Deshalb hören wir auch nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht“ (Vers 9)

Die Verse 9 bis 20 könnten mit zwei Fragen aus der Bekehrungsgeschichte des Apostels Paulus überschrieben werden. In den Versen 9 bis 11 geht es um die Frage: „Was soll ich tun, Herr?“ (Apg 22,10); und in den Versen 12 bis 20 um die Frage: „Wer bist du, Herr?“ (Apg 22,8). Und wenn uns die Antwort auf die zweite Frage wirklich beeindruckt, wenn uns die Größe der Person des Herrn wertvoll wird, dann wird uns es uns leichter fallen, die erste Frage zu verwirklichen. Es werden uns 10 Herrlichkeiten oder Würden des Herrn Jesus in diesen Versen vorgestellt: Er ist der Herr (Vers 10), Er ist der Sohn Seiner Liebe (Vers 13), Er ist der Erlöser (Vers 14), Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes (Vers 15), Er ist der Erstgeborene aller Schöpfung (Vers 15), Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung (Vers 18), Er ist der Anfang der neuen Schöpfung (Vers 18), Er ist der Erstgeborene aus den Toten (Vers 18), es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle [der Gottheit], in Ihm zu wohnen (Vers 19), und Er ist der Versöhner (Vers 20).

Aus den Versen 9 bis 11 können wir Grundsätze entnehmen für die Erkenntnis des Willens Gottes. Was hindert uns oft daran, den Willen Gottes zu erkennen? Es ist unser böser Eigenwille. Wenn wir selbst etwas wollen, können wir den Willen Gottes nicht erkennen. Und diese drei Verse zeigen uns drei wichtige Grundsätze oder Voraussetzungen:

  • Vers 9: Was haben wir für einen Zustand unserer Seele? Der Herr macht unsere Einsicht abhängig von unserem Herzenszustand.

  • Vers 10: Was ist der Charakter unseres Wandels und unserer Werke? Wollen wir würdig des Herrn wandeln?

  • Vers 11: Holen wir uns am rechten Ort die Kraft, um den Willen Gottes zu tun? In uns selbst dürfen wir diese Kraft nicht suchen.

Wie können wir den Willen Gottes erkennen? Lk 11,34–36 zeigt uns, dass das Erkennen des Willens des Herrn abhängig ist von dem Zustand unserer Seele. Im Vergleich mit Mt 6,22+23 betont Lukas ausdrücklich, dass der ganze Leib Licht ist und keinen finsteren Teil hat. Das scheint anzudeuten, dass wir Licht haben in uns, und doch einen gewissen Bereich vorhalten, wo wir das Licht nicht einlassen wollen! Und dann gibt es Schwierigkeiten bezüglich des Erkennens des Willens des Herrn. Auch alten und bewährten Brüdern kann es noch Mühe machen, in der einen oder anderen Sache den Willen des Herrn zu erkennen. Auch sie stehen oft noch vor der Frage: Soll ich dieses oder jenes tun? Und wenn trotz vielem Gebet keine letzte Klarheit entsteht, kann der Satz aus Apg 16,10 ein Trost sein: „…da wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe“.

Wir sollten das doch bis zum Schluss vor einer Entscheidung offen lassen und versuchen, in der Abhängigkeit vom Herrn zu bleiben. Oft haben wir Wünsche und Beweggründe in unseren Herzen, die uns hindern können, den Willen des Herrn zu erkennen. Wenn der Herr nicht eine direkte Antwort gibt in einer bestimmten Frage vor einer Entscheidung, müssen wir vielleicht in einer Wartezeit lernen, frei zu werden von falschen Motiven. Die Handlung eines unabhängigen Willens ist das Prinzip der Sünde (JND). Deshalb wollen wir auf Seine Unterweisung warten (Ps 32,8).

Der Herr Jesus kannte den Willen des Vaters, weil Er Ihn kannte! Ein Kind erkennt den Willen seines Vaters, wenn es viel bei ihm ist. Wenn wir wirklich in Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater unseren Weg gehen, dann werden viele Fragen wesentlich einfacher für uns werden. Dazu gibt uns auch schon das Alte Testament wertvolle Hinweise: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis“ (Spr 1,7). Daniel z.B. kannte die Gedanken Gottes, und er bekam von Gott auch Weisheit und Einsicht, um zur rechten Zeit das Rechte zu tun (Dan 1,17). Wenn wir den aufrichtigen Wunsch in unseren Herzen haben, Seinen Willen zu tun, dann wird Er ihn uns auch kundtun (vgl. Ps 25,12+14).

Bruder Darby hat einmal gesagt, die Erkenntnis des Willens Gottes in uns ist nicht etwas, dem man immer hinterherlaufen muss. In seinem Büchlein „Gepflanzt an Wasserbächen“ ist ein Aufsatz enthalten mit dem Titel: „Wie kann ich den Willen Gottes erkennen“1. Wir sollen erfüllt sein mit der Erkenntnis des Willens Gottes. Christus ist unser Leben (Kol 3,3), wir haben ein neues Leben, eine neue Natur in uns, deren einziger Wunsch und einzige Fähigkeit es ist, den Willen Gottes zu tun. Und jetzt ist die Frage: was hat in meinem Leben den Vorrang? Nähren wir die alte Natur in uns, dann wird der Platz für das Entfalten des neuen Lebens immer kleiner, und der Raum für die Erkenntnis des Willens Gottes wird immer kleiner – und schlussendlich lassen wir uns nur noch von unseren natürlichen Empfindungen und Neigungen leiten. Es gehört eine innere Bereitschaft dazu, den Willen des Herrn nicht nur zu kennen sondern auch zu tun (Joh 7,17); oft fragen wir nach dem Willen, und wollen ihn doch eigentlich in unserem Innern gar nicht tun, wie es bei Bileam der Fall war. Manchmal gibt Gott uns auch unseren eigenen Willen, wenn wir ihn unbedingt tun wollen; doch die Freude darüber ist nur kurz, und die Folge davon ist immer Magerkeit in der Seele (Ps 106,15)! Wieviele Gläubige haben die Wahrheit dieser Worte schon erfahren müssen, wenn es z.B. um die Wahl eines Ehepartners ging, oder auch um die Frage, ob man aus einer Ehe wieder auseinandergehen könne.

