„Denn, Brüder, ihr seid Nachahmer der Versammlungen Gottes geworden, die in Judäa sind in Christus Jesus, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von den Juden“ (Vers 14)

Woran konnte der Apostel sehen, dass die Thessalonicher das Wort Gottes im Glauben aufgenommen hatten und es in ihnen wirkte? Daran, dass sie bereit waren, Leiden auf sich zu nehmen. Woran sonst soll man es eigentlich merken können? Die Echtheit des Glaubens erweist sich im Leiden! Ist das für uns nicht eine beschämende Aussage? Authenti-sche Gläubige sind die, die bereit sind, für die Botschaft und den, der der Inhalt dieser Botschaft ist, zu leiden und zu sterben. Ein stärkerer Beweis der lebendigen Wirksamkeit des Wortes Gottes ist kaum vorstellbar. Müssen wir nicht sa-gen, dass unsere diesbezügliche Lauheit und Schlaffheit in unseren Ländern der Grund dafür ist, dass es so wenige Be-kehrungen hier gibt? Wenn man sieht, wie weit wir davon entfernt sind, dann hat dieser Vers für uns doch eine ernste Botschaft!

Wenn wir hier noch einmal auf das Gleichnis von dem Sämann zurückkommen, sehen wir, dass die Thessalonicher eben nicht Anstoß genommen hatten, als Drangsal und Verfolgung um des Wortes entstanden waren (Mk 4,17). Die Drangsal kam, und sie harrten aus; und das war das Zeichen, dass da wirklich Wurzeln vorhanden waren und das Wort Gottes in ihnen wirkte.

Wie sind die Gläubigen aus der Anfangszeit der Versammlung mit dem Thema Leiden und Verfolgung umgegangen? Sie waren voll Freude, dass sie gewürdigt worden waren, für den Namen Schmach zu leiden (Apg 5,41). Die Person des Heilands und Erretters war ihnen so wertvoll geworden, so überragend groß, dass sie deshalb bereit waren, für diesen Namen auch Druck zu ertragen. Sie wussten, was sie in Christus gewonnen hatten an ewigen Segnungen; und dann war es für sie eine Haltung der Wertschätzung, für diesen Namen, in dem sie so überreich gesegnet worden waren, auch Druck und Leiden zu ertragen. Ist es nicht beeindruckend, zu sehen, zu welch einem Zeitpunkt Joseph von Arimathia, der bis dahin aus Furcht vor den Juden ein verborgener Jünger gewesen war, aus dem Schatten der Menschenfurcht her-austrat? Es war der Augenblick, wo der Heiland am Kreuz Sein Leben gab! Sollten wir je von Menschenfurcht geplagt werden, dann müssen wir zum Kreuz hin blicken und uns von dem Heiland ermutigen lassen, der für uns Sein Leben hingegeben hat.

Und durch dieses Verhalten waren sie Nachahmer geworden. Sie hatten die anderen Versammlungen nicht sichtbar vor ihren Augen, um ihnen nachzueifern, sondern gerade dadurch, wie sie lebten und bereit waren, diese Verfolgungen zu erdulden, ahmten sie die anderen Versammlungen nach. In 1. Thes 1,5 hatten ihnen Paulus schon einmal bestätigen können, dass sie gerade durch dieses gleiche Ausharren in den Drangsalen Nachahmer der Apostel und des Herrn ge-worden waren. Durch ihr Leben des Festhaltens in den Drangsalen bewiesen sie, dass das Wort in ihnen wirksam war, und Paulus adelt dieses Verhalten mit einer dreifachen Bestätigung, dass sie dadurch Nachahmer waren: der Versamm-lungen – der Apostel – des Herrn selbst.

Die Versammlungen in Judäa werden in diesem Vers als örtliche Versammlungen unter einem dreifachen Blickwinkel oder mit drei Aussagen beschrieben. Es sind die Versammlungen in Judäa; das beschreibt die Gegend oder den Land-strich, wo diese Versammlungen bestanden. Es sind auch Versammlungen Gottes; jede örtliche Versammlung ist eine Versammlung Gottes (vgl. 1. Kor 11,16). So, wie die eine weltweite Versammlung die Versammlung des lebendigen Gottes ist, so sind auch örtliche Versammlungen keine Brüderversammlungen, sondern Versammlungen Gottes, es sind nicht unsere Versammlungen, sondern Gottes Versammlungen. Und es sind drittens auch Versammlungen in Christus Jesus. Das verband die Thessalonicher mit allen anderen Versammlungen, und das gibt auch heute noch einer örtlichen Versammlung ein besonderes Gepräge, eine Versammlung in Christus Jesus zu sein!

