„Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu. Und die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, immer und ewig.“ (Vers 2–3)

Diese beiden Verse stellen das Ende der Prophezeiung an Daniel dar. Was dann noch folgt, sind nur noch gewisse Anweisungen an Daniel; die Weissagung selbst endet mit Vers 3. Das Volk der Juden wird durch unvergleichliche Drangsale gehen müssen, sie werden durch den Messias gerettet werden, aber Voraussetzung ist, dass sie im Buch des Lebens verzeichnet sind. Was jetzt gesagt wird, geht aber über diese beiden Stämme hinaus. Wenn hier vom Schlafen im Staub der Erde und vom Erwachen daraus gesprochen wird, geht es nicht um die leibliche Auferstehung der Israeliten. Es geht darum, dass sich in Israel ja nur zwei Stämme befanden, Juda und Benjamin, die übrigen zehn Stämme sind verschollen. Als ganze Nation schläft Israel im Staub der ganzen Erde, so sehr zerstreut sind sie. Aber Gott wird sie als Nation erwecken. Er vergisst auch die zehn Stämme nicht einfach und wird auch an ihnen handeln.

Aber nur die einen werden zu ewigen Leben erweckt werden, Gott wird sie einführen in die alten Beziehungen. Dann gibt es auch solche, die zur Schande und zu ewigem Abscheu sind. Auch mit ihnen wird der Herr handeln. Dieses Erwachen Israels als Nation aus dem Staub der Erde wird auch in Hes 20,37+38 angedeutet; und auch da macht Gott diesen Unterschied wie hier. In Hes 37,7 ff. haben wir das gleiche Geschehen in dem Bild eines zum Leben erwachenden Körpers, die nationale Auferstehung Israels. Israel als Nation wird wieder erstehen (Jes 26,19); aber Gott wird die Empörer und die Abgefallenen aus allen 12 Stämmen nicht in das Land bringen, sie werden zur Schande sein.

Vers 3 gestattet dann einen kleinen Blick in die darauf folgende Segenszeit des 1000-jährigen Reiches. Die Verständigen hatten in der Zeit der Drangsal auch schon die Vielen unterwiesen, hatten in dieser dunklen Zeit auch schon geleuchtet für ihren Herrn. Und sie werden diese besondere Aufgabe und Stellung auch während der Zeit des 1000-jährigen Reiches haben. Aber es geht auch noch über diese treuen Gläubigen hinaus; auch Daniel selbst war ein solcher Verständiger. Und diese bekommen dann eine besondere Stellung der Autorität, um etwas von der göttlichen Herrlichkeit hervorscheinen zu lassen (vgl. Mt 13,43).

Ewig im Alten Testament hat meistens die Bedeutung, dass danach nichts anderes mehr an dessen Stelle kommt, dass es nicht durch etwas anderes ersetzt wird, und es bezieht sich in der Regel auf die Zeit des 1000-jährigen Reiches (z.B. Jes 60,21). Die Gläubigen des Alten Testaments konnten übrigens auch gar nicht wissen, dass das Segensreich des Herrn 1000 Jahre dauern wird, denn das wissen wir erst aus der Offenbarung (Off 20,2–7). Der Herr Jesus gebraucht in Mt 25,46 fast die gleichen Worte wie hier der Engel, bedeuten Seine Worte mehr als die des Engels? Ist es tatsächlich im Alten Testament eine zeitlich begrenzte Periode? Der Ausdruck steht doch immer mit dem Gedanken der wahrhaftigen Ewigkeit in Verbindung, auch wenn es den alttestamentlichen Gläubigen noch nicht offenbart war. Auch hat das 1000-jährige Reich im Alten Testament Aspekte, die durchaus Ähnlichkeit mit dem Zustand der Ewigkeit haben. Das 1000-jährige Reich ist einerseits das Ende aller Handlungen Gottes mit der gegenwärtigen Schöpfung, aber andererseits ist es auch in gewisser Hinsicht das Tor zu der herrlichen Ewigkeit. Im Neuen Testament geht die Bedeutung dieses Wortes weit über den zeitlichen Aspekt hinaus und beschreibt den Inhalt dessen, nämlich die Person des Sohnes Gottes (Joh 17,3). Das war im Alten Testament noch nicht offenbart.

Diese drei Verse bedeuteten für Daniel also eine dreifache Ermunterung:

  • sein Volk wird errettet werden
  • das beschränkt sich nicht nur auf die zwei Stämme im Land, sondern auf das ganze Volk
  • es wird eine besondere Belohnung Gottes für diejenigen geben, die in dieser schweren Zeit sich Ihm in besonderer Weise hingegeben haben.

„Und du, Daniel, verschließe die Worte und versiegle das Buch bis zur Zeit des Endes. Viele werden es durchforschen, und die Erkenntnis wird sich mehren.“ (Vers 4)

Warum folgt nun diese Aufforderung Gottes, dass Daniel die Worte verschleißen und das Buch versiegeln sollte? In Vers 9 wird das noch einmal wiederholt. Es ist geradezu das Gegenteil von dem, wie die Offenbarung schließt, denn dort wird gesagt: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches“ (Off 22,10). In der Offenbarung ist die Begründung, dass die Zeit nahe ist. Hier in Daniel wird gleichsam gesagt, dass die Zeit noch weit voraus liegen würde. Gott hat dem Daniel ein sehr weitgehendes Gesicht gegeben, und dann sagt Er ihm: Schließ das zu, es ist noch nicht so weit! Viele werden das Buch noch durchforschen und zum Teil auch Verständnis erlangen.

Wenn wir an uns denken, dann leben wir schon in dieser letzten Zeit. Es ist die Zeit, die mit dem Kommen des Herrn auf diese Erde begonnen hat (1. Pet 1,20; Heb 1,2; Gal 4,4). Mit dem Kommen des Herrn hat eine andere Offenbarung stattgefunden. Wir haben in den letzten vier Jahren dieses Buch der Weissagung durchforscht, und es hat uns einen großen Segen gebracht. Der Herr hat uns Verständnis und Licht gegeben über die Dinge. Wir leben schon am Ende der Tage, das ist der typische Blickwinkel für den Christen. Johannes nennt diese Zeit die letzte Stunde (1. Joh 2,18), danach kommt keine mehr. Paulus sagt, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden (2. Tim 3,1). In diesen letzten Tagen leben wir, und so sind wir auch in der Lage, diese Weissagungen Gottes durch den Heiligen Geist zu verstehen und zu genießen.

Sittlich gesehen stehen wir weit hinter Daniel und den Verständigen jener Zeit zurück, aber wenn es um Erkenntnis oder Verständnis über diese Dinge geht, haben wir größeres Licht als Daniel. Die Propheten des Alten Testaments haben nicht für sich selbst die Dinge bedient (1. Pet 1,10–12). Aber was die alttestamentlichen Propheten nicht verstehen konnten, ist nun für uns eine Lampe an einem dunklen Ort (2. Pet 1,19). Das Kommen des Herrn steht vor unseren Blicken, der Morgenstern geht auf in unseren Herzen, schon bevor Er wirklich wiederkommt. Das ganze Ziel der prophetischen Offenbarungen im Alten wie im Neuen Testament ist es, dass die Braut ruft: „Komm!“ (Off 22,17).