Da befahl Nebukadnezar im Zorn und Grimm, Sadrach, Mesach und Abednego herbeizubringen. Da wurden diese Männer vor den König gebracht. Nebukadnezar hob an und sprach zu ihnen: Ist es Absicht, Sadrach, Mesach und Abednego, dass ihr meinen Göttern nicht dient und das goldene Bild nicht anbetet, das ich aufgerichtet habe? Nun, wenn ihr bereit seid, zur Zeit, wenn ihr den Klang des Horns, der Pfeife, der Zither, der Sambuke, der Laute und der Sackpfeife und aller Art von Musik hört, niederzufallen und das Bild anzubeten, das ich gemacht habe – wenn ihr es aber nicht anbetet, sollt ihr sofort in den brennenden Feuerofen geworfen werden; und wer ist der Gott, der euch aus meiner Hand retten wird?“ (Vers 13–15)

Jetzt werden diese drei Männer auf Befehl des Königs vor ihn gebracht. Wenn hier von seinem Zorn und Grimm gesprochen wird, dann sehen wir aus Dan 5,19, wie grausam Nebukadnezar war: „wen er wollte, tötete er, und wen er wollte, ließ er leben“. Seine Autorität war jetzt beleidigt und herausgefordert worden, und er reagiert auf eine typisch fleischliche Art in Zorn und Grimm. Zorn und Grimm sind immer schlechte Berater (Spr 27,4; 16,14), und durch eines Mannes Zorn wird Gottes Gerechtigkeit nicht gewirkt (Jak 1,20). Wir müssen uns über diesen Zorn nicht wundern, denn durch das treue Verhalten der drei Freunde wurde sein ganzes Konzept verdorben, diese einheitliche Religion zu schaffen als Bindeglied über sein großes Volk – dieser Plan wurde mutwillig zerstört. Und doch scheint es so, als würde er den drei Freunden einen gewissen Aufschub gewähren. Ob sie sich durch ihr bisheriges Verhalten seinen Respekt erworben hatten? Er gibt ihnen noch einmal die Chance, sich die Sache zu überlegen.

Diese zweite Chance bedeutete für die drei Freunde aber auch keine geringe Gefahr, sie standen noch immer als ganz junge Männer vor dem mächtigsten Herrscher, den die Welt je gesehen hatte. Zwischen den Kapiteln 2 und 3 wird keine lange Zeitspanne vergangen sein. Nebukadnezar baut ihnen mit seiner Frage „Ist es Absicht“ praktisch eine goldene Brücke, wo sie hätten zugeben können, dass sie mit ihrer Weigerung, sich niederzuwerfen, unbedacht gehandelt hatten. Sie hätten Ausreden finden können und mit vielen Möglichkeiten auf diese zweite Chance reagieren können. Zuerst kam Satan als brüllender Löwe, und jetzt versucht er in seiner List, sie aus ihrer treuen Nachfolge heraus zu verleiten. Aber sie blieben treu und betonten, dass sie mit Absicht so gehandelt hatten.

Als der Zorn und Grimm Nebukadnezars aufwallen, trifft das allein diese drei jungen Männer innerhalb einer riesigen Menge von Juden. Es ist ein Augenblick größter Anfechtung, wo viele andere, die auch aus Juda gekommen waren, sich offensichtlich angepasst hatten an das System Babels. Und sie widerstehen diesem großen Druck, aber auch dem Entgegenkommen in dieser goldenen Brücke Nebukadnezars, dem Lächeln Babels. Was ist wohl gefährlicher für einen, der treu zu seinem Herrn stehen möchte, das Drohen Babels oder das Lächeln Babels? Hiskia hatte dem Widerstand des Assyrers standgehalten, aber dem Lächeln Babels war er zum Opfer gefallen (Jes 36 – 39). Unbewusst stellt Nebukadnezar ihnen sogar noch ein doppeltes schönes Zeugnis aus: sie hatten schon die ganze Zeit ihrer Gefangenschaft hindurch seinen Göttern nicht gedient, und jetzt auch noch das goldene Bild nicht angebetet, das er aufgerichtet hatte.

Zuerst kam Nebukadnezar also mit Verführung, am Ende von Vers 15 aber schreckt er mit seiner unverhohlenen Drohung des brennenden Feuerofens ab. Mit dieser schrecklichen Androhung will er sie noch einmal zur Umkehr ihrer Gedanken bringen. Und dann tut er etwas ganz Furchtbares! Er fordert den Gott Israels heraus mit einer frechen und unfassbar bösen Gesinnung: ‚Den Gott möchte ich mal sehen, der euch aus meiner Hand erretten wird‘. Eine ganz böse Sprache! Nebukadnezar hat mit diesen Worten direkt in die Rechte Gottes eingegriffen, und ob bewusst oder unbewusst macht er die Sache damit zu einer Sache zwischen ihm und Gott. Es handelt sich damit nicht länger um eine Sache zwischen Nebukadnezar und den drei Freunden, sondern zwischen ihm und dem Gott dieser drei Freunde.