Die Gläubigen aus den Versammlungen in Judäa hatten sich zu dem Herrn Jesus bekehrt, zu dem Christus, den die Ju-den verworfen haben, und dadurch haben sie Hass geerntet. Sie hatten sich zu ihrem Glauben bekannt, und dann diese Wahrheit auch unter den Nationen verkündigt. Dadurch wurden sie angefeindet und mussten Drangsale erleiden. Und nun erlebten auch die Thessalonicher dasselbe, dieselbe Art von Leiden. Und der Ausdruck erlitten habt meint nicht nur, dass diese Leiden auf sie gekommen sind, sondern dass sie diese Leiden erduldet haben und darin fest geblieben sind. Die Verfolger der Thessalonicher werden hier nicht als Nationen sondern als Landsleute bezeichnet, wahrschein-lich, weil sie sowohl von den Juden als auch von den Heiden verfolgt wurden (Apg 17). Diese jungen Gläubigen waren also bereit zu leiden – was für ein Vorbild für uns.

Wenn wir hier auch über etwas reden, was wir buchstäblich in unserem Land nicht kennen, so dürfen wir doch an sol-che denken, die als Einzelne aus ungläubigen Familien errettet werden. Da kommt auch der ganze Hass und Widerstand der ungläubigen Familien-Mitgliedern zum Ausdruck. Auch in dieser Form der Verfolgung wird sich dann die Echtheit des Glaubens beweisen müssen.

„...die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns durch Verfol-gung weggetrieben haben und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind“ (Vers 15)

Das Verhalten der Juden wird hier sehr deutlich von Paulus beschrieben. Aus anderen Stellen wissen wir, welche Liebe Paulus zu seinem eigenen Volk hatte; und es ist ihm hier bestimmt nicht leicht gefallen, das alles hier so deutlich zu schreiben. Er macht den Juden in diesem Vers hier fünf Vorwürfe:
• sie haben den Herrn Jesus getötet: der Herr Jesus hat sich selbst freiwillig in den Tod gegeben, und es war auch der Ratschluss Gottes, dass Er sterben sollte. Aber das nimmt nichts von der Verantwortung derer weg, die den Herrn Jesus umgebracht haben (Apg 2,23; 7,52).
• sie haben die Propheten getötet: hier denken wir an die alttestamentlichen Propheten; der Zeit nach geschah das natürlich bevor sie den Herrn Jesus getötet hatten, aber Paulus setzt hier den Totschlag des Herrn Jesus an die erste Stelle, weil das ihre größte Sünde war
• sie haben Paulus und seine Mitarbeiter durch Verfolgung weggetrieben: die Thessalonicher hatten das miter-lebt, wie Paulus und seine Begleiter fluchtartig Thessalonich verlassen mussten (Apg 17)
• sie gefallen Gott nicht: die natürlich Konsequenz daraus; Gott beobachtete ihr Tun, und es hat Ihm missfallen; in welch krassen Gegensatz dazu stand das Verhalten des Apostels und seiner Begleiter, die nicht Menschen gefallen wollten, sondern Gott (1. Thes 2,4)
• sie sind allen Menschen entgegen: die Erklärung dazu finden wir dann in Vers 16.

Diese Verfolgungen der Juden wurden gleichzeitig von Gott benutzt, um Sein Werk weiterzuführen und zu verbreiten. Er hat dieses Bemühen der Juden zunichte gemacht, und es wurden gerade diese Verfolgungen zu einem Antrieb, um die Gnade Gottes in ganz neue Gebiete hineinzubringen. Er benutzte diesen Umstand der Verfolgung, um die Apostel woanders hinzuführen und dort das Evangelium verbreiten zu lassen. Das war schon in Philippi so gewesen (1. Thes 2,2), von wo aus sie nach Beröa weitergezogen waren, und von dort wieder weiter nach Thessalonich. Obwohl jetzt die Diener die Frucht ihrer Tätigkeit nicht mit denen zusammen genießen konnten, denen sie gedient hatten, wurde doch das Werk an anderen Orten weiterbetrieben. Letztlich wurde also der Widersacher Gottes ohne es zu wollen ein Diener Gottes in der Verbreitung dieser wunderbaren Botschaft.