Grundlage für die Erkenntnis des Willens Gottes ist das Lesen des Wortes Gottes. Und dann sollen wir Weisheit haben, d.h. uns über das zu freuen, was wir lernen aus Gottes Wort, Freude zu haben am Willen Gottes. Wenn wir Widerstand haben gegen den Willen Gottes, dann können wir Seinen Willen nicht erkennen. Und das wollen wir besonders auch den jungen Geschwistern an Herz legen, besonders denen, die noch nicht verheiratet sind: nutzt die Zeit, das Wort Gottes zu lesen. Es wird später nicht mehr so viel Zeit da sein. Es kann uns dahin führen, dass wir nicht mehr weiterlesen können und Gott preisen für Seinen wunderbaren Willen. Freude haben am Willen Gottes ist eine wichtige Voraussetzung. Und daraus folgt die Einsicht, das bedeutet, Gottes Wort richtig in den Umständen anwenden können. Und es ist mit Herzensübungen verbunden, es nicht falsch in den Umständen anzuwenden. Ein Bruder, der 16 Stunden am Tag arbeitet und nur das Eine kennt: „Gehe hin zur Ameise, du Fauler“ (Spr 6,6), der wendet das Wort Gottes nicht richtig in seinem Leben an. Und wenn jemand ein bisschen träge ist und nur denkt: „Vergeblich ist es für euch, dass ihr früh aufsteht, spät aufbleibt… so gibt er seinem Geliebten im Schlaf“ (Ps 127,2), dann wendet er das Wort auch falsch an.

Weisheit ist göttliche Weisheit; geistliche Einsicht ist nicht intellektuelle Einsicht, sondern vom Heiligen Geist geleitete Einsicht. Und das hat nur indirekt etwas mit Bibelkenntnis zu tun. Es mag jemand eine sehr große Kenntnis des Wortes Gottes haben, aber es kann doch sein, dass er überhaupt kein geistliches Verständnis hat. Geistliche Einsicht bekommt man nur auf dem Boden des Gehorsams, wenn ich das tun will, was in Seinem Wort steht. Und wenn ich da versage und da irgendeine Ausnahme mache, dann kann ich nicht erwarten, dass ich in irgendeinem anderen Punkt meines Lebens weiterkomme. Das ist der Hauptgrund unseres schwachen Wachstums, dass wir viel Kenntnis des Wortes Gottes haben, aber bestimmte Dinge einfach nicht tun und deshalb im geistlichen Verständnis und im geistlichen Wachstum überhaupt nicht weiterkommen.

Dieses christliche Verhalten steht in starkem Kontrast zu einem gesetzlichen Gehorsam. Um Satzungen einzuhalten braucht es keine große Kenntnis von Gott, von Seinem Wort, und auch keine Demut, keine geistlichen Übungen. Deshalb steht die christliche Verhaltensweise sehr weit erhaben über einer gesetzlichen Verhaltensweise.

Das unablässige Gebet hier meint nun nicht, dass der Apostel pausenlos gebetet hätte, sondern er hatte eine innere Haltung des Gebets. Wofür beten wir eigentlich – auch in unseren Gebetsstunden? Was sind unsere Gebetsgegenstände? Wir beten viel für die Nöte unter uns, für Kranke, für Verfolgte usw. Aber es wird im Allgemeinen wenig gebetet für das geistliche Wohl der Geschwister! Und doch sind Gebete um geistliche Belange primär vor solchen um äußere Umstände. Ein Beispiel für ein Gebet um geistliche Belange finden wir in Eph 3,14 ff.

„…um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“ (Vers 10)

Und dann folgt in Vers 10 der Charakter des Wandels, und das ist Würde. Den Wunsch zu haben, dem Herrn in aller Einfachheit und Schlichtheit zu gefallen in unserem Wandel, das ist ein geistlicher Adel! Dann folgt der Charakter der Werke, der darin besteht, dass wir jedes Werk tun möchten, um Frucht für den Herrn darin zu bringen und dass es wachsen kann, noch immer mehr zunehmen kann in unserem Leben. Vielleicht denken wir, unsere Werke sind schon an der Obergrenze; aber der Wunsch nicht ist, noch zu wachsen in diesen Werken, dann wird das dem Herrn nicht gefallen. Und die Erkenntnis Gottes ist die Kraftquelle zu allem. Wenn wir Seinen Willen erkennen, dann erkennen wir auch den, der den Willen gegeben hat.

Sind unsere Überlegungen immer die, wie ich Gott wohlgefallen kann? Denken unsere Kinder daran, wenn sie ihren Eltern gehorsam sind, dass das wohlgefällig ist im Herrn (Kol 3,20)? Und wenn wir Gutes tun und dafür leiden müssen, denken wir daran, dass das wohlgefällig ist bei Gott (1. Pet 2,20)? Fragen wir uns, was Gott wohl bei mir wohlgefällt? Vielleicht ist es einfach ein stiller Wandel, der vor Gott sehr kostbar ist. Zu allem Wohlgefallen beinhaltet nämlich auch das, was andere vielleicht gar nicht sehen und wahrnehmen können.

Gute Werke sind hier nicht nur soziale oder humanitäre oder karitative Werke, die auch in den Augen der Menschen gute Werke sind. Hier bedeutet es wohl mehr, dann auch das zu tun, was Gott gesagt hat, was in Seinen Augen gut ist. Maria hatte zunächst das gute Teil erwählt (Lk 10,42), und dann später ein gutes Werk an dem Herrn getan (Mt 26,10). In den Augen der anderen war das gar kein gutes Werk, war es sogar Verschwendung, aber für den Herrn war es sehr wohl ein gutes Werk. Die griechische Sprache kennt zwar zwei Ausdrücke für gut, nämlich einmal kalos = gut in sich selbst, und zum anderen agathos = gut in den Auswirkungen auf andere; und hier steht das zweite Wort agathos.

Der Herr Jesus konnte in Joh 8,29 sagen: „Er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue“. Bei Ihm war nicht der kleinste Raum für irgendeine Form des eigenen Willens; Seine menschliche Natur war frei von Sünde und deshalb frei von Eigenwillen (vgl. Lk 22,42).

Frucht für Gott ist das, was in unserem Leben die Charakterzüge Christi widerspiegelt. Ein Beispiel für gute Werke, die nicht Frucht für Gott sind, finden wir in Mt 6,1. Frucht bringen und wachsen, beides muss ausgewogen sein. Wenn im Natürlichen ein Baum nur noch Frucht bringt und nicht mehr wächst, dann trägt er sich tot, und wenn er nur noch wächst ohne Frucht zu bringen, dann wird er Besen genannt. Junge Geschwister, die nur auf Konferenzen und zu Vorträgen reisen, die kann man mal fragen, ob sie denn auch mal ihrer überarbeiteten Mutter im Haushalt helfen? Beides muss ausgewogen sein! Wir sollten uns auch beim Frucht bringen nicht aufhalten als wäre das eine Art Endziel für uns, sondern wir sollen immer weiter wachsen ohne mit dem zufrieden zu sein, was wir schon mal erreicht haben.

