„Und nach den 62 Wochen wird der Messias weggetan werden und nichts haben. Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören, und das Ende davon wird durch die überströmende Flut sein; und bis ans Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen“ (Vers 26)
Am Ende der insgesamt 69. Jahrwoche wird also der Messias weggetan werden, d.h. ausgerottet werden als Messias, nicht als Sohn Gottes. Sein Reich wird aufgeschoben. Es meint Seinen Tod, Er wurde abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen (Jes 53,8; Ps 102,25). Die weltliche Geschichtsschreibung sagt, dass es das Jahr 29 n.Chr. gewesen sei, aber da müssen Berechnungsfehler vorliegen. Von wem wurde der Messias weggetan? Nicht nur von Seinem Volk, Er wurde auch von Seinem Gott weggetan (Jes 53,10). Im gleichen Augenblick, wo der Herr Jesus zur Sühnung unserer Sünden unter dem Schwert Gottes starb, wurde Er als Messias beiseite gesetzt, alle Seine Rechte als Messias wurden aufgeschoben und das Volk zerstreute sich (Sach 13,7). Das ist genau das Gegenteil von dem, was durch das Sühnungswerk im Blick auf die Versammlung geschehen ist (Joh 11,52). Wir dürfen also in der Deutung dieses Verses die Versammlung nicht mit hineinbringen. In Seinem Wesen als Messias hat Er alles verloren (Jes 49,4) für diese Zeit; Messias ist Seine Stellung hier auf der Erde.
Der Messias wurde also im Blick auf Israel weggetan, nicht für die Versammlung, denn nach diesem Ereignis wurde die Zeit der Versammlung eingeführt, die von Ewigkeit her in dem Ratschluss Gottes war. Und erst nach ihrer Entrückung wird die letzte, die 70.Jahrwoche beginnen; die prophetische Uhr beginnt dann wieder zu laufen (Röm 11,25+26). Und diese letzte Jahrwoche endet mit der Erscheinung des Herrn in Macht und Herrlichkeit, durch den eine ewige Gerechtigkeit eingeführt und Sein Reich aufgerichtet werden wird.
Der kommende Fürst ist das erste Tier aus Off 13,1, das Haupt des römischen Reiches. Aber nicht er, sondern sein Volk, die Römer, kamen (Joh 11,48), um die Stadt und das Heiligtum zu zerstören. Die Stadt stellt den Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens dar, das Heiligtum den religiösen Mittelpunkt. Beides wird ihnen genommen werden. Dieser kommende Fürst ist auch heute noch zukünftig. Das Volk des kommenden Fürsten bedeutet also mit anderen Worten: das römische Volk, aus dem einmal in der Endzeit das Haupt des römischen Reiches als satanische Macht erstehen wird.
Hier in Vers 26 geht es um das Geschehen im Jahr 70 n.Chr., wo unter dem römischen Feldherrn Titus Jerusalem zerstört und zertreten und das Volk der Juden über die ganze Erde zerstreut wurde. Es ist ergreifend, dass der Herr bei Seinem Einzug in Jerusalem weinte über diese Stadt, weil sie nicht erkannt hatte, was zu ihrem Frieden dient und Ihn als den Messias verworfen hatte, deshalb würden diese schrecklichen Verwüstungen über sie kommen (Lk 19,41–44). Die Geschichtsschreibung berichtet, dass Titus den Tempel verschonen wollte, aber einer seiner Soldaten hatte eine brennende Fackel hineingeworfen, und der Tempel brannte nieder – Gottes Wort erfüllt sich genauestens: Jerusalem wurde zerstört durch das Volk des kommenden Fürsten. In der prophetischen Rede des Herrn in Lk 21,22 ff. spricht der Herr von diesen Ereignissen, dass Tage der Rache sein werden, große Not im Land und Zorn über dieses Volk. Zwischen Vers 24 und Vers 25 in Lk 21 müssen wir wie hier in Vers 26 die Gnadenzeit einordnen, in der die prophetische Uhr bis heute stehen geblieben ist. Diese Gnadenzeit ist in ihrer zeitlichen Ausdehnung nicht definiert, sie dauert jetzt schon fast 2000 Jahre.
