Das Großartige daran, gerechtfertigt zu sein, ist, dass Gott uns nicht mehr so sieht, wie wir einst waren, nämlich als Sünder, weil wir jetzt in einer neuen Position vor ihm sind. Dies wird in 4. Mose 23 beispielhaft dargestellt. Bileam weissagte über Gottes Volk von Gottes Standpunkt aus („von der Spitze des Felsens“) und verdeutlichte damit, was das Werk Christi am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten aus den Christen machen würde (Röm 4,25). Von diesem Standpunkt aus betrachtete Gott Israel nicht so, wie es in der Wüste tatsächlich war, was seinen Zustand betraf, der ganz und gar beklagenswert war. Bileam sagte: „Er (Gott) erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel“ (4. Mo 23,21). Der Prophet sagte nicht, dass Gott blind gegenüber ihren Fehlern war; er sprach in der Kraft des Geistes darüber, wie Israel vor Gott dastand, und bildlich darüber, wie wir durch das vollendete Werk Christi vor Gott stehen.

Christen sind keine Sünder mehr

Da sich unsere rechtliche Stellung vor Gott geändert hat und wir von Ihm nicht mehr als Sünder angesehen werden, ist es für Christen nicht mit der Wahrheit der Rechtfertigung vereinbar, sich als „arme Sünder“ zu bezeichnen. Es leugnet, was Gott durch den Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi getan hat, und es ist unter der Würde der Stellung, in die wir als „Söhne Gottes“ gesetzt worden sind (Röm 8,14; Gal 4,4–7; Eph 1,5). Gläubige können sündigen, und leider tun sie das manchmal auch, wenn sie ihrer alten Natur freien Lauf lassen, aber sie werden vor Gott nicht als Sünder eingestuft. Es wäre verständiger, zu sagen, dass wir einst Sünder waren. Wir sind uns bewusst, dass Christen, die sich selbst als Sünder bezeichnen, damit Demut ausdrücken wollen, aber leider ist das kein zutreffender Ausdruck für das, was die Gnade Gottes aus uns in Christus gemacht hat.

W. Kelly sagte: „Manche Leute sprechen von einem ,gläubigen Sünder‘ oder von der Anbetung, die Gott von ,armen Sündern‘ dargebracht wird. Viele Lieder bringen die Seele tatsächlich nie über diesen Zustand hinaus. Aber was im Wort Gottes mit ,Sünder‘ gemeint ist, ist eine Seele, die ganz und gar keinen Frieden hat, eine Seele, die vielleicht ihren Mangel an Christus spürt, weil sie durch den Geist erweckt wurde, aber ohne das Wissen um die Erlösung. Es ist keine Wahrhaftigkeit, das zu leugnen, was Heilige in den Augen Gottes sind“ (Lectures on the Epistle to the Galatians, S. 47).

W. Kelly sagte auch: „Unter zu vielen Christen herrscht die Unsitte vor, von ,erretteten Sündern‘ zu sprechen. Meiner Meinung nach ist das nicht nur ungenau, sondern auch irreführend und gefährlich. Die Heilige Schrift kennt keinen ,erretteten Sünder‘. Wir können uns über einen Sünder freuen, der errettet wird, aber wenn wir den Ausdruck ,erretteter Sünder‘ zulassen, ist die moralische Auswirkung, dass er, obwohl er gerettet ist, immer noch frei ist, zu sündigen. … Es ist vollkommen richtig, dass Gott, wenn Er beginnt, sich mit einer Seele zu befassen, sicherlich mit ihr als Sünder beginnt; aber Er bleibt niemals dabei stehen. Ich bin mir keiner Stelle im Wort Gottes bewusst, in der ein Gläubiger, außer vielleicht in einem Übergangszustand, jemals als ,Sünder‘ bezeichnet wird … Es ist offensichtlich, dass es einfach ein glatter Widerspruch ist, gleichzeitig ein Heiliger und ein Sünder zu sein. Kurz gesagt, die Heilige Schrift billigt eine solche Kombination nicht, und je eher wir uns von solchen Ausdrücken befreien, die keinen besseren Namen als religiöses Gerede verdienen, desto besser für alle Beteiligten“ (Lectures Introductory to the New Testament, S. 213–214).

In Jakobus 5,19.20 gibt es eine Ausnahme davon. Jakobus nennt einen in Sünde gefallenen Gläubigen einen „Sünder“, aber nicht im Sinne einer Stellung, wie Paulus das Wort verwendet. Jakobus spricht von dem, was einen Gläubigen kennzeichnet, der in seinem Leben hartnäckig einen Weg der Sünde verfolgt.

Gläubige des Alten Testaments hatten diesen Segen nicht

Die Gläubigen des Alten Testaments waren nicht so gesegnet, denn zu ihrer Zeit gab es keinen verherrlichten Menschen zur Rechten Gottes, in dem sie Rechtfertigung haben konnten. Abraham war gerechtfertigt in dem Sinne, dass er für gerecht befunden wurde (Röm 4,2.3), aber er hatte keinen neuen Platz vor Gott „in Christus“, wie es das Evangelium des Paulus verkündet. Dies ist ein christlicher Segen, der auf dem Tod und der Auferstehung Christi beruht (Röm 4,25). Diesbezüglich sagte J.N. Darby: „Der Unterschied ist sehr real, weil die rechtfertigende Vergebung (die im Alten Testament unbekannt war) jetzt ein für alle Mal vollständig ist, wie Hebräer 9–10 sagt – ,kein Gewissen mehr von Sünden‘“ (Letters, Bd. 2, S. 275).