Jephta (Richter 11)

Jephtas Stärken und sein wunder Punkt werden direkt im ersten Vers von Richter 11 beschrieben. Er war ein tapferer Held, aber der Sohn einer Hure. Ähnlich wie bei Gideon, der zum ärmsten 1000 von Manasse gehörte, war sein Defizit etwas, für das er gar nichts konnte. Gott sah in ihm einen tapferen Helden. Dies wird zuerst genannt. Die Menschen jedoch schauten auf seine Herkunft und so wurde er von seinen Brüdern gehasst, enterbt und vertrieben. Als Folge schlug er sich als unfreiwilliger Abenteurer mit einigen Gefolgsleuten mit z. T. zweifelhaften Hintergrund durch, ähnlich wie auch David bei seiner Flucht vor Saul.

Als Israel dann von den Ammonitern angefeindet wird, erinnern sich seine alten Verwandten und Bekannten an seine Fähigkeiten im Kampf und bieten ihm einen Handel an. Sollte Jephta mit ihnen die Ammoniter besiegen, sollte er zum Haupt und Anführer seiner Familie und von Teilen seines Stammesgebietes werden. Sehr positiv ist hier zu sehen, das Jephta zum Wohle des Volkes entscheidet und einwilligt. Wie reagieren wir, wenn wir verletzt wurden und dann plötzlich gebraucht werden? Reagieren wir mit einem: „Jetzt auch nicht mehr! Ihr hattet eure Chance“ – oder können wir eine Entscheidung zum Wohle des Volkes Gottes treffen? Können wir Verletzungen heilen lassen oder bleiben wir für immer in einer „Schmollecke“? Jephta handelt hier vorbildlich.

Dennoch gibt es im Detail leider auch Schwächen zu bemängeln. Er willigt erst ein, und dann redet er mit Gott. Umgekehrt wäre es besser gewesen. Die Führerschaft zu akzeptieren hat Gott auch gewollt, aber bei dem Begriff „Haupt“ hätte Jephta stutzig werden sollen. In diese „Falle“ war Gideon nicht getappt. Er erwiderte bei ähnlichem Angebot: „Nicht ich will über euch herrschen, und nicht mein Sohn soll über euch herrschen; der HERR soll über euch herrschen“ (Richter 8,22). Haupt sollte Gott sein und keiner sonst.

Anschließend sehen wir einen weiteren bemerkenswerten Zug Jephtas. Er zieht nicht sofort in den Kampf, sondern macht auch den Ammonitern zunächst ein Friedensangebot. Anstatt ein strahlender Kriegsheld zu werden, dachte er hier auch an die vielen Menschen, die im Kampf fallen würden. Wieder sehen wir, dass das Gemeinwohl bei ihm vor dem individuellen Nutzen steht. Erst als dieses Angebot abgelehnt wird, beginnt der Krieg. Der Geist Gottes kam vorher über Jephta, Gott war mit ihm.

Doch anstatt aus der Geschichte Gideons zu lernen, dass aller Erfolg von Gottes Gnade abhängig ist und der Mensch letztlich nichts zu einem Sieg dazu tun kann, außer Gott Gehorsam zu sein, gibt Jephta Gott ein Gelübde. So ein Verhalten war schon das Problem des ganzen Volkes Israel in der Wüste gewesen. Gott wollte in seiner Gnade der Gott Israels werden. Doch unnötigerweise machten die Israeliten zusätzlich Gott das Versprechen: „Alles, was du sagst, wollen wir tun!“ (2. Mose 19,8). Diesen Satz hätte Gott nie verlangt, denn er wusste ja, dass dies nicht möglich sein würde. Ähnlich macht das hier Jephta. Er sagt: „Wenn du die Kinder Ammon wirklich in meine Hand gibst, so soll das was zur Tür meines Hauses herausgeht, mir entgegen, wenn ich in Frieden von den Kindern Ammon zurückkehre, es soll dem HERRN gehören, und ich werde es als Brandopfer opfern!“ (Richter 11,28).

Dies hört sich auf den ersten Blick sehr fromm an. Man muss natürlich auch sehen, dass Gelübde damals unter Gesetz durchaus üblich waren. Auch Paulus tat noch Gelübde. Grundsätzlich sprechen diese Gelübde (siehe auch Simson) ja von besonderer Hingabe an den Herrn für eine gewisse Zeit. Hier scheint es mir jedoch unangebracht zu sein. Die Leute, mit denen Jephta damals in den Krieg zog, waren weit von Gott abgewichen und Götzendiener. Es war nicht die Zeit für Gelübde, sondern die Zeit (wie bei Gideon), die Gnade Gottes in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Sieg hatte nichts mit menschlichem Verdienst oder Treue zu tun, wie z. B. noch bei Othniel am Anfang des Buches der Richter.