„...indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, damit sie errettet werden, um so ih-re Sünden allezeit voll zu machen; aber der Zorn ist völlig über sie gekommen“ (Vers 16)

Dieser Vers beschreibt nun in Einzelheiten, wodurch diese Juden bewiesen, dass sie allen Menschen entgegen sind. Sie wollten selbst die Gnade nicht annehmen, aber sie wollten auch verhindern und konnten nicht ertragen, dass andere die-se Gnade bekommen sollten (Apg 22,21+22). Den gleichen Gedanken finden wir in dem Gleichnis von dem unbarm-herzigen Knecht, wo im BIld dem Volk Israel eine gewaltige Schuld erlassen wurde; aber dieses Volk konnte die Schuld der Nationen ihnen gegenüber nicht erlassen, sie kannten keine Gnade, obwohl ihnen diese riesige Schuld erlas-sen worden war (Mt 18,25–30).

Scheint eine solche Haltung nicht etwas widersinnig zu sein? Wenn mir etwas nicht wertvoll ist, sollte es mir doch egal sein, ob ein anderer an dieser Sache gefallen hat oder nicht. Die Juden wollten die Gnade für sich nicht haben, aber sie ärgerten sich über andere, die sie annehmen wollten. Sahen sie vielleicht doch etwas Wertvolles oder Gutes in dieser Botschaft, obwohl sie sie in ihrer Verblendung nicht annehmen wollten? Der Mensch will nicht, dass die Gnade anderen angeboten wird und diese daraus für sich Nutzen ziehen. Ein typisches Beispiel dafür ist der Prophet Jona. Vielleicht erklärt sich diese Haltung der Juden auch daraus, dass nach ihrer Überzeugung nur sie das auserwählte Volk Gottes wa-ren, dass nur sie bevorrechtigt waren, mit Gott kommunizieren zu können. Sie hatten unverdiente Vorrechte, aber jetzt in der Zeit der Gnade besaßen sie keine Sonderstellung mehr und hatten alle Segensverheißungen durch ihre Untreue verwirkt. Und das konnten sie nicht leicht akzeptieren und ist vielleicht eine gewisse Erklärung für ihre ablehnende Hal-tung gegenüber dem Gedanken, dass nun die Nationen auf dem gleichen Boden Gnade angeboten wird.

Dadurch, dass Israel den Herrn Jesus getötet hat, haben sie sich von Gott losgesagt und sich gegen Ihn gestellt (Joh 15,23). Sie wollten aber alle Vorrechte als Gottes irdisches Volk auch weiterhin als einzige auf dieser Erde für sich in Anspruch nehmen. Sie konnten nicht akzeptieren, dass nun die Nationen von ihrem Gott Gnade empfangen sollten, die nach ihren Gedanken ihnen allein zustand – die sie aber abgewiesen und verworfen hatten. Das war ein wesentlicher Grund ihres Hasses gegen die Nationen, die dieser Botschaft glaubten, und gegen die Apostel, die eine solche Botschaft verkündigten. Tragischerweise meinten sie ja auch, dass sie Gott dabei einen Dienst erweisen würden, wenn sie Seine Zeugen töten (Joh 16,2), und auch der Apostel Paulus selbst verfolgte einst diesen christlichen Weg in seinem ver-meintlich guten Eifer für Gott (Apg 22,3+4). Und das hat sich bis heute nicht geändert; es gelten ungefähr 100 Millio-nen Christen als verfolgt, meistens aus religiösen Gründen, und gerade in den Ländern des Islam meinen die Menschen, Gott zu dienen und verfolgen die Christen am schärfsten.

Indem die Juden nicht nur selbst das Evangelium ablehnten, sondern auch die Nationen daran hinderten, es anzuneh-men, machten sie ihre Sünden allezeit voll (Mt 23,31+32). Deshalb kommt der Zorn völlig über sie. Die Zerstörung Je-rusalems im Jahr 70 n.Chr. ist nur ein Vorspiel von dem, was die Juden noch an Gericht zu erwarten haben. Der Prozess im Blick auf den Zorn hat angefangen und dauert noch an, er wird in der großen Drangsal sein Vollmaß erreichen. Das Urteil Gottes steht jetzt schon fest, es ist nur noch nicht abschließend vollzogen worden. Die Fußnote zu dem Ausdruck völlig erklärt: bis zum Ende; und der Prophet Daniel beschreibt es in seiner 70.Jahrwoche so: „...bis ans Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen“ (Dan 9,26). Was wird dieses arme Volk noch alles durchmachen müssen, bis sie in diesen Ruf ausbrechen können: „Gepriesen sei der da kommt im Namen des Herrn“ (Mt 23,29).

