„Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen über jeden Gott und gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden; und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen. Und auf den Gott der Väter wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Frauen noch auf irgendeinen Gott wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben. Und an dessen statt wird er den Gott der Festungen ehren: Den Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien. Und er wird gegen die starken Festungen so verfahren mit dem fremden Gott: Wer ihm Anerkennung zollt, dem wird er viel Ehre erweisen, und er wird ihm Herrschaft verleihen über die Vielen und das Land austeilen zum Lohn.“ (Vers 36–39)

Zwischen Vers 35 und Vers 36 liegt eine gewaltige zeitliche Unterbrechung von nun schon mehr als 2000 Jahren. Wir betreten hier zukünftigen Boden, die Szene hat sich grundlegend geändert. Das wird durch zwei Formulierungen deutlich:

  • bis der Zorn vollendet ist (Vers 36); dieser Ausdruck weist auf das Ende des Zornes Gottes über Israel hin (Jes 10,25); Assur war die Rute Gottes zur Bestrafung Seines irdischen Volkes, aber einmal geht der Zorn Gottes gegen Sein Volk zu Ende und Er wird sich Seinem Volk wieder zuwenden; und das ist der Zeitpunkt der Wiederherstellung Israels am Ende der Drangsalszeit
  • zur Zeit des Endes (Vers 40); die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels, die 3 ½-jährige Drangsalszeit

Warum beschäftigen wir uns so ausführlich mit diesen Geschehnissen, die in der Endzeit stattfinden werden, wenn sie uns gar nicht direkt betreffen und wir sie nicht miterleben werden? Warum beschreibt das Wort Gottes diese Zeit so ausführlich? All diese Ereignisse haben vorbereitenden Charakter auf den herrlichen Augenblick, wo der Herr Jesus zurückkommt, um Sein Reich hier auf der Erde zu gründen. Deshalb müssen uns diese Dinge auch interessieren; nicht so sehr aus Neugierde, sondern weil es um die Person unseres Herrn geht.

Die Worte, mit denen die Hauptperson dieser Verse eingeführt wird, unterscheiden sich von denen der vorhergehenden geschichtlichen Berichte. Dort war bei den wechselnden Königen immer von einem, einem anderen die Rede. Hier ist es der König; mit dem Artikel wird hier auf einen ganz bestimmten König hingewiesen. Außerdem fehlt bei diesem König einer der Zusätze der vorhergehenden geschichtlichen Abschnitte, es ist nicht der König des Nordens oder der König des Südens. Zwei deutliche Unterschiede, die zeigen, dass jetzt eine ganz andere Person vor unsere Blicke kommt. Das wird dann auch aus Vers 40 deutlich, wo sowohl von dem König des Südens als auch von dem König des Nordens gesagt wird, dass sie mit ihm – diesem König aus Vers 36 – zusammenstoßen werden.

Der König, von dem hier die Rede ist, ist also nicht mehr der König des Nordens, sondern der zukünftige König der Juden, der Antichrist als Person. Bevor der Antichrist öffentlich auftreten wird, findet die Entrückung der Gläubigen der Gnadenzeit statt. Aber es ist durchaus denkbar, dass er als Person heute schon lebt, denn er wird ja nicht als Kind sich diese Macht anmaßen. Wenn der Herr heute zur Entrückung käme, wird diese Person 3 ½ Jahre später öffentlich auftreten. Es wird einer sein, von dem niemand erwartet hätte, dass er sich in diese Stellung erheben könnte.

Der Antichrist muss ein Jude sein. Verschiedene Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Stamm Dan führen zu der Überlegung, dass er möglicherweise kein rechtmäßiger Nachfolger aus dem Stamm Juda sein wird, sondern aus diesem Stamm kommen wird. In dem Segen Jakobs wird Dan als eine Schlange am Weg, eine Hornotter am Pfad beschrieben (1. Mo 49,16+17); in der Zeit der Richter wurde im Stamm Dan der Götzendienst eingeführt (Ri 18,30); und in der Aufzählung der 144.000 Versiegelten aus den Stämmen Israels in Off 7,4–8 fehlt der Stamm Dan. Das sind zumindest einige Indizien, die darauf hindeuten könnte, aber es sind keine konkreten Beweise, dass es so sein muss. Wir müssen aber auch bedenken, dass zu dieser Zeit nur 2 Stämme im Land sein werden, und Dan gehört nicht dazu. Deshalb wollen wir vorsichtig sein, uns mit diesen Indizien zu einseitig festzulegen. Ähnlich aber wie wir es bei Antiochus IV Epiphanes gesehen haben (Vers 21), wird der Antichrist jemand sein, dem das Recht auf das Königtum nicht zusteht, er wird also mit Sicherheit nicht aus dem Stamm Juda kommen. Er wird ohne Anrecht auf den Thron sich der Herrschaft auf unrechtmäßige Weise bemächtigen und sie dann auf eine teuflische Weise ausüben.

