiriert gesprochen. Vor dem Hohenpriester Ananias musste er sich entschuldigen, weil er ihn als getünchte Wand bezeichnet hatte (Apg 23,2–5). Aber wir sehen im Neuen Testament etwas, was es heute in der Form nicht mehr gibt; er spricht hier nämlich nicht von seinen inspirierten Schriften, sondern von Seiner Verkündigung. Und das war nicht irgendwie eine Verkündigung, wie wir sie heute kennen; sondern es waren neutestamentliche Apos-tel und Propheten, und aus 1. Kor 14,30 wissen wir, dass nicht alle von ihnen etwas Schriftliches hinterlassen haben. Nicht alle Offenbarungen dieser Art haben in dem inspirierten Wort Gottes ihren Niederschlag gefunden. Was Paulus hier beschreibt, war keine Evangelisation heutiger Tage, sondern er predigte ihnen unter der Leitung des Heiligen Geis-tes das Wort Gottes und sie konnten erkennen, dass es Gottes Worte waren.

Es ist das Wort Gottes, das das Mittel zur Bekehrung ist (1. Pet 1,23), und es ist auch das Wort Gottes, das in den Glaubenden wirkt. Auch heute ist das einzige, das in bleibender Weise wirkt, das Wort Gottes und nicht das, was Men-schen dazu hinzufügen oder auslegen. Redeweisheit oder Rhetorik (1. Kor 2,4), zu der in der Christenheit wohl jeder Verkündiger geschult wird, bewirkt höchstens Bewunderung für den Prediger. Aber bleibende Wirkung im Inneren der Zuhörer kann nur Gottes Wort hervorbrin1. Mo 2. Tim 3,16 zeigt einige der Wirkungen, zu denen das Wort Gottes nütz-lich ist. Es bereichert nicht nur unser Verständnis und vertieft unsere Freude daran, sondern es bringt auch praktische Auswirkungen in unserem Leben hervor.

Dieser Vers ist auch eine Beschreibung der Inspiration. Es ist wichtig, zu erkennen, dass das damals durch die Apostel verkündete Wort nicht weniger Gottes Wort ist, als das, was sie später in ihren Schriften niedergelegt haben. Wenn sie die durch Offenbarung empfangenen Wahrheiten in ihrem Dienst weitergegeben haben, dann war das auch Wort für Wort nicht weniger Gottes Wort als das später niedergeschriebene Wort. Das wird sehr deutlich in 1. Kor 2,13, wo Pau-lus sagt, dass sie geistliche Dinge – das ist der Inhalt der Wahrheit – mitgeteilt haben durch geistliche Mittel – und das sind die Worte, mit denen sie es weitergegeben haben. Auch viele andere Stellen der Heiligen Schrift bestätigen, dass nicht nur der Inhalt der göttlichen Offenbarungen weitergegeben wurde, sondern dass es in Worte gekleidet wurde, die inspiriert, Gottes Wort waren (z.B. 2. Pet 1,21). Den Beweis, dass es wirklich Gottes Wort war, was sie gehört hatten, finden wir dann am Ende dieses Verses: es wirkte in ihnen, den Glaubenden. Die Wirksamkeit in den Thessalonichern war der Beweis dafür.

