Da erschrak der König Nebukadnezar, und er stand schnell auf, hob an und sprach zu seinen Räten: Haben wir nicht drei Männer gebunden ins Feuer geworfen? Sie antworteten und sprachen zum König: Gewiss, o König! Er antwortete und sprach: Siehe, ich sehe vier Männer frei umhergehen mitten im Feuer, und keine Verletzung ist an ihnen; und das Aussehen des vierten gleicht einem Sohn der Götter.“ (Dan 3,24.25)

In den Kapiteln 3, 4 und 5 finden wir bei den Königen Babels ein Erschrecken in absteigender Linie, es zeigt immer weniger Wirkung bei den Königen. Das Erschrecken war aber durchaus gottgewollt, ein erwecktes Gewissen soll dadurch in das ganze Licht Gottes kommen. In Kapitel 4 wird Nebukadnezar durch den Traum erschreckt (Vers 2); und in Kapitel 5 ist es Belsazar, der durch die schreibende Menschenhand entsetzt wird. Hier in Kapitel 3 führt es bei Nebukadnezar zur Besinnung. Offenbar hat nur er den vierten Mann sehen können, seine Räte können nur bestätigen, was sie getan hatten. Er vergleicht ihn mit einem Sohn der Götter; es ist der Herr Jesus, der in Daniel 7,13 beschrieben wird wie eines Menschen Sohn.

Die drei Freunde waren nicht darauf eingegangen, was Nebukadnezar gewagt hatte, gegen den Gott Israels zu sagen. Sie hatten nur davon geredet, wie völlig sie ihrem Gott vertrauten und Ihm die Sache überließen. Ihre Empfindungen werden in den Psalmen ausgedrückt, z.B. in Psalm 25,2.3; 35,21.22. Und jetzt ist es dieser vierte Mann, den Nebukadnezar sieht, der ihn zurückführt. Nur Nebukadnezar sah diesen vierten Mann und das brachte ihn zurecht. Er sieht jetzt kein Gesicht oder Traum, sondern er sieht zwei Wunder:

  • Diejenigen, die gebunden in den Feuerofen geworfen worden waren, gehen frei umher
  • und ein vierter Mann ist bei ihnen.

Dieser leidgeprüfte jüdische Überrest wird die Gegenwart Gottes in ungeahnter Weise genießen!

Hier vergleicht Nebukadnezar diesen vierten Mann mit einem Sohn der Götter, in Vers 28 nennt er ihn einen Engel Gottes. Er hatte schon große Einblicke in das Handeln Gottes und Sein Wesen bekommen, und doch weiß man nicht, wie dieser Mann innerlich wirklich gestanden hat. Er spricht hier absolut als Heide; Sohn der Götter hat nichts mit Sohn Gottes zu tun! Im Hebräischen wäre das nicht so klar zu sagen, weil im Hebräischen für Gott immer die Mehrzahl gebraucht wird und für Götter eben auch die Mehrzahl. Man müsste aus dem Zusammenhang entnehmen, ob der allein wahre Gott gemeint ist oder die Götter. Aber hier haben wir den Text in aramäischer Sprache (Dan 2,4–7,28), und in dieser Sprache ist das anders. In dieser Sprache wird Gott immer in der Einzahl genannt, und wenn die Mehrzahl steht, sind immer Götzen gemeint.

Aber dieses Geschehen hat auch für uns eine Stimme: „Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen“ (Jes 43,2). Jeder von uns hat seine Probleme; jeder von uns weiß ein wenig, was der Feuerofen ist; jeder von uns weiß, dass es keine einfachen Dinge sind und dass Gott sie uns eben nicht erspart und sie uns auferlegt. Aber dann erfahren wir, dass in unseren Nöten der bei uns ist, der uns errettet (Ps 23,4). Das Mitgefühl des Herrn Jesus mit uns im Ofen ist wertvoller als die Bewahrung vor dem Ofen – viele Geschwister haben das im Lauf der Jahrhunderte erlebt! Der Ofen wird zu einem Ort der Gemeinschaft mit Gott, und die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, können nicht gemacht werden, wenn der Herr uns vor dieser oder jener Übung bewahrt. Gott verherrlicht sich oft mehr dadurch, dass Er den Seinen in diesen Übungen beisteht und Kraft zum Tragen und zum Ausharren gibt, als dadurch, dass Er in Seiner Macht das eine oder andere verhindert. Gott verherrlicht sich gerade dadurch, dass Er uns prüft, dass Er uns die Prüfungen nicht erspart!

Kirchengeschichtlich war die Epoche Smyrnas ein Feuerofen gewesen. Warum hatte der Herr diesen Feuerofen zugelassen, welche Absicht hatte Er damit verfolgt? Sollte nicht die Versammlung wieder zurückgeführt werden, weil sie ihre erste Liebe verlassen hatte? Und wenn uns der Herr heute persönlich oder als örtlicher Versammlung Prüfungen schickt, dann sollten wir sie auch einmal in diesem Licht sehen. Was hat Er uns damit persönlich zu sagen? Wovon will Er uns freimachen?