Es ist bewegend, die Geschichte dieses Volkes zu verfolgen. Schon unter der Wegführung des Königs Zedekia lesen wir davon, dass Gott sich über Sein Volk und Seine Wohnung erbarmte und Boten zu ihnen sandte (2. Chr 36,15). Was mit diesen Propheten geschehen ist, haben wir gesehen. Das Volk wollte diesen Segen nicht und lehnte es auch ab, dass dieser Segen nun anderen zugewendet würde; ihr Auge blickte böse, weil Gott gütig ist und andere segnen wollte (Mt 20,15). In erster Linie trifft dieses Wort auf das jüdische Volk zu, aber ist es nicht auch ein Wort, das uns eine Mahnung ist? Entdecken wir nicht auch in unseren Herzen Eifersucht und Missgunst, wenn Gott andere segnet? Der Herr möge uns Gnade schenken, solche Regungen unserer Herzen im Tod zu halten!

„Wir aber, Brüder, da wir für kurze Zeit von euch verwaist waren, dem Angesicht, nicht dem Herzen nach, haben uns umso mehr befleißigt, euer Angesicht zu sehen, mit großem Verlangen“ (Vers 17)

Warum war es das Verlangen des Apostels, bei den Thessalonichern zu sein, wo er doch bei der Abfassung dieses Brie-fes sich in Korinth befand, der Stadt, wo Gott ein großes Volk hatte (Apg 18,10)? Hatte er nicht dort in Korinth jetzt neue Aufgaben und Beziehungen? Im Natürlichen ist es so, dass Eltern alle Kinder gleich lieben, das zehnte Kind nicht weniger als das erste; aber wenn eins der Kinder in besonderen Nöten und Umständen ist, dann erfordert das auch be-sondere Zuwendungen von Liebe und Zuneigung. So war es auch mit dem Apostel im Blick auf die Thessalonicher, er sah ihre Drangsal und das Herz seiner Liebe schlug für sie, sie waren ihm nach seiner Abreise nicht gleichgültig gewor-den.

Paulus fühlte sich verwaist von den Thessalonichern; das ist ein sehr tiefes Empfinden, das nicht nur eine einfache Trennung ausdrückt. Deshalb hatte er mit Fleiß jeden guten Beweggrund genutzt, um ihr Angesicht wiederzusehen. Es reichte ihm nicht aus, von ihnen zu hören, er wollte sie persönlich Auge in Auge sehen. Das ist übrigens auch ein Hin-weis für unsere Tage, dass wir trotz der heutigen vielfältigen Kommunikationsmittel den persönlichen Austausch von Angesicht zu Angesicht hoch schätzen sollten (vgl. Apg 15,36; 2. Joh 12; 3. Joh 14). Man kann einfach nicht alles auf geistlichem Gebiet schriftlich oder fernmündlich regeln, sondern der persönliche nachsuchende Besuch vor Ort ist von hoher Bedeutung (Gal 4,20).

Paulus war in der Mitte der Thessalonicher gewesen wie eine nährende Mutter, in zärtlicher Fürsorge (1. Thes 2,7). Nun war er von ihnen getrennt, aber nur äußerlich, im Geiste war er bei ihnen (vgl. Kol 2,5), die Verbundenheit der Herzen und die Echtheit der liebevollen Beziehungen blieb bestehen. Möchte der Herr es uns schenken, dass wir solche Hirtenherzen auch in unseren Tagen unter uns kennen! Diese Haltung, dass er bei den Gläubigen war, auch wenn er dem Fleisch nach abwesend war, erklärt sich ein wenig dadurch, dass dieser Apostel Tag und Nacht gebetet hat.

Der Ausdruck für kurze Zeit bedeutet eigentlich wörtlich für die Zeit einer Stunde. Paulus war zur Zeit dieses Briefes schon monatelang von ihnen getrennt, aber was die Herzensverbindung anging, empfand er es so, als wäre die Tren-nung gerade erst geschehen.