Was ist darin der Unterschied zu heute? Kommt es heute, wo man weiß, dass wir nicht mehr inspiriert sind, nicht mehr so auf die Wortwahl an? Auch wir heute müssen uns immer bewusst sein, dass wenn wir in irgendeiner Weise das Wort verkündigen, wir zwar die menschliche Sprache dazu benutzen müssen, aber dass auch heute die Form dem Inhalt des-sen, was wir sagen, entsprechen sollte. Das bedeutet, wenn wir das Wort Gottes verkündigen – wo es auch sein mag – dass die Botschaft nicht auf ein menschliches Niveau herabgezogen wird und nur noch eine Botschaft ist, die das Wort Gottes enthält. Auch für Evangelisten gilt, dass es am besten ist, wenn auf Evangelisationen so viel wie möglich das Wort Gottes zum Ausdruck kommen kann. Denn es besteht bei uns immer die Gefahr, dass das menschliche Wort auch bei bester Absicht das Wort Gottes einschränkt oder abschwächt. Auch für uns heute ist also bei jeder Verkündigung des Wortes Gottes wichtig, dass die Worte, die wir benutzen, der Botschaft, die wir bringen, entsprechend sind. Wir können uns dabei keiner Straßen- oder Gossensprache bedienen. Wir sollten ansprechend reden und uns immer bewusst sein, dass nicht unsere Worte die Wirkung hervorbringen können, sondern nur die darin zum Ausdruck gebrachten Ge-danken Gottes.

In der Verkündigung heute müssen wir unbedingt 1. Pet 4,11 beachten! Es ist eine ernste Sache, über Gottes Wort zu reden oder zu schreiben. Die Kraft des Wortes Gottes liegt niemals in unseren eigenen Worten, sondern allein in Sei-nem Wort. Wenn wir nicht unsere Lust an diesem Wort haben und nicht über dieses Wort sinnen (Ps 1,2), und wenn dieses Wort nicht unseren Wandel prägt, werden wir niemals in dieser Weise dienen können! Der ganze Psalm 119 re-det von dem Wort Gottes, vor allem aber auch in der Weise, dass es das Wort ist, dem man sich unterwerfen muss. Der Dichter dieses Psalms spricht immer wieder seine Hochachtung aus vor diesem Wort; und er war sich auch bewusst, dass keine menschliche Bildung je die Höhe dieses Wortes erreichen kann. Aber wenn es so ist, dann fällt alle Ehre aus-schließlich auf den Herrn und niemals auf den Diener. Gehen wir mit der richtigen Haltung an dieses offenbarte Wort Gottes heran, bevor wir darüber sprechen? Ist es unsere Bitte, dass Er uns dazu die Augen öffnet? (Ps 119,18), spüren wir ihm nach wie nach verborgenen Schätzen? (Spr 2,4). Wenn wir diese Unterwürfigkeit nicht haben, dann können wir auch die Wunder dieses Wortes nicht sehen. Wir können das Wort nicht wie eine oberflächliche Lektüre lesen, son-dern es bedeutet für uns auch Energie und Zeitaufwand, es so in Abhängigkeit zu erforschen. Es gibt keine gesegnete Wortbetrachtung ohne inneres Angezogen-Sein, ohne Wertschätzung und Ehrfurcht. Der französische Ausdruck considérer = bedenken, erwägen, eingehend betrachten, bringt diese Haltung treffend zum Ausdruck.