„…gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Vers 11)

Und dann werden wir in Vers 11 vom Willen Gottes zu der Person Gottes geführt und erfahren die Macht Seiner Herrlichkeit, die Kraftquelle von oben. Das Bewusstsein, dass der Herr droben verherrlicht ist und wir mit Ihm verbunden sind, das gibt uns Kraft, den Willen unseres Gottes zu erfüllen, und zwar nicht mit Seufzen und nicht mit Klagen, sondern mit Freuden – und darin auszuharren. Es ist nicht immer leicht, auf dem Weg des Herrn zu gehen, und es ist auch nicht immer interessant, es bedeutet auch manchmal, immer dasselbe zu tun, auszuharren in schwierigen Umständen. Und dann, wenn wir nach oben blicken und unseren verherrlichten Herrn droben sehen, dann können wir das auch mit Freuden tun.

Wir sprechen heute so viel von Schwachheit bei uns, fast ist es so eine Art Lieblingsvokabel unter uns geworden; alles ist so schwach und mangelhaft bei uns. Und damit entschuldigen wir manches Versagen unsererseits. Aber Gott sagt uns nicht, dass Er Verständnis dafür hat, dass wir in diesem Sinn schwach sind. Warum nicht? Weil Er uns mit aller Kraft ausrüstet, Seine göttliche Kraft hat uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt (2. Pet 1,3). Sobald wir aus unseren Umständen nach oben blicken, werden wir mit Kraft ausgerüstet. Gott ist in den Schwachen mächtig (2. Kor 12,9+10).

Die einfachen Dinge für den Herrn zu tun jeden Tag über vielleicht viele Jahre fordert Ausharren bei uns. Ausharren ist Geduld in bezug auf übende Umstände (1. Tim 6,11; 2. Pet 1,6). Der Ausdruck bedeutet wörtlich Darunterbleiben; zum Ausharren ist mehr Kraft nötig, als zum Dienst. Gott wird nicht mit Ausharren verbunden, weil Er als der souveräne, allein selige Gott nicht unter irgendwelchen Umständen bleiben muss. Wenn Er der Gott des Ausharrens genannt wird, dann meint das, dass Er uns das Ausharren, das Darunterbleiben in den Umständen schenken will. Aber Er ist langmütigt, Er hat Geduld mit Personen. Langmut ist Geduld in bezug auf übende Personen (Eph 4,2; Röm 9,22; 1. Pet 3,20).

Die Linie in diesen drei Versen ist also folgende: durch das Lesen des Wortes Gottes kommen wir zur Erkenntnis des Willens Gottes, unser Geschmack daran wird geweckt, und daraus erwächst die richtige Anwendung unserer Erkenntnis und Einsicht (Vers 9). Über die Erkenntnis Seines Willens gelangen wir zur Erkenntnis Gottes Selbst; das ist der Höhepunkt dieser Linie, dass wir das erkennen können, was Er von sich in dem Herrn Jesus offenbart hat (Vers 10). Und die Kraft, die wir dann zum Ausharren benötigen, bekommen wir von einem verherrlichten Christus (Vers 11; vgl. Phil 3,7–16). Um einen auf der Erde lebenden Christus nachzuahmen, bekommen wir die Kraft von einem verherrlichten Christus (Apg 7,55). Wie hat sich nämlich die Herrlichkeit Gottes offenbart? Im Angesicht Christi (2. Kor 3,18; 4,6).

„…danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht“ (Vers 12)

Ab Vers 12 wird den Kolossern die Herrlichkeit dessen vorgestellt, den sie aus dem Auge zu verlieren im Begriff standen. Es folgen jetzt Segnungen, die uns vom Vater geschenkt worden sind und in der Person des Sohnes zugänglich gemacht worden sind – völlig unabhängig von unserer Treue und unserem Zustand gelten sie jedem Gläubigen. Diese Segnungen sind in sich konstant, weil sie göttlich sind, und sie sind nicht von uns und unserem Zustand abhängig.

Vers 12 und 13 zeigen uns zwei Aspekte von dem, was Gott mit ehemaligen Sündern getan hat. Der erste Aspekt ist das Vaterhaus in Vers 12. Mit Erbe ist hier nicht ein Erbteil im 1000-jährigen Reich gemeint, sondern unser ewiges Los (siehe Fußnote Elberf. Bibel) ist im Vaterhaus. Dort werden wir uns ewig wohlfühlen! Das Vaterhaus ist das Endziel, das noch vor uns liegt; aber in das Reich des Sohnes Seiner Liebe sind wir schon jetzt versetzt. Aber bei beiden Segnungen geht es immer mehr um die Person, die uns das bewirkt hat, als um den Segen, der damit für uns verbunden ist. In Vers 12 ist es die Atmosphäre des Hauses des Vaters, der ungeschaffene Himmel, ein Bereich absoluten Lichtes, ein Bereich purer Heiligkeit, in dem wir ewig sein werden – das wird höchste Glückseligkeit sein! –; und in Vers 13 ist es der Bereich der Schöpfung, des Reiches. Der Vater macht uns passend für einen Bereich reinen Lichts, und Er hat uns in einen Bereich absoluter Liebe versetzt! Und die Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen ist der Sohn der Liebe des Vaters!

Vers 12 zeigt also den Charakter und die Atmosphäre des Vaterhauses, die wir jetzt schon im Geiste genießen können; es ist das alleinige Teil der Versammlung, daran teilzuhaben (Joh 14,2+3). Das Reich in Vers 13 ist ein weiter gefasster Bereich, an dessen Segnungen auch Erlöste anderer Haushaltungen neben der Versammlung teilhaben werden. Wenn das Neue Testament von der Zukunft der Glaubenden spricht, dann reden alle Schreiber davon, dass wir in zwei Bereichen sein werden. Wir werden im Haus des Vaters sein, das ist unser Zuhause; und wir werden mit dem Herrn Jesus erscheinen in Herrlichkeit, und dann werden wir eine Aufgabe mit Ihm erfüllen. Das sind zwei fundamentale Tatsachen der Heiligen Schrift, was unsere Zukunft anbetrifft. Das erste hat zu tun mit dem ungeschaffenen Himmel, mit dem Haus des Vaters; das zweite hat zu tun mit der Schöpfung – und diese beiden Bereiche werden hier in Vers 12 und 13 vorgestellt.

Wodurch sind wir fähig gemacht zu dem Anteil am Erbe der Heiligen im Licht? Die Vergebung der Sünden macht uns noch nicht fähig für den Himmel. Aber wir haben das neue Leben, die Natur Gottes empfangen, und dadurch sind wir befähigt, zu erkennen und Genuss zu haben an den Personen der Gottheit. (Joh 17,3). Christus ist in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol 1,27). Und obwohl diese Segnung noch zukünftig ist, sind wir schon jetzt passend und fähig gemacht dazu.