Die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. würde jedoch noch nicht das Ende der Leiden für dieses Volk bedeuten, sondern es würde noch weitergehen. Was muss Daniel empfunden haben, als er auf seine Bitten für diese Stadt nun hören musste, dass diese Stadt noch zwei Mal zerstört werden würde, das eine Mal durch die Römer im Jahr 70 n.Chr. und dann in der Zeit des Endes durch den Assyrer. Und in der Zwischenzeit zwischen diesen beiden Ereignissen würden Krieg und Festbeschlossenes von Verwüstungen diese Stadt charakterisieren. Jerusalem war und ist bis zum heutigen Tag ein Krisenherd.
Was hier mit dem Ausdruck der überströmenden Flut angedeutet wird, ist ein längerer Zeitraum furchtbarer Nöte und Folgen für das Volk. In Jes 28,14+15 haben wir einen ähnlichen Ausdruck: die überflutende Geißel. Dabei geht es um den Assyrer, den König des Nordens, der in der 70.Jahr-Woche gegen Israel heraufziehen wird. Dass dieser mächtige zukünftige Widersacher Israels hier in diesem Vers schon angedeutet wird, kann aus der zweimaligen Erwähnung des Endes geschlossen werden. Dieser Ausdruck wird im Buch Daniel mehrfach gebraucht im Blick darauf, dass die Zeit der Nationen zu Ende geht (Dan 8,17; 11,27+35+40; 12,4+9), damit dann das Reich des Sohnes Gottes aufgerichtet werden kann. Offensichtlich wird hier der Bogen geschlagen von der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. bis ans Ende, wo diese überflutende Geißel wie ein Strom über Israel hinwegfließen wird (Jes 59,19) und Krieg und Festbeschlossenes von Verwüstungen darüber bringen wird. Während dieser ganzen Zeit wird es für dieses Volk keine Zeit der Ruhe geben, nur Krieg, nur Verwüstungen, jegliche Ordnung wird weggetan sein – wir sehen das auch in unseren Tagen. Es ist von Gott fest beschlossen, Er selbst hat es festgelegt.
Wenn Jesaja ungefähr 200 Jahre vor der Zeit Daniels von dem damals bevorstehenden Angriff des Assyrers spricht (Jes 10,23; 28,22), verbindet er es mit jenem Tag, er springt also von der für ihn gegenwärtigen Zeit in die Zeit des Überfalls des Assyrers in der Endzeit.
„Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung der Gräuel wird ein Verwüster kommen, und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete ausgegossen werden“ (Vers 27)
Hier kommt also der heute noch zukünftige Fürst des römischen Reiches vor uns. Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, bevor er dann diesen Bund mit der Masse des ungläubigen jüdischen Volkes schließt: zuerst einmal muss das römische Reich wieder erstehen; zweitens muss Israel wieder eine Nation sein, was seit 1948 der Fall ist; und drittens muss in Jerusalem wieder ein Tempel stehen, in dem wieder Opferdienst gebracht wird. Von diesen drei Punkten sind der erste und der dritte bis heute noch nicht erfüllt. Die 70.Jahr-Woche hat heute also noch nicht begonnen.
Die 70 Jahr-Wochen kurz zusammengefasst:
Ausgangspunkt: die Genehmigung Artasastas an Nehemia, die Stadt Jerusalem wieder aufzubauen im Jahr 455 v.Chr.