Wussten die Diener damals, dass sie inspirierte Worte Gottes geredet hatten? David spricht in seinen letzten Worten da-von, dass der Geist des HERRN durch ihn geredet hatte und Sein Wort auf seiner Zunge war (2. Sam 23,2). Paulus spricht davon, dass er von dem Herrn empfangen hatte, was er weiter überliefert hat (1. Kor 11,23). Es war ihnen be-wusst, dass sie Werkzeuge Gottes waren, die die vom Herrn empfangenen Wahrheiten Wort für Wort als Überlieferun-gen weiterzugeben hatten. Ganz sicher können wir bei dieser Frage in Bezug auf die geschriebenen Äußerungen sein. Oft wird die Stelle in 1. Kor 7,12+25 als Beweis dafür angeführt, dass auch bei den schriftlichen Äußerungen nicht im-mer alles inspiriert gewesen wäre. Hier würde Paulus seine eigene Meinung vorstellen, die nicht inspiriert war. Aber steht da wirklich Gottes Wort und Menschenwort einander gegenüber? Wir müssen uns einfach bewusst machen, dass Inspiration nicht immer identisch ist mit Offenbarung! Offenbarung bedeutet, dass Gott durch Seinen Heiligen Geist Menschen direkt etwas mitteilt, was sie vor diesem Augenblick nicht gewusst haben und die sie auch auf anderem Weg nicht empfangen können. Alle Prophezeiungen sind Offenbarungen. Inspiration ist etwas ganz anders. Inspiration be-deutet, dass der Heilige Geist die Schreiber beim Verfassen geleitet hat. Lukas z.B. hat alles, was er von Zeugen be-kommen konnte, studiert und ist dann vom Heiligen Geist geleitet worden, von dem, was er erfahren und gehört und gelesen hatte, niederzuschreiben. Inspiration ist die fehlerlose Niederschrift von allem, was Gott für uns aufbewahren wollte – auch Empfindungen und Ängste und Nöte, wie wir sie z.B. in den Psalmen finden, auch Aussagen von Feinden Gottes, auch Aussagen von Satan selbst. In 1. Kor 7 hat also Paulus seine eigene geistliche Auffassung, die sich im Licht der Gegenwart Gottes gebildet hatte, inspiriert vom Heiligen Geist niedergeschrieben. Halten wir unbedingt an der feh-lerlosen und unfehlbaren Inspiration des gesamten Wortes Gottes fest, es ist der Ausdruck dessen, was Gott uns mittei-len wollte. Wenn wir das nicht wüssten und Zweifel an der Echtheit haben müssten, hätten wir nur schwankenden Bo-den unter unseren Füßen!

Wenn man die einzelnen Schreiber der Bibel betrachtet und dabei feststellt, dass sie auch in unterschiedlicher Weise geschrieben haben, dann ist es so, dass Gott ihre verschiedenartigen Veranlagungen, ihre Charaktere, ihre Erlebnisse und ihre Empfindungen mit benutzt hat, um Sein Wort niederschreiben zu lassen. Wenn wir darüber nachdenken, müs-sen wir doch sagen, dass es ein großes Wunder ist, wie Gott, der Heilige Geist, das fertig gebracht hat, menschliche Empfindungen und Veranlagungen mit dem zu verbinden, was Er durch das Wort zum Ausdruck bringen wollte. Wir können wir nur anbetend darüber staunen und von Herzen dafür dankbar sein! Lukas mit seinen speziellen Fähigkeiten hat ganz anders geschrieben als z.B. Paulus mit seinen Fähigkeiten – und doch ist alles Gottes Wort.

Paulus hat als treuer Knecht Gottes das Wort in der Regel in einer Atmosphäre des Widerstandes gesprochen; den Juden war es ein Anstoß und den Nationen eine Torheit (1. Kor 1,23). Deshalb war es eine Freude für sein Herz, dass er dann sehen konnte, dass in dem allgemeinen Klima der Gottfeindlichkeit durch die Gnade Gottes Herzen aufgetan wurden, und diese das Wort Gottes genauso empfingen, wie er es gesprochen hatte. In einem ersten Schritt muss das Wort Got-tes erst einmal von den Ohren empfangen werden. Und dann ist die entscheidende Frage, wie es in einem zweiten Schritt von den Herzen aufgenommen wird (Hes 3,10). Später wird im Volk Israel dann darüber geklagt, dass das Volk scharenweise zum Hören des Wortes zusammenkam, aber es erreichte nicht ihr Herz (Hes 33,32). Aber das Wort Gottes muss Bestandteil von uns werden, muss verinnerlicht werden, muss dadurch unsere Lebenskraft werden (Jer 15,16). Wenn wir so das Wort Gottes als tatsächlich von Gott kommend aufnehmen, dann wird es uns tatsächlich auch zur Freude und zur Kraft werden.
„Deinem Wort ist Macht gegeben,
zu erbauen, zu beleben,
Wunder tut es immer neu!“

Sind wir solche Sprachrohre wie Paulus, der wusste, welche Worte er reden durfte, und dass diesem Wort Kraft gege-ben ist? Im Griechischen steht hierfür das Wort dynamis, und es liegt in der Tat Sprengkraft darin (Heb 4,12; Jer 23,29) – darauf wollen wir bauen in der Verkündigung! Der Herr Jesus zeigt in dem Gleichnis von dem Samen, der auf das Land geworfen wird, diese innewohnende Kraft des Samens (Mk 4,27).