Der Ausdruck danksagend steht hier in der Mehrzahl und im Partizip Präsens. Es ist nicht nur von Paulus und Timotheus gesagt, sondern auch die Kolosser – und damit auch wir – sollten angesichts dieser gewaltigen Segnungen beständig dankbar sein.

„…der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe“ (Vers 13)

In diesem Vers haben wir den zweiten Aspekt von dem, was Gott mit ehemaligen Sündern getan hat: wir haben auch einen Platz in dem Reich des Sohnes Seiner Liebe. Ist es das Reich Gottes auf der Erde? Ist es das 1000-jährige Reich? Im Griechischen steht hier Königreich, aber der Herr ist nicht unser König. Es ist ein Bereich, wo der Herr Jesus der Mittelpunkt ist; derjenige, der in den Evangelien und Briefen als der Herrscher des Reiches vorgestellt wird, den kennen wir als den Sohn der Liebe des Vaters (vgl. 2. Pet 1,16+17). Wir sind schon jetzt in diesen anderen Herrschaftsbereich versetzt, von dem der Herr Jesus der König und Herrscher ist, der Sohn Seiner Liebe. Dass diese hohen und erhabenen Gedanken unser Verständnis übersteigen, macht nichts!

Es ist gut, darüber nachzudenken, was dazu nötig war, dass der Vater uns aus der Gewalt der Finsternis in das Reich des Sohnes Seiner Liebe transportieren konnte. Es war ein Akt göttlicher Macht – aber auf der Grundlage des Werkes des Herrn Jesus. Als die Menschen den Herrn Jesus im Garten Gethsemane gefangen nehmen wollten, da sagt Er: „Dies ist eure Stunde“ (Lk 22,53). Es war die Stunde des Menschen, die Stunde, als Sünderhände sich an unserem Heiland vergreifen durften, wo Sünder zu Gericht saßen über unseren Herrn; und wir müssen bedenken, dass das vorher nicht möglich war, bis diese Stunde des Menschen kam. Diese Stunde begann mit der Gefangennahme des Herrn und endete mit dem Speerstoß des Soldaten am Kreuz. Aber der Herr fügt noch hinzu: „…und die Gewalt der Finsternis“. Und das ist es, was unserem Heiland begegnet ist, als Er zum Kreuz von Golgatha ging. Da ist Er Satan begegnet, der die Gewalt der Finsternis hat. Und Er hat ihn am Kreuz auf Golgatha besiegt. Damit wir aus der Gewalt der Finsternis herausgenommen werden konnten, musste Er sich der Gewalt der Finsternis ausliefern – um uns zu befreien aus dieser Macht. Gepriesen sei Sein heiliger Name!

Die ewige Liebe des Vaters zum ewigen Sohn (Joh 17,24), diese Beziehungen des Sohnes im Schoß des Vaters (Joh 1,18), die werden wir nie teilen; was wir aber mit Ihm teilen werden, ist die Liebe, die der Sohn als Mensch vom Vater auf Sich gezogen hat (Joh 17,23; 10,17). Dass der Herr Jesus der Sohn der Liebe des Vaters ist, ist die höchste Herrlichkeit, die Er besitzt. Vielleicht beschäftigen wir uns zu wenig mit dieser Wahrheit, aber sie ist von grundlegender Bedeutung. Und vielleicht müssen wir erkennen, dass sie unseren Verstand übersteigt, aber der Glaube schaut’s und betet an! Denn dieser Sohn der Liebe des Vaters ist es, der die Vergebung der Sünden bewirkt hat.

In Joh 3,16 sehen wir, dass Gott die Menschen so geliebt hat, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab. Wenn wir einen Begriff bekommen von den Gedanken des Vaters über Seinen Sohn in den Ewigkeiten und von dem Strom der Liebe, der zu diesem Sohn fließt aus dem Herzen des Vaters, dann sehen wir erst, welche Gabe Er nach Golgatha gegeben hat. In diesem Sohn Seiner Liebe haben wir die Vergebung der Sünden. Das verleiht uns einen tiefen Begriff von der Gabe des Vaters in Seinem Sohn an das Kreuz.

„…in dem wir die Erlösung haben, die Vergebung der Sünden“ (Vers 14)

In den Versen 12 bis 14 haben wir eine etwas absteigende Linie. Aus der Sicht des Vaters beginnt es mit dem Haus des Vaters (Vers 12), dann haben wir die höchste Form des Reiches (Vers 13), wo der Herr Jesus als das Zentrum der Liebe des Vaters im Mittelpunkt steht. Und aus der Sicht des Menschen haben wir dann in diesem Vers 14 die Erlösung, die Vergebung der Sünden – außerordentlich wertvoll, zu betrachten. Man hat den Eindruck, dass der Heilige Geist alle Register zieht, um uns die Schönheit dieser Herrlichkeit so vor Augen zu malen.

Im Allgemeinen bedeutet Erlösung mehr, als die Vergebung der Sünden, sie schließt an manchen Stellen auch die Erlösung unseres Leibes mit ein, aber hier beschränkt sie sich auf die Vergebung der Sünden (vgl. Eph 1,7). Aber es ist ein ganz großer Gedanke, denn wir sind erlöst von allen unseren Sünden, wir haben die Vergebung jeder Sünde, keine vergangene und zukünftige Sünde steht zwischen uns und Gott! Wenn noch eine Sünde trennend zwischen uns und Gott stünde, dann wären wir ewig verloren. Wir haben die Vergebung aller unserer Sünden – Gott sei Lob und Dank dafür! Die Erlösung ist etwas so Großes, dass wir vielleicht bei der Beschäftigung mit hohen Dingen das manchmal aus dem Auge verlieren. Haben wir heute schon dafür gedankt, dass unsere Sünden vergeben sind?

Warum beschränken wir hier in Kol 1,14 und in Eph 1,7 die Erlösung auf die Vergebung der Sünden? Erlösung ist ein weiterer Begriff als Vergebung der Sünden. Hier wird als Kennzeichen der Erlösung nur die Vergebung der Sünden genannt, obwohl wir viel mehr empfangen haben. Vergebung bezieht sich auf Schuld, auf angehäufte Schuld durch mein sündiges Verhalten, die Tatsünden. Meine Tatsünden erfordern Strafe oder gnädige Vergebung auf der Grundlage des Blutes des Herrn Jesus. Erlösung aber ist Befreiung aus einem Zustand; wir befanden uns in einem Zustand unter dem unausweichlichen Urteil und der Strafandrohung Gottes. Erlösung ist also die Befreiung aus diesem Zustand, und Vergebung ist nur ein Aspekt dieser Erlösung. Aber wir sollten nie der Gefahr erliegen, den einen Teil der Ergenisse des Werkes des Herrn geringer einzuschätzen, als einen anderen! Nicht irgendein Teil des kostbaren Werkes des Herrn Jesus ist geringer als ein anderer. Möchten uns diese Gedanken vermehrt dazu führen, das Werk des Herrn Jesus immer wieder neu von allen Seiten anbetend zu betrachten! Denn wenn wir selbst eine solch einfache Aussage wegen der Begrenztheit unseres Gefäßes nicht bis ins Letzte verstehen, so haben wir doch nur Grund zur Anbetung.