7 Wochen = 49 Jahre |
ca. 455 – 406 v.Chr. |
die Wiederherstellung Jerusalems; (geschichtlich das Ende des Alten Testaments) |
62 Wochen = 434 Jahre |
ca. 406 v.Chr. – 29 n.Chr. |
die Brücke zwischen Altem und Neuem Testament bis zum Tod des Herrn, dem Wegtun des Messias |
die Prophetische Uhr ist angehalten; der schon fast 2000 Jahre währende Zeitabschnitt der Gnadenzeit unterbricht den Ablauf der Ereignisse zwischen der 69. und der 70. Jahr-Woche; erst nach der Entrückung der Versammlung beginnt die 70.Jahr-Woche |
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1 Woche = 7 Jahre |
??? |
diese 70.Jahr-Woche unterteilt sich noch einmal in zwei Hälften, wobei die zweiten 3 ½ Jahre die große Drangsalszeit umfassen und mit der sichtbaren Erscheinung des Herrn enden werden |
Dieses militärische Schutzbündnis wird in der 70.Jahr-Woche zwischen der Masse des ungläubigen jüdischen Volkes und dem kommenden Haupt des römischen Reiches geschlossen werden, um Schutz vor dem heranziehenden Assyrer, dem König des Nordens, zu bekommen. Aus Jes 28,15–19 können wir erkennen, warum es eigentlich in der Endzeit diese drei Parteien geben wird
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das ungläubige Israel mit dem Antichristen (das 2.Tier aus der Erde in Off 13,11 ff.)
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das römische Reich mit seinem Haupt,
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den König des Nordens, die überflutende Geißel (siehe schon Jes 28,2)
Aus dem Norden wird der Feind, der Assyrer, heranziehen um Israel in seinen Besitz zu bringen. Um das zu verhindern, wird das ungläubige Israel sich mit dem römischen Reich und seinem Fürsten verbünden. Deshalb wird sich das römische Reich am Ende in Armageddon befinden, im Land Israel. Das geistliche Urteil darüber ist, dass das ein Bund mit dem Tod, ein Vertrag mit dem Scheol ist, dass sie Zuflucht zur Lüge und zur Falschheit genommen haben. Der gläubige Überrest wird an diesem Bündnis nicht mitmachen, sie werden ihre Zuflucht nehmen zu dem kostbaren Eckstein. Inmitten des größten Tohuwabohus haben diese bedrängten Gläubigen diesen Eckstein, aufs Festeste gegründet. Der Herr Jesus ist das Endziel aller Wege Gottes mit dieser Erde, Er wird einmal hier in dieser Welt über allem stehen!
In Verbindung mit dem Antichristen wird der römische Fürst in der Hälfte der Woche, also nach den ersten 3 ½ Jahren der 70.Jahr-Woche (Dan 12,11), eine satanische Religion einführen, sowohl in Palästina als auch im ganzen römischen Reich. Es ist der Zeitpunkt, wo Satan auf die Erde geworfen wurde (Off 12,7–14), und wo die beiden Tiere – das Haupt des römischen Reiches (Off 13,1–8) aus dem Meer, und der Antichrist (Off 13,11–17) aus der Erde – heraufsteigen. Und diese drei Personen werden in einer satanischen Dreiheit die Erde regieren. Das ist der Beginn der großen Drangsal, die die zweiten 3 ½ Jahre der 70.Jahr-Woche dauern wird.
In dieser Zeit wird der Antichrist die Gewalt des römischen Machthabers ausüben und wird die, die auf der Erde wohnen, zwingen, das Haupt des römischen Reiches anzubeten. Und dann wird dieser Antichrist ein Bild des ersten Tieres aufstellen und wird die Menschen zwingen, dieses Bild anzubeten (Off 13,12–15). Er wird Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen; das rein formale jüdische religiöse Tun wird er abschaffen und anstelle dieser Opfer etwas anderes aufstellen, er wird Gräuelgötzen beschirmen. In Dan 11,31 wird von dem Assyrer gesagt, dass dieser das beständige Opfer abschaffen und den verwüstenden Gräuel aufstellen wir; das hat sich aber in der Geschichte des griechischen Weltreiches unter Antiochus Epiphanes schon erfüllt und hat keinen Bezug zu dem Geschehen der 70.Jahr-Woche.