Wir haben in diesem Vers eine weitere Gegenüberstellung von nicht zu sondern. Bis Kap 2,8 hatte Paulus sechsmal ei-nander gegenübergestellt, wie sein Dienst nicht gewesen war, sondern wie er stattdessen gewesen war. Hier wird durch diese Gegenüberstellung die Aussage verstärkt und besonders deutlich gemacht, dass die Thessalonicher das Wort nicht als Menschenwort annahmen, sondern als Gottes Wort. Menschenwort kann nicht für sich beanspruchen, Wahrheit zu sein. Es werden immer Fehler darin sein; Gottes Wort ist fehlerfrei und ist die Wahrheit selbst. Gottes Wort verlangt, dass es gehört wird. Es ist etwas Großes, auf Gottes Wort hören zu können und es auch verstehen zu können durch den Geist Gottes.

Wir können also bei der Verkündigung des Wortes Gottes zwei Bereiche der Verantwortung erkennen. Der eine Bereich ist die Verantwortung dessen, der das Wort verkündigt. Es ist sehr wichtig, dass das Wort Gottes aus unserer Verant-wortung gegenüber dem Herrn verkündigt wird, und dass das Leben auch in Übereinstimmung mit dem ist, was der Verkündiger sagt. Der andere Bereich ist die Verantwortung derer, die zuhören. Der Zuhörer hat die Verantwortung, das verkündigte Wort als von Gott kommend anzunehmen und es in einem redlichen und guten Herzen zu bewahren, nachdem er es gehört hat, und Frucht zu bringen mit Ausharren (Lk 8,15). Es ist wichtig, diese beiden Verantwortungen nicht zu vermischen. Der Redende kann nicht sagen, dass die Hörenden seine Worte als Gottes Wort aufnehmen müs-sen; und der Hörende kann auch nicht sagen, dass es nur menschliche Worte gewesen waren. Es liegt ein großer Segen darauf, wenn wir als Hörende das Wort Gottes aufnehmen als von Gott gekommen. Dann werden wir immer einen Se-gen empfangen und Belehrung bekommen. Lydia ist uns darin ein echtes Vorbild (Apg 16,14), sie hatte die Bereit-schaft, Gottes Wort zu hören, und dann tat Gott ihr Herz auf und wirkte in Gnaden. In Apg 17,11 bei den Juden von Beröa haben wir den gleichen Ausdruck für das Aufnehmen des Wortes Gottes.

Die Thessalonicher werden in diesem Vers nicht als Gläubige sondern als Glaubende bezeichnet. Wir machen oft den Begriff Gläubige zu einem Status, aber hier geht es darum, dass aktiv und dauerhaft Glauben bewiesen wird, indem dem Wort Gottes gehorcht wird (vgl. der Führende und der Dienende, und nicht der Führer und der Diener als Status (Lk 22,26).

In diesen Versen wird ganz besonders deutlich, welche Fürsorge Gott den Thessalonichern zuwendet; in den Versen 13 bis 16 ist es Sein Wort, das Er an sie richtet. In den Versen 17 bis 20 sehen wir, dass die Thessalonicher verbunden werden mit dem Apostel im Blick auf den zukünftigen Tag, die Ankunft des Herrn. Und in den ersten fünf Versen von Kap 3 finden wir, dass ihnen ein weiterer Diener gesandt wird, weil Paulus selbst noch verhindert war, zu ihnen zu kommen.