„Deshalb wollten wir zu euch kommen (ich, Paulus, nämlich), einmal und zweimal, und der Satan hat uns daran gehindert“ (Vers 18)

Paulus betont auch nicht nur seine herzliche Zuneigung zu ihnen, sondern auch seinen Fleiß, den er angewandt hatte, um sie wiederzusehen. Er verbindet sich hier mit seinen Begleitern und Mitarbeitern, aber durch die Einfügung in Klammern scheint das Verlangen, zu den Thessalonichern zu kommen, doch bei ihm besonders ausgeprägt gewesen zu sein.

Aber Satan hatte sie hindern können. Paulus wusste, dass noch manches mangelte bei den Thessalonichern, und mit sei-nen wahren Hirten-Empfindungen wollte er diese Bedürfnisse stillen. Aber der Herr wollte, dass Paulus nach Korinth ging, und dass er von dort aus schriftlich das ausfüllen sollte, was in Thessalonich noch mangelte – dadurch ist ein gro-ßer Segen bis in unsere Tage entstanden. Vordergründig könnte man meinen, Satan hätte tatsächlich Schaden anrichten können, aber der Herr hat daraus einen großen Segen bewirkt und auch uns diese Belehrungen hinterlassen. Es ist tröst-lich zu wissen, dass über allem Wirken Satans immer noch der Herr steht. Ermutigt das nicht einen jeden, der einen Hir-tendienst tut? Es gibt Widerstand vom Feind, aber der Herr steht über allem und hat alles in Seiner Hand und lenkt alles zum Segen. Hier konnte Satan den Fluss der Gnade Gottes nicht aufhalten, dieser Fluss Seiner Gnade nahm jetzt nur einen anderen Verlauf.

Wir dürfen nicht unterschätzen, welch ein geschickter Taktierer und gefährlicher Feind Satan ist, und dass sein Treiben ein sehr böses Treiben ist, aber seine Gedanken sind uns nicht unbekannt (2. Kor 2,11). Es gelingt ihm oft, selbst Gläu-bige zu seinen Werkzeugen zu machen, wenn sie nicht über die Regungen ihrer Herzen wachen (Mt 16,22+23; Apg 5,3). In unserem praktischen Leben gibt es Widerstand von verschiedenen Seiten, von der Welt (Vers 14), von den Ju-den (Vers 15), und von Satan selbst. Nicht der Herr hat dem Paulus widerstanden, sondern Satan. Warum? Weil die Beweggründe von Paulus absolut lauter waren. Er wollte den Willen des Herrn tun, und wer das tun will, wird immer den Widerstand des Teufels erfahren. Satan will immer die Pläne Gottes durchkreuzen. Wenn wir uns aber auf einem eigenwilligen Weg befinden mit unguten Beweggründen, wird Satan gar nichts unternehmen, um uns daran zu hindern. Er wird im Gegenteil diese verkehrten Wege noch ebnen, damit es immer weiter von dem Herrn weggeht. Wie viel mehr kann er es bei uns fertigbringen, unsere an sich guten Absichten zu verhindern, die wir uns nicht auf einem so ho-hen geistlichen Niveau wie der Apostel Paulus befinden.

Wir sollten nicht voreilig denken, dass es, wenn wir Widerstand erfahren, Satan ist, der uns hindern will. Ein Missionar berichtet von seinen Reisen in Afrika, dass da schon mal ein Baum quer über dem einzigen Fahrweg zur nächsten Ver-sammlung liegt. Ist das dann ein Stopp-Schild, eine Umleitung, oder eine Erprobung des Glaubens? Wir sollten nicht vorschnell denken, dass es ein Hindernis Satans ist oder ein Stopp-Schild oder eine Umleitung. Vorrangig sind Schwie-rigkeiten eine Erprobung unserer geistlichen Energie, wenn wir uns auf einem grundsätzlich richtigen Weg befinden. Es ist ein absoluter Normalzustand, wenn wir in den Wegen des Herrn unterwegs sind, dass Widerstand und Widersacher da sind (1. Kor 16,7–9). Und der Herr gibt dann auch Kraft und einen Weg, denn durch Ihn sind wir mehr als Überwin-der.