In 2. Mo 5,2 führt der Pharao von Ägypten eine ganz ähnliche Sprache, und die Antwort des Herrn darauf ist: „Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao tun werde; denn durch eine starke Hand gezwungen soll er sie ziehen lassen“ (2. Mo 6,1). Ähnlich böse Worte führt der König von Assyrien in 2. Chr 32,15 im Mund; und auch im Blick auf das Haupt des römischen Reiches wird ähnlich herausfordernd gesprochen (Off 13,4).

Sadrach, Mesach und Abednego antworteten und sprachen zum König: Nebukadnezar, wir halten es nicht für nötig, dir ein Wort darauf zu erwidern. Ob unser Gott, dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu erretten vermag – und er wird uns aus deiner Hand; o König, erretten – oder ob nicht, es sei dir kund, o König, dass wir deinen Göttern nicht dienen und das goldene Bild, das du aufgerichtet hast, nicht anbeten werden“ (Vers16–18)

Die drei Freunde antworten auf diese böse Herausforderung ihres Gottes nichts. Sie lassen in ihrer Erwiderung sogar den Titel König bei der Anrede Nebukadnezars weg, sie nennen nur seinen Namen, vor Gott war er einfach nur Nebukadnezar. Diesen Angriff auf ihren Gott nehmen sie nicht auf und überlassen es dem Gott, der hier beleidigt wurde, sich zu rechtfertigen und Seine Herrlichkeit zu erweisen. Sie machen es bewusst zu einer Sache zwischen ihrem Gott und dem König Nebukadnezar. Nebukadnezar hatte frech gefragt: „Wer ist der Gott…“, und sie antworten jetzt: „Unser Gott…“; sie standen zu ihrem Gott und stellten sich klar auf seine Seite, als Nebukadnezar Ihn so sehr in den Schmutz gezogen hatte. Und der Gott Israels hat geantwortet, und Er hat das auf eine Weise getan, die einfach kostbar ist, und Nebukadnezar muss später bekennen, dass er überwunden worden ist.

Die drei Freunde bewiesen ein unerschütterliches Vertrauen auf ihren Gott, sie wussten, dass der Gott, dem sie dienten, sie nicht in der Hand Nebukadnezars lassen, sondern sie daraus retten würde. Allerdings lassen sie dabei doch offen, wie Gott das tun würde. Aber sie wussten, egal wie Gott handeln würde, ob Er sie vor dem Feuerofen bewahren würde oder in dem Feuerofen bewahren würde, oder ob sie durch den Tod gehen müssten, Er würde sie aus der Hand Nebukadnezars retten. Mit dem Erretten meinen sie also nicht die Erhaltung ihres irdischen Lebens. Es ist die höchste der schönen Stufe (1. Tim 3,13), sein Leben hinzugeben für den Herrn, als Märtyrer für Ihn zu sterben. Es geht also nicht darum, ob Gott retten kann oder nicht, sondern es geht um Seine Absichten in den jeweiligen Umständen, um Sein Wesen der Heiligkeit. Sie wussten jedenfalls felsenfest, dass Gott ihnen helfen würde, dem Befehl des Königs nicht gehorchen zu müssen; davor würde ihr Gott sie retten – ob durch den Tod oder auf einem anderen Weg. Für Nebukadnezar wäre es ja ein größerer Triumph gewesen, wenn die drei Freunde das Bild angebetet hätten, als dass er sie in seiner Macht dem sicheren Tod im Feuerofen überlassen hätte.

Es ist nicht undenkbar, dass die drei Freunde aus ihrer Gemeinschaft mit Gott heraus im Glauben erfasst hatten, dass Gott sie wirklich retten würde. Wenn wir noch einmal an den Pharao von Ägypten denken und an den König von Assyrien, die beide durch ihr freches Auftreten auch die Angelegenheit zu einer Sache zwischen sich und Gott gemacht hatten, so hatten damals Mose und auch Hiskia erlebt, dass Gott Sein Volk buchstäblich gerettet hatte. Das werden doch die drei Freunde gekannt haben. Sie haben, was ihre Seite anging, durch Glauben die Kraft des Feuers ausgelöscht (Heb 11,34). Bruder Kelly schreibt zu diesem Vers: „Das, was diese drei gesagt haben, war keine abstrakte Wahrheit sondern Glauben“! Sie hatten wirklich im Glauben die Handlungen Gottes erfasst und ausgesprochen – neutestamentlich findet das vielleicht eine Parallele in dem Beten im Namen des Herrn Jesus (Joh 16,23).