Wenn wir das auf die heutige Zeit anwenden, so können auch Gläubige heute solche „Gelübde“ haben. Sie glauben zu der Errettung der Seele noch etwas mit guten Werken beitragen zu müssen. Aber die Rettung vom Teufel und der Sünde basiert alleine auf dem Werk des Herrn Jesus auf Golgatha. Da gibt es nichts, was wir Menschen noch dazu tun könnten, außer Gehorsam zu sein, Buße zu tun und daran zu glauben. Die Freude über diese Errettung führt dann im Nachhinein dazu, dass wir aus Dankbarkeit Gott anbeten (Brandopfer), und dass unser Leben ein geistliches Schlachtopfer (Römer 12,1) ist. Aber wir tun dies dann nicht aus einer äußeren Verpflichtung heraus, sondern freiwillig.

Als Jephta am Tag seines Sieges voll Freude nach Hause kam, kam seine einzige Tochter aus dem Haus. So wurde aus dem Tag der Freude für ihn ein Tag der Traurigkeit. An diese Möglichkeit hatte er nicht gedacht. Über das wunderbare Verhalten der Tochter möchte ich hier nichts sagen, sondern bei Jephta bleiben. Was blieb nun für ihn übrig. Das Gelübde brechen? Für ihn kam das nicht in Frage. Direkt sieht er nur die eine furchtbare Option, nämlich seine eigene Tochter zu schlachten. Hat Gott das gewollt? Auf keinen Fall. In Hesekiel 23,37 gibt Gott seine Meinung zu Kinderopfern ab, wie sie später in Israel leider üblich waren: „Denn sie haben Ehebruch getrieben, und Blut ist an ihren Händen; und mit ihren Götzen haben sie Ehebruch getrieben, und sogar ihre Kinder, die sie mir geboren, haben sie ihnen durch das Feuer gehen lassen zum Fraß. Noch dieses haben sie mir getan: Sie haben mein Heiligtum an diesem Tag verunreinigt und meine Sabbathe entweiht. Denn wenn sie ihre Kinder ihren Götzen schlachteten, so kamen sie an demselben Tage in mein Heiligtum, es zu entweihen; und siehe, so haben sie getan inmitten meines Hauses.“

Gott wollte und will Menschen retten. Das einzige menschliche Opfer was gebracht werden musste, war der Herr Jesus selbst. Dieses Opfer war nicht zu verhindern. Doch daneben sollte nie ein Mensch Gott geopfert werden. Tiere konnten wie schon bei Isaak anstatt eines Menschen gegeben werden. Vielleicht war Jephta von den Kulten aus den Nachbarvölkern jedoch schon so eingenommen, dass er diese Tat für unumgänglich hielt.

Doch es hätte nach dem mosaischen Gesetz einen Ausweg gegeben. In 2. Mose 12 steht geschrieben, dass alle männliche Erstgeburt Gott als Opfer gehörte, weil er Israels Erstgeborene beim Auszug aus Ägypten verschonte. Daher sollte alle Erstgeburt der reinen Tiere Gott geopfert werden. Für die unreinen Tiere wurde ein reines Tier stellvertretend geopfert. Ebenso wurden auch die erstgeborenen Söhne nicht geopfert, sondern ein reines Tieropfer oder eine Silbergabe wurde als Lösung (im Sinn von „erlösen vom Gericht“) gegeben. Gott hätte eine solche Lösung für Jephtas Tochter mit Sicherheit akzeptiert. Sie hätte nicht sterben müssen. Doch Gott griff hier auch nicht, wie bei Isaak, aktiv ein. Es war Jephtas Verantwortung das Gelübde zu tun und so musste er die Folgen seines Gelübdes tragen.

Vielleicht war Jephta aber auch zu stolz einen Ausweg zu suchen. Er war der Sohn einer Hure. Er war in Sünden geboren und dass hatte man ihn ständig spüren lassen. Erschien es da nicht besonders fromm, das jetzige Versprechen zu halten. Konnte er so nicht allen zeigen, wie rein und religiös er geworden war, da er jetzt sogar bereit war die eigene Tochter zu opfern. So erschien er nicht nur als ein Kriegsheld, sondern auch noch als ein Mann der sein Wort hielt, koste es was es wolle. Sein Ruf war damit ein für alle Mal gerettet. Niemand würde ihn mehr Hurensohn schimpfen, sondern alle würden mit Hochachtung an sein Opfer denken. Jephta liebte seine Tochter bestimmt sehr und man sieht wieviel „Werte“ er ihr mitgegeben hat. Daher hat er bestimmt nie bewusst so gedacht. Aber sein Unterbewusstsein mag ihn so geleitet haben, sodass wir nicht finden, dass er einen Ausweg suchte. Auf jeden Fall können wir aus seinem Verhalten einiges lernen.