Nichts ist wichtiger, als das, was Gott über Seinen Sohn sagt! Wir haben viele Gedanken über die Ergebnisse des Werkes des Sohnes vor uns, aber wenn wir uns erheben könnten zu dieser Sicht, die Gott über Seinen Sohn hat, dann würden unsere Herzen zutiefst von dieser Person eingenommen und beeindruckt werden! Bruder Darby hat einmal gesagt, dass das ist höher einzuschätzen sei als die ganze Welt! Und wenn wir diesen Gedanken auch mitnehmen in unsere Praxis, dann werden wir auch in den praktischen Angelegenheiten des Versammlungslebens mehr Licht bekommen, als wir bisher hatten.

Erlösung bedeutet schon im Alten Testament immer Erlösung von Gericht und vom Urteil Gottes. Israel musste ein Lösegeld bezahlen, jeder musste das Gleiche bezahlen (2. Mo 30). Erlösung ist Freimachung von dem Urteilsspruch Gottes; nur Gott Selbst konnte diesen Weg bereiten, es gab keinen anderen Weg zur Befreiung (Ps 49,8+9), außer dem Werk des Herrn – dem Lösegeld Seines Lebens, das der Herr Jesus am Kreuz von Golgatha gegeben hat. Der Gedanke des Erkaufens ist ein etwas anderer Gedanke; dabei geht es darum, dass wir aus der Sklaverei Satans herausgekauft werden, dass wir einen neuen Besitzer bekommen. Dagegen ist Erlösung die Freimachung von dem endgültigen und nicht zu widersprechenden Urteilsspruch Gottes. Wir sehen auch in diesen Ausdrücken die Mannigfaltigkeit des Werkes des Herrn Jesus.

Wir können übrigens nicht sagen, dass Gott den Preis zu unserer Erlösung bezahlt hat. An keiner Stelle der Heiligen Schrift wird das so ausgedrückt. Gott war der Fordernde, Gott war der Richtende; und es musste jemand kommen, der dazu fähig war, den Preis der Erlösung vor diesem fordernden und richtenden Gott zu bezahlen. Der Herr Jesus hat mit Seinem Leben das Lösegeld bezahlt. In Mt 20,28, wo es der Gedanke der Stellvertretung ist, heißt es: für viele (anstelle von vielen); in 1. Tim 2,6 wo es der Gedanke der Sühnung ist, heißt es: für alle (im Interesse von allen, zugunsten von allen, im Hinblick auf alle). Aber in beiden Fällen ist der Herr Jesus derjenige, der das Lösegeld bezahlt, und Gott ist der Empfänger dieses Lösegeldes. Gott fordert, und der Herr Jesus hat mit Seinem kostbaren Leben bezahlt, und Gott ist vollkommen befriedigt, so dass Er uns nun die Erlösung anbieten kann.

In Eph 1,7 wird die Erlösung mit der Vergebung der Vergehungen beschrieben, auch in Eph 2,1 wird der Zustand als tot in Vergehungen und Sünden beschrieben. Erst wird der Charakter der Sünde vorgestellt: es sind immer Vergehungen oder Übertretungen, ein Überschreiten einer Linie oder eines Verbots. Und das war den Ephesern offensichtlich deutlicher als den Kolossern, bei denen nur von Sünde gesprochen wird. Der Begriff der Vergehungen an die Epheser zeigt doch, dass sie mehr empfindsam waren in ihren Gewissen für diesen Charakter der Sünde, als die Kolosser.

Der Zusatz durch sein Blut wie in Eph 1,7 fehlt hier. Warum? Es steht in Übereinstimmung mit der Linie des Kolosser-Briefes, wo der Heilige Geist nicht so sehr über das Werk des Sohnes spricht, sondern unser Augenmerk soll mehr auf die Person, die das Werk vollbracht hat, gerichtet werden. In Ihm, dem Sohn Seiner Liebe, haben wir die Erlösung. Als David den Sieg über Goliath errungen hatte, da sangen die Töchter Jerusalems: „Saul hat seine Tausende erschlagen, David seine Zehntausende“ (1. Sam 18,7). Aber Jonathan hat nicht über das geredet, was David getan hat: „…da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids“ (1. Sam 18,1). Möchte das auch ein Ergebnis dieser Konferenz sein!

Die Erlösung ist eine christliche Wahrheit. Viele Kinder Gottes sind über diesen Punkt unklar, und manche bezichtigen uns sogar der Irrlehre der Heilsgewissheit – aber es ist absolute Wahrheit des Wortes Gottes und kein geistlicher Hochmut! Auch die große Sünderin in Lukas 7 empfing diese Bestätigung aus dem Mund des Herrn, dass ihre Sünden vergeben sind, sie durfte hingehen in Frieden; aber gerade diese Frau hatte auch ein echtes Empfinden davon, was Sündenvergebung für sie bedeutete, denn von ihr heißt es, dass sie deswegen viel geliebt hatte (Lk 7,47–50).

„…der das Bild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene aller Schöpfung“ (Vers 15)

Ab Vers 15 werden zwei Linien vorgestellt, die Linie der ersten Schöpfung, und die Linie der zweiten Schöpfung, der Versammlung. Und beide Linien haben drei parallele Punkte in sich:

  • der Herr Jesus ist der Erstgeborene (das Haupt) der ersten Schöpfung (Vers 15); und Er ist auch das Haupt der neuen Schöpfung, der Versammlung (Vers 18); in beiden Bereichen hat Er den Vorrang;

  • in beiden Bereichen bewirkt der Herr Versöhnung, bringt verfeindete Parteien in Übereinstimmung miteinader, stellt die kaputten Beziehungen wieder her; im Blick auf die Schöpfung in Vers 20, und im Blick auf die Gläubigen der Versammlung in Vers 22;

  • der Apostel Paulus ist Diener beider Bereiche; er ist der Diener des Evangeliums in der ganzen Schöpfung (Vers 23), und er ist auch Diener der Versammlung (Vers 25).

Gott ist ein unsichtbarer Gott, und wir können von Gott nur wissen, was Er von sich offenbart in Seinem Sohn, denn an sich wohnt Er in einem unzugänglichen Licht (1. Tim 6,16). Das ist eine wunderbare Gnade, dass Er sich offenbaren wollte! Generell ist der Herr Jesus immer das Bild des unsichtbaren Gottes, speziell ist Er es in Seiner Menschwerdung.