Satan will uns immer hindern, den Willen Gottes zu tun. Auf welche Weise er es hier bei Paulus bewirkt hatte, ob durch Krankheit oder Unfälle, wissen wir nicht. Aber Paulus hatte einen anderen Weg gefunden, zum Segen der Thessaloni-cher zu wirken. Können wir umgekehrt auch sagen, dass der Heilige Geist uns immer hindern will, etwas Verkehrtes zu tun? Ja, Er will uns immer vor verkehrten Wegen bewahren, selbst wenn es vermeintlich gute Wege sind, die an sich auch nicht böse sein müssen, die aber in dem Augenblick nicht dem Willen des Herrn entsprechen. Wie können wir die-se beiden Dinge unterscheiden? Es ist uns nur möglich, wenn wir uns ganz nah beim Herrn aufhalten. Bei Paulus war das so, er hatte nur ein einziges Ziel: nämlich dem Herrn zu folgen. Wenn der Geist Jesu es ihm einmal nicht erlaubte, nach Bithynien zu reisen (Apg 16,7), muss Er ihnen vielleicht in einer ähnlichen Weise entgegengetreten sein, wie es hier in Vers 18 geschildert wird. Das Verhindern bedeutet doch, in irgendeiner äußeren Weise einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, während das Nicht-Erlauben des Geistes Jesu dem Paulus wohl durch innere Übungen deutlich gemacht wurde. Es muss ein ganz zartes Empfinden bei Paulus gewesen sein, und das wird er seinen Begleitern mitge-teilt haben. Und als er dann das Gesicht des mazedonischen Mannes gesehen hatte, hat er wieder mit seinen Begleitern gesprochen, denn dann heißt es in Apg 16,10, dass sie gemeinsam eine einmütige geistliche Schlussfolgerung daraus gezogen haben – sicher nicht ohne Gebet!

Wir sollen daraus lernen, dass wir unsere eigenen Wünsche immer hintenan stellen müssen und nur das Ziel haben, den Willen des Herrn zu tun; dabei ist die Liebe zum Herrn und die Liebe zu den Gläubigen ganz ganz wesentlich. Denn dann wird niemals das Eigene im Vordergrund stehen (vgl. Lk 22,42). Die Liebe zu Ihm muss immer unsere Kompass-nadel sein, sie wird uns immer in Seiner Nähe und in völliger Trennung von der Welt führen. Nur die Liebe zum Herrn bewahrt uns wirklich vor der Welt!

„Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus Christus bei seiner Ankunft? Denn ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude.“ (Vers 19+20)

Diese beiden Verse geben mit dem denn am Anfang den Grund an, weswegen Paulus die Thessalonicher so sehr liebte und unbedingt besuchen wollte. Er erfreute sich an ihnen in der Gegenwart und auch im Blick auf die zukünftige An-kunft des Herrn. Dieses liebliche Band der Zuneigung, das Paulus in diesem Vers zu den Thessalonichern ausdrückt, kommt auch in anderen Beziehungen zum Ausdruck (z.B. Phil 4,1; 1. Joh 2,28). Er war getrennt von ihnen, aber nur geographisch, sein Herz hing an diesen jungen Gläubigen. Wie würden sie sich verhalten in ihren Drangsalen, von de-nen er wusste? Sie benötigten Glaubensstärkung und Ermunterung, und er wusste nicht, ob er sie würde besuchen kön-nen, um ihnen zu helfen. Wir haben gesehen, dass es mindestens fünf Jahre gedauert hat, bis er sie tatsächlich noch einmal besuchen konnte. Deshalb drückt er jetzt hier seine Freude darüber aus, dass er sie sehen würde bei der Ankunft des Herrn.

Man kann vielleicht sagen, dass hier mehr die Seite unserer Freude bei der Ankunft des Herrn Jesus im Vordergrund steht; in 1. Thes 3,13 ist mehr die Seite unserer Verantwortung, und in 1. Thes 5,23 die Seite von dem, was Gott tun wird bei der Ankunft des Herrn Jesus.