Die Standhaftigkeit und der Mut der drei Freunde kam aus dem tiefen Bewusstsein hervor, das sie von dem Gott hatten, dem sie dienten. Sie dienten und vertrauten einem größeren Gott und dienten deshalb den Göttern Nebukadnezars nicht. Ihr Vertrauen ging in zwei Richtungen: sie vertrauten der Weisheit Gottes und sie vertrauten der Allmacht Gottes. In den Worten „ob unser Gott…oder ob nicht“ liegt das Vertrauen in Gottes Weisheit; und in der Aussage „er wird uns…erretten“ liegt tiefes Vertrauen in die Allmacht, die Gott hat Ein ähnliches Bewusstsein offenbart auch der Apostel Paulus auf der Schiffsreise in Apg 27,23 – dieser Gott verfügt über alles! Sie fürchteten wie Mose die Wut des Königs nicht und hielten standhaft aus, als sähen sie den Unsichtbaren (Heb 11,27), sie setzen die unsichtbare Welt des Glaubens den sichtbaren Drohungen des Königs entgegen, sie widerstanden dem brüllenden Löwen standhaft im Glauben (1. Pet 5,8+9). Sie fürchteten den nicht, der den Leib töten und danach nichts weiter zu tun vermag, aber sie fürchteten den, der auch nach dem Töten noch Gewalt hat (Lk 12,4+5).

Diese Begebenheit hier ist ein Paradebeispiel dafür, dass man Gott mehr gehorchen muss als Menschen (Apg 5,29). In Röm 13,1 werden wir aufgefordert, den obrigkeitlichen Gewalten untertan zu sein (vgl. auch 1. Pet 2,13+14). Es ist die Aufgabe von uns Christen, die Regierungen, die Gott gegeben hat – auch heute – anzuerkennen. Wir haben sie nicht in Zweifel zu ziehen oder zu hinterfragen, ob sie alles recht machen oder wie sie eigentlich an die Macht gekommen sind, das geht uns absolut nichts an. Unsere Verantwortung ist es, den Obrigkeiten unterworfen zu sein, d.h. ihnen zu gehorchen. Noch heute sind die Regierungen Diener Gottes, die das Böse strafen und das Gute loben. Es ist nicht recht, wenn wir gegen Regierungen vorgehen würden, wir haben sie zu akzeptieren.

Die Regierungen haben also ihren von Gott übertragenen Herrschaftsbereich, wenn sie aber diesen Bereich überschreiten, wenn sie sich in den Bereich der Autorität Gottes hineinwagen, dann muss der Gläubige Gott mehr gehorchen als dem Menschen. Gehorchen müssen wir also immer; es heißt nicht, dass wir in so einem Fall dann gar nicht gehorchen bräuchten – wir gehorchen dann Gott. Diese jungen Freunde wussten, dass man allein den Herrn anbeten sollte und dass sich der König Nebukadnezar hier in die Rechte Gottes einmischte, und deswegen mussten sie widerstehen. Das kann auch uns heute passieren, dass irgendwelche Regierungsstellen Gesetze erlassen, die gegen Gottes Wort sind und uns direkt betreffen und deshalb unser Gewissen beherrschen würden – dann müssen wir das ablehnen, wie auch die Folgen sein mögen. Aber wir müssen dann immer noch gehorchen, nämlich Gott. Es gibt keinen zivilen Ungehorsam1 in Gottes Wort, die Gehorsamspflicht bleibt für einen Gläubigen bestehen.

1 Ziviler Ungehorsam gehört in Deutschland zum festen Repertoire des Protests. Ziviler Ungehorsam zeichnet sich dadurch aus, dass mit ihm im Einklang mit dem Gewissen, aber im Widerspruch zum Gesetz die Absicht verfolgt wird, ein empfundenes oder tatsächliches Unrecht zu beseitigen. Eine mögliche Bestrafung wird dabei bewusst in Kauf genommen. Den ungehorsamen Bürgern geht es also nicht um die Abschaffung der herrschenden Ordnung, die sie im Grundsatz anerkennen und durch den Akt des Widerstands im Prinzip sogar stärken wollen – ihren Widerstand empfinden sie als Bürgerpflicht. (http://www.goethe.de/ges/pok/zdk/de11090504.htm)