Der Sohn Seiner Liebe ist das Bild des unsichtbaren Gottes. Wenn wir einmal mit unserem neuen Herrlichkeitsleib dort im Vaterhaus sind, dann werden wir diesen Sohn Seiner Liebe sehen. Das ist es, was sichtbar ist für uns – Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes. Ohne Ihn wäre der Himmel für uns leer! Aber der Herr Jesus ist nicht nur in der Zukunft das Bild des unsichtbaren Gottes, Er ist es immer. Wir haben hier eine Herrlichkeit des Herrn Jesus vor uns, die auch wieder unser Fassungsvermögen übersteigt. In 1. Mo 1,26 hat Gott den Menschen geschaffen in Seinem Bild, nach Seinem Gleichnis. Gleichnis bedeutet, dass er herrschend wie Gott über die Erde als Sein Stellvertreter eingesetzt war. Der Herr Jesus wird nie das Gleichnis Gottes genannt, denn das würde bedeuten, dass Er Gott nur ähnlich wäre. Aber der Herr Jesus ist das Bild des unsichtbaren Gottes. Der Mensch war auch eine Darstellung Gottes auf der Erde, eine Repräsentation Gottes. Bild bedeutet Darstellung, und die vollkommene Darstellung Gottes ist der Herr Jesus. In allen Einzelheiten, in jeder Schönheit, in jedem Detail des Herrn Jesus sehen wir Gott und wissen, wer Gott ist (Joh 1,18; 14,7b+9; 2. Kor 4,4+6; Heb 1,3). Wenn Gott sich im Alten Testament offenbart hat, dann war das ausschließlich in der Person Seines Sohnes. Das war noch nicht das, was wir im Neuen Testament von Ihm sehen, aber Gott offenbart sich nur in Seinem Sohn. Der Ausdruck der Gedanken Gottes ist immer das Wort (Joh 1,1). Auch in der Ewigkeit wird uns Gott zugänglich bleiben in der Person Seines Sohnes, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist.

Wenn Paulus hier von dem unsichtbaren Gott schreibt, dann ist das auch eine Warnung für die Kolosser, die in Gefahr standen, sich mit unsichtbaren Dingen zu beschäftigen. Ihnen sagt der Geist Gottes: Ihr habt alles, was es an unsichtbaren Dingen gibt, in der Person des Herrn Jesus, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist. Ihr braucht euch nach nichts anderem auszustrecken.

Gott hat tatsächlich nichts zurückgehalten, sondern die ganze Fülle der Gottheit ist in dem Menschen Jesus Christus auf der Erde zu sehen und ist es auch jetzt noch in der Herrlichkeit. Und doch bleibt Er immer der ewige Gott, und wir werden auch in der Herrlichkeit immer Geschöpfe bleiben. Auch hier kommen wir wieder an eine Schranke, wo wir sagen müssen: „Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde: Darum seien deiner Worte wenige“ (Pred 5,1). Wir wollen nicht als Narren dort hineinpreschen, wo Engel anbetend davor stehenbleiben.

Der Herr Jesus ist sowohl der Eingeborene als auch der Erstgeborene. Und wenn Er der eingeborene Sohn genannt wird, dann hat das mit Seiner Gottheit zu tun; fünfmal finden wir diesen Ausdruck in den Schriften des Johannes. Und wenn Er der Erstgeborene genannt wird, dann ist das die Seite Seiner Menschheit; auch diesen Ausdruck finden wir fünfmal im Neuen Testament, wenn es um die Rangordnung geht. Er wird noch einmal der Erstgeborene genannt bei Seiner Geburt (Lk 2,7), aber da ist es tatsächlich zeitlich zu verstehen. Aber wenn es um den höchsten Rang geht, dann wird Ihm dieser Titel Erstgeborener immer gegeben, wenn Er als Mensch in einen neuen Bereich eintritt:

  • wenn Er Mensch wird, in den Bereich der Menschen eintritt, wird Er als der Erstgeborene aller Schöpfung gezeigt (Kol 1,15)

  • wenn Er in den Bereich des Todes eintritt, wenn Er wegen Seines treuen Zeugnisses sterben muss, dann ist Er der Erstgeborene der Toten, der Vornehmste von allen (Off 1,5)

  • wenn Er durch die Auferstehung in dem Bereich der neuen Schöpfung ist, dann ist Er der Erstgeborene aus den Toten (Kol 1,18)

  • wenn Er in das 1000-jährige Reich eintritt, dann ist Er der Erstgeborene (Heb 1,6)

  • wenn Er im Bereich des Hauses des Vaters ist, dann ist Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Röm 8,29).

Auch Salomo war nicht der zuerst geborene Sohn von David, deshalb geht es in Ps 78,28 auch um eine Stellung, eine Rangordnung, in die Salomo hineingestellt wird. Auch Ephraim war in der Geburtsrangfolge nicht der erstgeborene Sohn Josephs, und doch wird er aus dem gleichen Grund dieser Titel verliehen (Jer 31,9). Am Beispiel Rubens wird auch deutlich, dass man der Stellung des Erstgeborenen verlustig gehen konnte (1. Mo 49,3; 1. Chr 5,1+2) und dann die Stellung des Erstgeborenen auf einen anderen übertragen wurde.

Hier ist Er also der Vornehmste, der in der ersten Schöpfung ist. Die Zeugen Jehovas benutzen diesen Ausdruck, um zu behaupten, dass der Herr Jesus ein Geschöpf sei. Aber Er wird nie, nicht ein einziges Mal Geschöpf genannt, und das sollten wir auch nie tun! Er steht unendlich hoch über allem Geschaffenen. Aber Er ist wahrhaftig Mensch geworden wie wir, ausgenommen die Sünde, und als solcher ist Er der Vornehmste in dieser ersten Schöpfung. Und bewiesen wird das in den nächsten Versen in ganz eindrücklicher Weise damit, dass Er der Schöpfer selbst ist.

Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen“ (Vers 16)

Für alle Dinge steht im Griechischen ta panta = wörtlich übersetzt: die Ganzen (Neutrum), das Alles, das ganze Universum der Dinge; also: alle Dinge, aber nicht einzeln sondern als Gesamtheit zu sehen. Und dann wird auch deutlich, dass mit alle Dinge die gesamte Schöpfung gemeint ist, unbelebt oder belebt, unintelligent oder intelligent, Makrokosmos und Mikrokosmos mit DNS, der Bauplan jeder Zelle des Körpers. Auch die Naturgesetze sind nicht von allein entstanden, sie sind auch geschaffen worden; sie bewirken z.B. dass die Erde und der Mond nicht zusammenstoßen. Und nur Er kann in eigener Machtvollkommenheit diese Gesetze, die Er selbst geschaffen hat, punktuell hier und da außer Kraft setzen, wie es bei Josua und Hiskia der Fall war (Jos 10,12–14; Jes 38,8). Aber Er allein erhält sie auch alle am Bestehen (Vers 17).