Man kann in Jephta jemanden sehen, der errettet wird, ohne ein gläubiges Umfeld, Eltern etc. zu haben. Interessanterweise hatte Jephta offensichtlich „nur“ eine Frau und blieb dieser treu. Bei Simson war dies anders. So sind die Verlockungen der Welt für Menschen aus ungläubigem Umfeld oft nicht so groß wie für solche von gläubigen Eltern. Jephta hatte darunter gelitten, dass sein Vater diesen Verlockungen erlegen war. So etwas wollte er seiner Tochter nicht antun. Auf diesem Gebiet war er nicht so gefährdet. Doch man hatte ihm ein „Etikett“ verpasst. Vielleicht fühlte er sich unrein, nicht für ernst genommen etc. Er gehörte nicht richtig dazu.

Das kann auch passieren, wenn Menschen von „draußen“ zum Glauben kommen, aber die Gläubigen sie nicht in der richtigen Weise aufnehmen. Sie werden vielleicht sogar auf Dinge angesprochen die ihnen noch gar nicht klar sind (z. B. kurze Haare, Tattoos, etc.). In der Folge glauben sie vielleicht sich besonders beweisen zu müssen. Sie wandern von einem Extrem ins andere. Aus moralischer Verweltlichung wird schlimmstenfalls Gesetzlichkeit. Sie wollen ihr „Etikett“ loswerden. Eine Folge kann sein, dass sie dann ihren Kindern dadurch mehr Schaden zufügen als er z. B. durch „Verweltlichung“ entstanden wäre. Jephta hatte sich vielleicht vorgenommen, dass seine Tochter niemals unter seinen Entscheidungen so leiden sollte, wie er unter dem Fehltritt seines Vaters zu leiden hatte. Doch am Ende, war das, was er ihr antat, schlimmer, als das, was er selbst zu erleiden gehabt hatte. Hier hatte Satan offensichtlich den richtigen Angriffspunkt gefunden.

Ein positiver Fall von der „Integration“ einer Ungläubigen finden wir bei Rahab. Sie war nicht nur die Tochter einer, sondern sogar selbst eine Hure. Doch die Israeliten sorgten dafür, dass dieses „Etikett“ nicht maßgeblich wurde für ihr Leben, sondern dass sie inmitten des Volkes aufgenommen wurde. Zwar wird auch im NT oft erwähnt, dass Rahab eine Hure war. Doch diese Stellen sollen sie nicht beschämen, sondern zeigen Gottes Gnade oder ihren besonderen Glauben. So sollen auch wir persönlich nicht vergessen, wo wir herkommen und woraus wir gerettet wurden. Gegenüber anderen sollen die Sünden der Vergangenheit jedoch kein Thema mehr sein, wenn sie bekannt wurden. Wir sollen uns nicht für besser halten als andere, auch wenn wir vielleicht äußerlich gesehen weniger gesündigt haben.

Im letzten Abschnitt über Jephtas Leben gibt es wie bei Gideon Streit mit den Ephraimitern. Während Jephta mit den Kindern Ammon noch über Frieden verhandelt hatte, führten seine Entscheidungen nun zu einer unnötigen Konfrontation. Hier hätte er von Gideon positiv lernen können. Die Situation ist allerdings noch etwas anders als bei Gideon. Während der Kampf Gideons tatsächlich auch unmittelbar Ephraim betraf, kamen sie hier über den Jordan in die Ostgebiete. Sie hatten eigentlich gar nichts mit dem Kampf zu tun. Auch sind ihre Anfeindungen noch heftiger. Daher ist die Reaktion Jephtas menschlich sehr verständlich. Doch hätte er mit Gottes Hilfe den Tod von über 40.000 Israeliten wohl verhindern können. So wurde das Volk geschwächt. Aber wieder ging es auch um Jephtas Stolz und Ruf. Er wurde als Flüchtling, also als Feigling beschimpft. Man wollte ihm wieder ein negatives „Etikett“ anheften. Was lag da näher als im Kampf zu zeigen, wer der Stärkere war und wer dann flüchten musste.

So sehen wir, dass die Angriffspunkte und Defizite Jephtas anders lagen, als bei Gideon. So gibt es auch in unserem Leben nicht für jede Situation eine geistlichen „Musterlösung.“ Wir brauchen täglich die Abhängigkeit von Gott und das Bewusstsein unserer eigenen Angriffsflächen um Gottes Gnade und Schutz dafür zu erbitten und wachsam zu sein.