Nach Off 12 wird der Teufel in der Hälfte der 70.Jahrwoche Daniels auf die Erde geworfen. Off 13 zeigt dann, dass zu diesem Zeitpunkt zwei Tiere auftreten werden. Das erste Tier kommt aus dem Meer herauf, das ist der zukünftige römische Machthaber (Off 13,1 ff.); das zweite Tier steigt aus der Erde herauf (Off 13,11 ff.), diese Person trägt verschiedene Bezeichnungen: hier in Off 13 ist es ein anderes Tier; Johannes spricht von ihm als dem Antichrist (1. Joh 2,22), einer, der an die Stelle von Christus tritt; in 2. Thes 2,3+8 wird er der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens und der Gesetzlose genannt. Im Alten Testament wird er der nichtige Hirte genannt (Sach 11,17). Hier in Dan 11,36 und auch in Jes 30,33; 57,9 wird er in Verbindung mit dem Angriff des Assyrers der König genannt. Der Herr Jesus spricht von ihm, dass er in seinem eigenen Namen kommen wird (Joh 5,43) – und sie würden ihn aufnehmen.

Dann werden in diesen Versen einige Merkmale dieses Antichristen gezeigt, und die Beschreibung beginnt mit der schlimmen Sünde des Eigenwillens: er wird nach seinem Gutdünken handeln (Vers 36), also nicht nach Gott fragen. Ein geschätzter Bruder hat einmal gesagt: wenn wir von unserem eigenen Willen regiert werden, dann zeigen wir den Geist des Antichristen! Die schlimmste nur denkbare Sünde ist die Sünde des eigenen Willens. Nicht das zu tun, was Gott will, sondern das, was ich will. Fragen wir in allem, was der Wille des Herrn ist? Wenn wir darauf nicht achten, dann befinden wir uns in den Spuren des Antichristen. In welch einem Gegensatz dazu steht der wahre Christus, der auf diese Erde gekommen ist, um nur eines zu tun: den Willen Seines Gottes und Vaters (Joh 4,34; 5,30; Heb 10,7) – um uns erretten zu können!

Er wird sich auch erheben und groß machen über jeden Gott (Vers 37; vgl. 2. Thes 2,4); das zeugt von seiner Selbstüberschätzung; wir sehen darin deutlich, dass er von Satan inspiriert ist, dessen Sünde ebenfalls diese maßlose Selbstüberhebung war. Erstaunliches wird er reden, anmaßende Worte von sich geben – er wird auftreten wie Gott selbst, auch in seinen Worten. Aus der Bemerkung, dass er nicht auf den Gott der Väter achten wird, können wir deutlich schließen, dass es sich bei dieser Person tatsächlich um einen Juden handeln wird. Äußerlich ist er wohl ein Jude, aber ein abgefallener Jude, der Gott seiner Väter ist ihm völlig gleichgültig. Auf die Sehnsucht der Frauen wird er auch nicht achten; sie hatten alle die Hoffnung, das Werkzeug der Geburt des Messias zu werden, aber für ihn hat das keine Bedeutung. Wir wissen natürlich, dass der Messias schon vor fast 2000 Jahren geboren worden ist und ein zweiter Messias wird nicht mehr geboren werden. Der Antichrist nimmt keine Rücksicht auf die offenbar zu dieser zukünftigen Zeit noch bestehende Erwartung der orthodoxen Juden, dass der Messias noch geboren werden muss.