In eigener göttlicher Kraft hat Er die Dinge geschaffen, das ist die Bedeutung des ersten Ausdrucks durch ihn. Was für eine unvorstellbare Macht besitzt unser Herr, dass Er das alles mit einem Wort ins Dasein gerufen hat (Ps 33,9). Für uns Menschen fordert es unvorstellbare Mühen und Aufwand ab, Dinge zustande zu bringen; aber Gott spricht und es ist da; Er ruft das Nichtseiende, wie wenn es da wäre (Röm 4,17). Das ist mein Herr und mein Erlöser!

Im Neuen Testament wird der Herr Jesus an verschiedenen Stellen als der Schöpfer vorgestellt, z.B. Joh 1; Heb 1; Kol 1). Und hier in diesen Versen 16 und 17 finden wir verschiedene Herrlichkeiten des Herrn Jesus als Schöpfer. Seine Kraft war wirksam, als diese Schöpfung entstanden ist. Und wenn Seine Kraft wirksam war, dann muss Er als Person größer sein als alle Dinge, die Er geschaffen hat. Was auch die größten Maße des Ausdehnung sind, es ist in Seiner Kraft geschaffen worden; und wir wissen, dass der größte Teil der Schöpfung unsichtbar ist und von uns noch nicht einmal wahrgenommen werden kann – wieviel größer muss der Schöpfer sein. Und diese Hierarchien der unsichtbaren Welt, wohl der Engelwelt – Throne, Herrschaften, Fürstentümer, Gewalten – Autoritäten, aber Er ist als der Schöpfer erhaben über jeden noch so gewaltigen Engelsfürst. Diese Engelwelt umfasst sowohl gefallene als auch nicht gefallene Engel. Aber sich zu viel mit dieser unsichtbaren Engelwelt zu beschäftigen, war für die Kolosser zu einer Gefahr geworden, weil wir zu wenig darüber wissen (Kol 2,18). Es kann auf Irrwege führen.

Seine Schöpfertätigkeit wird hier in der gleichen Reihenfolge beschrieben, wie auch in 1. Mose 1: zuerst die Himmel, und danach die Erde. Als die Erde geschaffen wurde, da war alles in den Himmeln schon vorhanden, nicht nur die Himmel, sondern auch, was in den Himmeln war, beispielsweise die Engel (vgl. Hiob 38,4–7, wo gesagt wird, dass die Engel schon jubelten, als die Erde geschaffen wurde), sie existierten schon, bevor die Erde überhaupt geschaffen wurde. Und diese Dinge in den Himmeln beschreiben eine unsichtbare Welt, die so real ist, wie die sichtbare Welt. Und diese unsichtbare Welt existiert nicht in einer unendlichen Ferne von uns, sondern sie existiert real neben uns. Der Herr Jesus hat den Jüngern verheißen, bei ihnen zu sein alle Tage (Mt 28,20). Und als der Herr Jesus Mensch wurde, ist Er aus der unsichtbaren Welt in unsere sichtbare Welt eingetreten; und mit Seiner Himmelfahrt ist Er als Mensch auf den höchsten Platz in dieser unsichtbaren Welt zurückgekehrt – und ist doch hier auf der Erde bei den Seinen. Es ist uns manchmal zu wenig bewusst, dass diese unsichtbare Welt in vielfacher Hinsicht parallel zu unserer sichtbaren Welt existiert.

Vers 16 beschreibt also noch die erste Schöpfung in ihrer ganzen Unendlichkeit, Vollkommenheit und Schönheit. Aber wenn wir heute in die Natur sehen, gibt es nicht nur Vollkommenheit und Schönheit, sondern da gibt es auch Krankheit und Verfall. Und das ist nicht durch den Schöpfer gekommen, sondern durch den Sündenfall. Durch den Sündenfall liegt der Fluch auf der ersten Schöpfung, und wir könnten uns die Frage stellen: Ist Gott die erste Schöpfung misslungen? Die Antwort ist: Nein! Er wird mit dieser ersten Schöpfung zum Ziel kommen, und zwar im 1000-jährigen Reich – und zwar auf der Grundlage des Werkes vom Kreuz. Es ist ein zutiefst beglückender Gedanke, dass all die Feindschaften unter den Tieren, alle Degenerationen und Krankheiten einmal zu Ende gehen werden.

Und wenn es dann zum zweiten Mal heißt, dass alle Dinge durch Ihn geschaffen worden sind, dann meint das diesmal nicht in Seiner Kraft, sondern dass Er der aktiv Durchführende in der Schöpfung gewesen ist. Und alles ist auch für Ihn geschaffen worden, Er ist das Endziel der Schöpfung, die ganze Schöpfung diente zu Seiner eigenen Freude und Verherrlichung. Sie ist nicht in erster Linie für den Menschen ins Leben gerufen worden, sondern sie ist der Schauplatz und die Bühne, auf der die Herrlichkeit Gottes zu sehen ist und Ihn verherrlicht.

Aus 1. Kor 8,6 wird die Beziehung und das Zusammenwirken zwischen dem Vater und dem Sohn bei der Schöpfung deutlich: es ist der Vater, von welchem alle Dinge sind, der Vater ist der Ursprung, alles geht von Ihm aus; der Sohn ist die Person in der Gottheit, die aktiv alles bewirkt hat; und alles ist geschehen in der Kraft des Heiligen Geistes. Bruder Heijkoop hat einmal gesagt: Gott, der Vater, macht die Pläne; Gott, der Sohn, führt sie aus, in der Kraft des Heiligen Geistes.

Und diese Dreieinheit der Personen der Gottheit ist nicht nur in der Schöpfung zusammen tätig gewesen, auch in der Menschwerdung des Herrn Jesus: der Vater sendet den Sohn, der Sohn war derjenige, der diesen Ratschluss der Offenbarung Gottes im Fleisch durchgeführt hat, und es geschah gezeugt vom Heiligen Geist. Und wenn wir an das Kreuz von Golgatha denken, sehen wir, dass der Vater Seinen eigenen Sohn nicht verschont sondern Ihn für uns alle hingegeben hat; und der Sohn hat sich selbst gegeben; und Er hat sich durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert. Dann sehen wir auch in der Auferstehung alle drei Personen der Gottheit: Er ist auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters (Röm 6,4), Er ist aber auch in eigener Kraft auferstanden (Joh 10,17), und Er ist als Sohn Gottes in Kraft dem Geist der Heiligkeit nach durch Toten-Auferstehung erwiesen worden (Röm 1,4). Auch bei der Bekehrung des Menschen und bei der Bildung der Versammlung finden wir alle drei Personen der Gottheit gemeinsam wirkend. Und für den Menschen fassbar und sichtbar wurde sie wohl zum erstenmal bei der Taufe des Herrn Jesus im Jordan.