Vers 17 hatte die Sehnsucht des Apostels gezeigt, zu den Thessalonichern kommen zu wollen, in Vers 18 haben wir dann gefunden, dass Satan das verhindern konnte; aber in den Versen 19 und 20 zeigt Paulus nun, dass Satan wenigs-tens zwei Dinge nicht verhindern kann: zum einen die Tatsache, dass Paulus doch mit seinen geliebten Thessalonichern zusammentreffen wird; das mag dauern, das mag sogar dauern bis zur Ankunft des Herrn Jesus, aber spätestens da wer-den sie gemeinsam diese Freude teilen. Und zweitens kann Satan auch nicht die Gegenwart des Herrn Jesus auf dieser Erde verhindern, dieses Ereignis wird einmal stattfinden. Er mag jetzt die Diener des Herrn behindern, aber es wird einmal der Augenblick kommen, wo Christus auf diese Erde kommen und hier gegenwärtig sein wird.

Dass es um die Zukunft geht, macht der Ausdruck „wer ist unsere Hoffnung“ deutlich. Hoffnung spricht davon, dass das, wovon er hier spricht, noch in der Zukunft liegt. Zweitens spricht er davon, dass dies mit Freude verbunden sein wird, das Werk an den Thessalonichern ist nicht vergeblich; er wird auch später eine innere Freude haben an jenem Tag der Ankunft. Und der Ausdruck Krone des Ruhmes macht deutlich, dass es auch ein Sichtbar-Werden von dem geben wird, was in den Herzen der Thessalonicher bewirkt werden konnte. Diese Krone des Ruhmes hat nichts mit den ande-ren zukünftigen Kronen zu tun, die wir in den Briefen finden und die der Herr uns einmal geben wird. Hier geht es da-rum, dass die Existenz der Thessalonicher als wiedergeborene Gläubige praktisch die Krönung des Dienstes des Paulus für den Herrn unter ihnen ist; sie waren das Resultat seines Dienstes, zur Ehre des Herrn und zu seiner Freude. Die Er-füllung dieser Hoffnung, diese Freude und diese Krone des Ruhmes würden er und seine Mitarbeiter gemeinsam mit den Thessalonichern an jenem Tag der Ankunft und Gegenwart des Herrn erleben und genießen. Aber dass das für den Apostel nicht nur zukünftig ist, zeigt Vers 20, für ihn war es schon in der Gegenwart des damaligen Tages Realität.

Frage: Ist unter der Ankunft des Herrn Jesus in diesem Vers nicht auch schon Sein Kommen zur Heimholung der Erlös-ten zu sehen? Denn schon beim Kommen des Herrn um uns heimzuholen, nicht erst am Richterstuhl des Christus, wo die Kronen verteilt werden, würde Paulus unter der unermesslichen Schar der Gläubigen seine Thessalonicher wieder-sehen und würde sich ab dem Augenblick daran freuen und in ihnen eine Krone sehen, bevor der Herr Jesus ihm die Krone der Gerechtigkeit geben wird. In dieser Krone des Ruhmes ist nicht ein Lohn zu sehen, den der Apostel vom Herrn bekommen wird, sondern dass sie für ihn schon jetzt ein Lohn waren, den er schon ab dem Zeitpunkt der Entrü-ckung genießen würde.

Die Entrückung, die Heimholung schenkt uns in erster Linie die Freude der Gemeinschaft mit dem Herrn, aber zugleich auch die Freude der Gemeinschaft mit allen Heiligen. Bewegt uns dieser Gedanke auch? „Nicht einer fehlt, Du riefst sie alle“! Paulus blickt hier einer herrlichen Aussicht zusammen mit den Thessalonichern entgegen. Gegenwärtig waren sie getrennt, aber Satan würde nicht verhindern können, dass sie dann schließlich doch gemeinsam – er, der Diener, und sie, die Bedienten – die Früchte seiner Arbeit genießen konnten. Wann wird dieser Zeitpunkt sein? Wann würden sie die Früchte dieser Arbeit gemeinsam genießen? Ist es erst bei Seiner Ankunft, wenn sie gemeinsam die Ergebnisse sei-ner Arbeit sehen werden? Oder erkennen sie diese Früchte schon bei der Entrückung und haben daran gemeinsam ihre Freude? Die Früchte sind die Gläubigen, sind nicht der Eifer oder die Treue der Thessalonicher, also nicht das, was die Thessalonicher getan haben. Hier wird aber nichts von dem gesagt, was die Thessalonicher getan haben, sondern sie selbst als die Ergebnisse der Arbeit des Apostels angesprochen.