Am Anfang der Geschichte des irdischen Volkes Israel sprach Gott aus dem brennenden Dornbusch – ein Bild vom Volk Israel – zu Mose (2. Mo 3,4); dann finden wir diese Tatsache erst wieder ganz am Ende der Wüstenreise erwähnt (5. Mo 33,16). Es ist eine wunderbare Erfahrung, dass Gott mit Seinem Volk in den Übungen gegenwärtig ist.

Der Herr hatte dafür gesorgt, dass an den drei Freunden nur die Fesseln verbrannten. Manchmal führt der Herr auch durch Leiden, um Fesseln und Bindungen zu lösen. Und Er führt dann aus den Leiden heraus, um Brüder oder Schwestern zu befähigen, Ihm in einer besonderen Weise zu dienen. Bruder Heijkoop hat aus seinem Leben berichtet, dass er die schwersten, aber auch die kostbarsten Tage seines Lebens im Konzentrationslager hatte, als er jeden Tag damit rechnen musste, zur Hinrichtung geführt zu werden. Freigelassen wurde er, weil ein junger Offizier die Unterschriften der höheren Vorgesetzten für seine Entlassungsurkunde gefälscht hatte. Dieser wurde dafür hingerichtet. Als Bruder Heijkoop davon hörte, wurde ihm klar, dass der Herr ihn durch diese Umstände freimachen wollte, vollzeitig in Seinem Dienst tätig zu werden.

Bruder Darby übersetzt in seiner Bibel sowohl in den Versen 21, 23, 24 und 26 wie auch in unserer Elberfelder Übersetzung in Vers 25 jeweils die Worte „mitten in …“ bzw. „mitten aus dem Feuer heraus“. Wenn man beim Schmieden das Stahlstück besonders glühend haben will, darf man es nicht an den Rand des Feuers legen, dann muss es direkt in die Mitte des Feuers, dort ist die Hitze am größten – und da befanden sich die drei Freunde und mit ihnen der vierte Mann.

Da trat Nebukadnezar an die Öffnung des brennenden Feuerofens, hob an und sprach: Sadrach, Mesach und Abednego, ihr Knechte des höchsten Gottes, geht heraus und kommt her! Da gingen Sadrach, Mesach und Abednego aus dem Feuer heraus. Und die Satrapen, die Befehlshaber und die Statthalter und die Räte des Königs versammelten sich; sie sahen diese Männer, dass das Feuer keine Macht über ihre Leiber gehabt hatte: Das Haar ihres Hauptes war nicht versengt, und ihre Mäntel waren nicht verändert, und der Geruch des Feuers war nicht an sie gekommen“ (Dan 3,25–27).

Es werden besondere Einzelheiten bei den drei Freunden beschrieben, als sie aus dem Ofen herauskamen:

  • Ihr Haar war nicht versengt; das erinnert daran, dass ohne den Willen Gottes kein Haar von unserem Haupt verloren geht (Lk 21,18).
  • Ihre Mäntel waren nicht verändert; ihr Zeugnis für den Herrn hatte keinen Schaden genommen durch diese schlimme Prüfung.
  • Der Geruch des Feuers war nicht an sie gekommen; keine Spuren des Gerichtes sind zurückgeblieben, keine Erinnerung an vergangenes Leid bleibt zurück (vgl. Jes 25,8).

Wie vollkommen ist doch die Rettung Gottes an diesen drei Freunden! Dieses dreifache Ergebnis wurde vor all den Statthaltern und Satrapen und Würdenträgern Nebukadnezars bezeugt. Das erinnert uns kirchengeschichtlich an die Zusicherung des Herrn für die Treuen in Philadelphia (Off 3,9) und an das Gebet des Herrn in Johannes 17,23, wo die Welt erkennen soll, wie Er die Seinen liebt.

Wir können vielleicht vier Ergebnisse dieser Prüfung des Feuerofens bei den drei Freunden festhalten:

  • Sie hatten die Freude der Gemeinschaft mit ihrem Herrn in dieser Prüfung; diese Gemeinschaft hätten sie verloren, wenn sie sich vor dem Bild niedergebeugt hätten.
  • Es wird bestätigt, dass sie recht gehandelt hatten; Nebukadnezar muss anerkennen, dass der Gott, dem sie dienten, der höchste Gott ist.Gott wird verherrlicht.
  • Sie wurden von den Bindungen befreit.

Zum ersten Mal wird in der Bibel von Gott dem Höchsten gesprochen in 1. Mose 14,18–22. Da ist Melchisedek auch ein Bild von dem Herrn Jesus, der einmal König und Priester sein wird auf Seinem Thron (vgl. Sach 6,12.13), ein Hinweis auf den Segen des 1000-jährigen Reiches. Nebukadnezar spricht hier etwas aus, was er selbst überhaupt nicht verstanden hatte. Seine Worte machen deutlich, dass er noch andere Götter neben diesem höchsten Gott zulässt.