Durch den Ausdruck geschaffen worden wird deutlich, dass die Schöpfung eine abgeschlossene Handlung durch den Schöpfer ist, und das bedeutet einen Schlag gegen die Evolutionstheorie.

Und er ist vor allen, und alle Dinge bestehen durch ihn“ (Vers 17)

Er hat in allem den Vorrang, und Er ist auch der Erhalter aller geschaffenen Dinge. In jeder Sekunde erhält er alle von Ihm selbst geschaffenen Naturgesetze am Laufen. Im Blick auf die erste Schöpfung ist Er als der Schöpfer vor allen. Wenn es dann in Vers 18 darum geht, dass Er in allem den Vorrang hat, ist Er das als Mensch im Blick auf die neue Schöpfung. Er ist deshalb vor allen, weil Er eine ewige Existenz hat, und damit verbunden ist die Vorrangstellung, wenn Er als Schöpfer in diese Schöpfung eintritt.

Alle Dinge bestehen in der Kraft Seiner Person, Er trägt alle Dinge durch das Wort Seiner Macht (Heb 1,3; vgl. auch Hiob 34,14+15). Bruder Heijkoop hat einmal gesagt: Er gab den Nägeln die Kraft, den Heiland auf dem Kreuz zu halten. Wenn uns dieser Schöpfer nicht groß ist, dann wird uns auch der Heiland nicht groß werden – und wenn uns der Heiland nicht groß ist, dann wird uns auch der Schöpfer nicht groß!

Und er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe“ (Vers 18)

Hier haben wir nun die neue Schöpfung. Als der Auferstandene ist der Herr Jesus der Erstgeborene aus den Toten, der Anfang der neuen Schöpfung. Der Herr Jesus spricht selbst von Seinem Tod und Seiner Auferstehung in dem Bild von der Geburt eines Kindes (Joh 16,21+22). Die Jünger würden traurig sein, weil Er sterben und ins Grab gelegt würde, aber ihre Traurigkeit würde zur Freude werden, denn: „Ich werde euch wiedersehen“. Das ist dann in Joh 20,20 geschehen, als Er in der Mitte der Jünger stand: „Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“. Wenn Er das nun mit der Geburt eines Kindes vergleicht, ist das der Hinweis, dass Er als Auferstandener, wie Er noch auf Erden stand, schon der Anfang der neuen Schöpfung war. Und wir Glaubende der Zeit der Gnade gehören dem Geiste nach zur neuen Schöpfung. Unser Körper gehört noch der ersten Schöpfung und wir bewegen uns noch auf dem Schauplatz der ersten Schöpfung, und darum gelten auch die göttlichen Grundsätze für die erste Schöpfung auch noch für uns und wir sollen sie beachten (z.B. 1. Kor 11,1–16). Aber wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Kor 5,17)! Alles ist noch nicht neu geworden, der Körper ist noch nicht neu geworden, aber dem Geiste nach gehören wir der neuen Schöpfung an. Und diese neue Schöpfung wird zur Vollkommenheit gebracht nach dem 1000-jährigen Reich, wenn dann neue Himmel und eine neue Erde entstehen. Und als Erstgeborener aller Schöpfung wird unser Herr in Verbindung mit der ersten Schöpfung gesehen, und als Erstgeborener aus den Toten als der Anfang der neuen Schöpfung.

Und dazwischen haben wir diesen Satz, dass Er das Haupt des Leibes, der Versammlung, ist. Es ist also keine chronologische Reihenfolge. Das Haupt des Leibes, der Versammlung, war Er noch nicht als Auferstandener. Erst als Er in den Himmel gegangen war und der Geist Gottes auf die Erde kam, war die Geburtsstunde der Versammlung.

In Vers 13 haben wir gesehen, dass der Herr der Sohn der Liebe des Vaters ist; und als dieser ewige Sohn des lebendigen Gottes ist Er die Grundlage der Versammlung (Mt 16,16–18) – und das ist diese Seite Seiner Person, dass Er Gott ist. Aber als Haupt des Leibes, der Versammlung, ist Er der verherrlichte Mensch droben. In dem Fundament haben wir also die göttliche Seite Seiner Person, und in dem Haupt die menschliche Seite Seiner Person.

Der Herr Jesus ist in mehrfacher Weise Haupt, und zwar in jeder dieser Beziehungen als Mensch geworden. Gott hat alles Seinen Füßen unterworfen und Ihn als Haupt über alles gesetzt (Eph 1,22), das ist der weiteste Bereich, über den der Herr Jesus Haupt geworden ist – als Mensch zum Lohn für das, was Er in Seiner tiefen Erniedrigung bis in den Tod am Kreuz auf sich genommen hat. Und in Kol 2,10 finden wir, dass Er das Haupt jeder Autorität ist; alle sichtbaren und unsichtbaren Autoritäten stehen unter dem Regiment des Herrn Jesus als verherrlichter Mensch. Der Herr Jesus ist außerdem das Haupt jedes Mannes (1. Kor 11,3), nicht nur jedes christlichen Mannes oder jedes verheirateten Mannes, sondern jedes Mannes als solchem. Aber hier in Kol 1,18 haben wir die innigste und schönste Beziehung, die der Herr als Haupt hat. Es ist Seine Versammlung, Sein Leib, die Gesamtheit der Seinen; und hier steht auch nicht so sehr die Frage der Beziehung der Liebe im Vordergrund, sondern die Frage der Verbindung, der Autorität und Lenkung, und ganz besonders der Einheit. Das ist der Hauptgedanke, wenn die Versammlung in dem Bild des Leibes vorgestellt wird. Die Versammlung selbst ist keine neue Schöpfung, sie ist zusammengesetzt aus solchen, die eine neue Schöpfung geworden sind. Erkennen und anerkennen wir immer Seine Stellung als Haupt der Versammlung? Oder versuchen wir selber in der Praxis an dem Ort, wo wir uns versammeln, eigene Autorität auszuüben, eine Stellung als Haupt einzunehmen?

Wenn es um Seine Vorrangstellung in der ersten Schöpfung geht als der Erstgeborene aller Schöpfung, dann ist das Ihm ureigene Teil als der Schöpfer. Wenn es aber um Seine Vorrangstellung in der neuen Schöpfung geht, dann hat Er sich diese erworben; und zwar nicht durch Seine Menschwerdung, sondern dazu musste Er sterben, auferstehen und zurückkehren in den Himmel. Unsere Vereinigung mit Ihm ist nur möglich auf dieser Grundlage.

Diese wunderbare Person hat in den Augen Gottes immer und in allem den Vorrang; welche Gedanken haben wir über Ihn, und welchen Platz nimmt Er in meinem und Deinem Leben ein?