Was ist dieser verwüstende Gräuel oder Gräuel der Verwüstung (Mt 24,15) also? Es könnte einmal die Aufstellung des Bildes des römischen Machthabers zum Götzendienst anstelle des jüdischen Gottesdienstes im Tempel in Jerusalem sein. Nach 2. Thes 2,3+4 könnte es auch der Antichrist selbst sein, der sich als Person in den Tempel Gottes setzen und sich anmaßen wird, sich selbst Gott zu nennen und sich als göttliche Person verehren zu lassen (Mt 24,15). Da der Engel Gabriel hier von der Beschirmung der Gräuel spricht, könnte man daraus schließen, dass es um den Antichristen im Tempel geht, über den der römische Machthaber schützend und schirmend seine Hand halten wird. Mit letzter Sicherheit lässt sich aber nicht bestimmen, welches dieser beiden Dinge hier gemeint ist. Es wird jedenfalls an dem einzigen heiligen Ort, den Gott kannte und kennt, in dem Tempel in Jerusalem, der Gipfel der Gotteslästerung, der je auf Erden geschehen ist, stattfinden!
Die Antwort Gottes darauf wird der Verwüster sein, den Gott schicken wird. Es ist der Assyrer, der König des Nordens, den Gott als Zuchtrute zur Bestrafung Seines irdischen Volkes benutzen wird (Jes 8,7+8; 10,5+6; Jer 47,2). Die Folge davon ist Vernichtung, d.h. für die meisten in Israel wird es buchstäblich den Tod bedeuten, sie werden in diesen ganzen Kriegen umkommen. Aber auch der Assyrer wird nach diesen Kriegsgeschehen durch den Herrn Jesus gerichtet und geschlagen werden (Jes 14,25; Dan 11,45).
Vers 27 ausführlich:
Und er [das zukünftige Haupt des römischen Reiches] wird einen festen Bund mit den Vielen [der ungläubigen Masse des jüdischen Volkes] schließen für eine Woche [die 70.Jahr-Woche; die 7 Jahre zwischen Entrückung der Versammlung und der Aufrichtung des 1000-jährigen Reiches]; und zur Hälfte der Woche [der Beginn der großen Drangsalszeit, die letzten 3 ½ Jahre] wird er [das Haupt des römischen Reiches] Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung der Gräuel [die schirmende Hand des Hauptes des römischen Reiches über den Antichristen im Tempel in Jerusalem] wird ein Verwüster kommen [der Assyrer, der König des Nordens als Werkzeug Gottes zur Bestrafung Seines abtrünnigen Volkes], und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete [die geliebte Stadt Jerusalem] ausgegossen werden.
So endet dieses Kapitel mit schrecklichen Gerichten. Wie ermunternd muss es für Daniel gewesen sein, dass Gott aber zuvor in Vers 24 ihm gezeigt hatte, dass Er Sein Ziel mit diesem Volk erreichen wird, dass noch einmal ein Allerheiligstes in Jerusalem gesalbt werden wird! Aber hier am Ende dieser Prophezeiung sehen wir, dass die geliebte Stadt Jerusalem, für die Daniel so innig gebetet hatte, das Verwüstete genannt wird. „O dass mein Volk gehört hätte, dass Israel in meinen Wegen gewandelt hätte“ (Ps 81,14)!
Wir haben jetzt diese gewaltige Mitteilung des Engels Gabriel betrachtet, wir haben die verschiedenen Zeitabschnitte und die Hauptakteure gesehen – beschleicht uns nicht ein Gefühl der Trauer, dass es mit der Person des Verwüsters und der Verwüstung Jerusalems endet? Diese Not für das Volk wird gewaltig sein; aber es macht uns doch glücklich, dass trotz aller Not der Herr Jesus zu Seinem Ziel kommt! Er wird nach all diesen gerechten Gerichten die Schmach Seines Volkes wegnehmen von der ganzen Erde und die Tränen von jedem Angesicht abwischen (Jes 25,8)! So notwendig die Wege der Zucht sind, so geht Er diese Wege mit den Seinen aus Liebe; und Er wird als der Letzte auf der Erde stehen (Hiob 19,25) – „Herrlichkeit dem Gerechten“ (Jes 24,16)!