Das Wort Ankunft ist im Griechischen parousia, und ist eine Zusammensetzung einer Präposition mit einem Haupt-stamm mit der Bedeutung gegenwärtig sein, anwesend sein. Es meint also die Ankunft und das daran anschließende Anwesend-Sein als das Ergebnis der Ankunft. Es lässt sich also sowohl auf das Kommen des Herrn zur Entrückung be-ziehen, als auch auf Seine Erscheinung (vgl. 2. Thes 2,8). Man muss sich also beim dem Ausdruck Ankunft immer fra-gen, welcher Gedanke und Aspekt jeweils gemeint ist.

Wenn es um die Belohnung vor dem Richterstuhl geht, werden niemals Menschen als Ergebnis von Arbeit als Lohn ge-geben. Paulus schreibt: Ihr seid unsere Krone des Ruhmes. Es geht nicht um das, was die Thessalonicher getan hatten oder Paulus getan hatte. Die Grundlage für den Lohn am Richterstuhl ist dagegen das, was in der Gesinnung des Herrn für Ihn und an den Gläubigen getan wurde, die Treue, in der eine Dienerin oder ein Diener für Ihn gearbeitet hat.

Es ist ein ernster Gedanke, ob der Apostel wohl im Blick auf die Korinther oder die Galater auch hätte sagen können, dass sie seine Freude oder Krone des Ruhmes seien? Diese Aussage über die Thessalonicher ist eine Auszeichnung für sie für die Treue, die sie in den Leiden mit ihrer Standhaftigkeit beweisen hatten! Was ist unsere Herrlichkeit und Freu-de? Was sind die Dinge, an denen wir uns jetzt erfreuen und die uns jetzt wichtig sind und womit wir uns jetzt schmü-cken? Ist es das, woran Paulus seine Freude im Blick auf die Thessalonicher haben konnte?

Die Hinweise auf das Kommen des Herrn in den einzelnen Kapiteln zielen nicht immer auf das gleiche Ereignis ab. In Kap 1,10 ist es wohl der Zeitpunkt der Entrückung; in Kap 2,19 kann vielleicht beides darin gesehen werden, sowohl die Entrückung als auch Seine Erscheinung; in Kap 3,13 ist es deutlich Seine Erscheinung; in Kap 4,16+17 geht es wieder um die Entrückung; und in Kap 5,23 wieder um Seine Erscheinung.

„Deshalb, da wir es nicht länger aushalten konnten, gefiel es uns, in Athen allein gelas-sen zu werden“ (Kap 3,1)

In Kapitel 3 haben wir drei Abschnitte, die das Kapitel auch sehr gut einteilen. In den Versen 1–5 finden wir, wie Pau-lus den Timotheus nach Thessalonich gesendet hat, und warum er das getan hat. Die Verse 6–10 zeigen uns die Freude des Apostels Paulus über die Nachricht, die Timotheus über den Zustand der Thessalonicher gebracht hatte. Und die Verse 11–13 sind ein indirektes Gebet, das der Apostel Paulus für die Thessalonicher hatte im Hinblick auf die beiden großen Themen Liebe und Heiligkeit, und das wird dann wieder verbunden mit der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen Seinen Heiligen.

Paulus war über Beröa nach Athen gegangen, dort waren seine Mitarbeiter Timotheus und Silas wieder mit ihm zu-sammengetroffen. Paulus konnte die beiden gut gebrauchen, es waren wichtige Mitarbeiter für ihn. Und trotzdem wollte er lieber in Athen allein gelassen werden und sandte Timotheus nach Thessalonich. Dieses allein gelassen werden hat wirklich den Gedanken von Einsamkeit. Aber „die Liebe sucht nicht das Ihre“ (1. Kor 13,5). Paulus hätte Timotheus für sich gebrauchen können, aber er gab ihn trotzdem zurück nach Thessalonich – ein Ausdruck seiner Liebe für die Thes-salonicher.

Was konnte wohl Paulus nicht länger aushalten? Wenn wir diesen Ausdruck gebrauchen, meinen wir meistens unsere eigenen Umstände und Schwierigkeiten und Nöte, in denen wir uns befinden und von denen wir meinen, dass wir sie nicht länger aushalten können. Das meint Paulus hier nicht. Er konnte die Ungewissheit nicht länger aushalten, nicht zu wissen, wie es um seine geliebten Thessalonicher stand. Er hatte also das Wohl der anderen vor Augen, und deswegen war er bereit, seine eigene Situation menschlich gesprochen noch zu erschweren, und es gefiel ihm, allein gelassen zu werden.