Er wird nicht den wahren Gott Israels ehren, sondern den Gott der Festungen (Vers 38), eine Anspielung wohl auf das Haupt des römischen Reiches. Der Antichrist führt die Menschen dahin, den falschen römischen Fürsten anzuerkennen und anzubeten (Off 13,13–15). Dieser Mann ist der Inbegriff der Bosheit, er geht an Bosheit über alles hinaus, was es bisher auf der Erde gegeben hat. Wie erschütternd ernst, dass dieser Mann von dem Volk der Juden mit Hingabe als König aufgenommen wird! Die Juden werden ihm anhängen, weil sie den Herrn selbst nicht mehr lieben!

Er wird mit einem fremden Gott handeln (Vers 39), also mit einem Gott, den die Väter nicht gekannt haben; es ist ein für den Glauben fremder Gott. Diesen benutzt der Antichrist, um Lohn auszuteilen. Inspiriert durch Satan imitiert der Antichrist auch hierin den Herrn Jesus. Der Herr Jesus wird einmal Lohn austeilen, und dieser Mann tut das auch. Aber er verteilt eine Anerkennung, der weder ihm noch diesen Menschen zusteht. Und er wird Land austeilen. Wem gehört dieses Land in Zukunft? Den Sanftmütigen (Mt 5,5), den Aufrichtigen (Spr 2,21), den Gerechten (Ps 37,29); und der Antichrist teilt es aus, als ob er darüber verfügen könnte, obwohl es doch allein Gott gehört.

Äußerlich gesehen wird dieser Mann zwei Funktionen haben: einerseits wird er politisch gesehen der König der Juden sein, das hauptsächlich in der engen Allianz mit dem Haupt des römischen Reiches (Off 13). Die andere Seite ist seine religiöse Funktion (2. Thes 2,2+3). Beides zusammen zeigt den Charakter dieser Person: ein Mensch, der sich selbst zu Gott macht und als Gott anbeten lässt. Ist das überhaupt vorstellbar in unserer aufgeklärten Zeit? In wenigen Jahren vielleicht – wenn der Herr heute kommt – werden Menschen vor einem Menschen in Jerusalem niederfallen und ihn als Gott anbeten! Was für eine Verblendung wird die Menschen ergreifen. Aber werden wir nicht heute schon in weiten Teilen Europas damit konfrontiert, dass der wahre Gott beiseitegesetzt wird? Das ist die Bereinigung der Szene für diese furchtbare Entwicklung.

Das Wirken und Handeln dieses Mannes wird nicht unbegrenzt sein. Er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist. Diese Bosheit, so unglaublich groß sie auch ist, wird von Gott zum festbeschlossenen Zeitpunkt beendet werden. Und dann werden auch die Leiden dieses Überrestes beendet sein.

Zusammengefasst sind die Charakterzüge des Antichristen in diesen Versen

  • Eigenwille – er handelt nach Gutdünken
  • Selbstüberhebung und Arroganz – er erhebt sich und macht sich groß
  • Lästerung und Blasphemie – er wird Erstaunliches reden
  • Erfolg für eine gewisse Zeit – er wird Gelingen haben
  • völlige Respektlosigkeit göttlichen Autoritäten gegenüber – er wird nicht achten…
  • Götzendienst, gewisse Religiösität – er ehrt den Gott der Festungen
  • Korruption und Opportunismus – er lohnt diejenigen, die ihm folgen

Ein schreckliches Bild dieses Menschen! Wir werden diese Zeit des Antichristen nicht miterleben auf dieser Erde; aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass der Geist des Antichristen jetzt schon wirksam ist in der Welt (1. Joh 4,3). Diese Merkmale des Antichristen charakterisieren die Welt, in der wir heute leben! Wir leben heute in einer Zeit, wo die meisten Menschen sagen, Gott ist tot, Er existiert nicht mehr. Blasphemie umgibt uns heute wie die Luft. Diese Charaktermerkmale des Antichristen sind heute aktuell, das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon wirksam (2. Thes 2,7).

Vor diesem dunklen Hintergrund strahlt ein ganz helles Licht! Der wahre Christus handelt völlig anders; alle diese sieben Merkmale haben in den herrlichen Wesenszügen unseres Herrn Jesus ihr vollständiges Gegenstück. Gewaltige Gegensätze! Der Herr Jesus hat nur den Willen dessen getan, der Ihn gesandt hatte; Er hat sich selbst zu nichts gemacht (Phil 2,7); Er hat in allem, was Er getan hat, Seinen Vater geehrt. Wie erstrahlt die Vollkommenheit des Herrn Jesus vor diesem dunklen Hintergrund!