Johannes der Täufer – Zeuge von dem wahrhaftigen Licht (Joh 1,6–8)

Johannes der Täufer wird in diesem Evangelium ganz anders vorgestellt als in den anderen drei Evangelien, seine Botschaft hier hat einen ganz anderen Schwerpunkt. In den drei synoptischen Evangelien ist der Schwerpunkt seines Dienstes, dass er die Herzen des Volkes Israel zur Buße und zur Annahme des Messias führen sollte. Hier im Johannes-Evangelium ist der Schwerpunkt seines Dienstes, dass er die Herrlichkeit der Person des Herrn Jesus ans Licht stellt; das Licht, von dem er zeugt, kann nicht beschränkt werden auf ein einziges Volk oder ein bestimmtes Land, sondern das Licht geht aus zu allen Menschen. Gott möchte, dass Seine Botschaft über das Licht allen Menschen zugänglich wird. Sein Herz ist so unendlich weit, dass Er die Herrlichkeit Seines Sohnes allen Menschen ohne Ausnahme vorstellen lässt.

„Da war ein Mensch, von Gott gesandt, sein Name Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeugte, damit alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern damit er von dem Licht zeugte.“ (Joh 1,6–8)

Obwohl die moralische Finsternis das Licht aktiv nicht annehmen wollte, lässt Gott die Dinge nicht als hoffnungslos laufen. Er sendet jetzt einen Knecht, Johannes den Täufer, damit dieser Mann noch mehr von dem Licht zeugen möge, damit alle durch ihn glaubten. Gott gibt die Sache nicht auf. Was veranlasst Ihn, einen Menschen zu senden, obwohl Er weiß, wie die Finsternis mit dem Licht umgehen würde? Es ist Seine Liebe, die Ihn einen menschlichen Boten senden lässt, um von dem Licht zu zeugen, um der Wahrheit Zeugnis zu geben (Joh 5,33) – das war die große Aufgabe von Johannes dem Täufer! Sein Name Johannes bedeutet „Gott ist gnädig“ oder „Der Herr ist gütig“ (Lk 1,13). Dieser Name prägte seinen Dienst und seine Botschaft.

Dieser Bote, den Gott jetzt sendet, hat nur eine einzige Aufgabe, nämlich das Licht sichtbar zu machen, den Menschen deutlich zu machen, dass dieses Licht jetzt da ist. Und so hat dieser Bote hier auch nur ein einziges Kennzeichen, nämlich seinen Namen Johannes. Er wendet den Blick praktisch überhaupt nicht auf sich, sondern von sich weg hin zu dem wahren Licht. Er besaß das Licht nicht in sich selbst, aber er konnte darauf hinweisen, es in diesem Sinn sichtbar machen für die Menschen. Er war die brennende und scheinende Lampe (Joh 5,35); im Vergleich zu dem wahrhaftigen Licht war er nur ein kleines Licht, das angezündet werden musste. Dreimal haben wir in diesen Versen das Zeugnis des Johannes des Täufers (Joh 1,6–8.15.19–28).

Ein Mensch – was für ein abrupter Gegensatz zu den Versen in Johannes 1,1–5, wo wir das ewige Wort vor uns hatten! Gott sendet nicht nur das Licht, sondern Er sendet auch einen menschlichen Boten, um dieses Licht zu enthüllen. Der Engel, der dem Zacharias die Geburt von Johannes dem Täufer ankündigt, sagt von ihm, dass er groß sein wird vor dem Herrn (Lk 1,15), und der Herr Jesus sagt, dass unter den von Frauen Geborenen kein Größerer aufgestanden ist als Johannes der Täufer (Mt 11,11; Lk 7,28). Doch hier wird er einfach als ein Mensch vorgestellt.

Frage: Auf wen bezieht sich der Ausdruck „damit alle durch ihn glaubten“: auf Johannes den Täufer oder auf den Herrn Jesus?

Antwort: Johannes zeugte von dem Licht und durch dieses sein Zeugnis sollten die Menschen glauben. Gott gebraucht Werkzeuge, durch die Er wirkt, und durch ihn, den Johannes, sollten die Menschen zum Glauben kommen.

Das tut Gott übrigens auch heute noch, und deshalb müssen wir uns bei dieser Beschreibung von Johannes dem Täufer zwei Fragen stellen: Sind wir auch in einem Zustand, um von dem Licht zeugen zu können, sind wir innerlich brennend für die Person unseres Herrn (Lk 24,32)? Ist es auch unser Bestreben in unserem Dienst, von uns wegzuweisen und Ihn groß zu machen?

In das wahrhaftige Licht gestellt (Joh 1,9–13)

„Das war das wahrhaftige Licht, das in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.“ (Joh 1,9)

Dass der Herr Jesus als Licht in die Welt gekommen ist, finden wir auch im Matthäus- und im Lukas-Evangelium (Mt 4,15.16; Lk 2,30–32). In Vers 7 haben wir gesehen, dass Johannes der Täufer von dem Licht zeugte, damit alle durch ihn glaubten; hier lesen wir, dass das wahrhaftige Licht jeden Menschen erleuchtet. In Vers 7 wird der Umfang der Absicht Gottes deutlich gemacht, nicht das Ergebnis; Gott möchte, dass alle Menschen erleuchtet werden, dass alle errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim 2,4). Wenn der Herr Jesus auf das Kreuz erhöht sein würde, würde Er der Anziehungspunkt für alle Menschen – Juden und Nationen – werden (Joh 12,32). Die Absicht Gottes erstreckt sich auf alle, Seine Gnade ist erschienen, heilbringend für alle Menschen (Tit 2,11) – aber es haben nicht alle an Ihn geglaubt.

Wenn aber hier gesagt wird, dass der Herr Jesus als das wahrhaftige Licht jeden Menschen erleuchtet, dann ist das nicht Absicht, sondern Tatsache. Es wird hier ganz abstrakt geschildert, was das Kommen des Herrn Jesus für jeden Menschen bedeutet – unabhängig davon, was der Mensch persönlich mit diesem Licht gemacht hat. Hier geht es auch noch nicht darum, ob der Heilsweg beschritten wird oder nicht, diese persönliche Anwendung finden wir erst ab Vers 12.

Hier haben wir eine für den Schreiber dieses Evangeliums typische Art der Beschreibung in seinen Schriften; immer wieder betont Johannes im Zusammenhang mit einem Wesenszug des Herrn Jesus, dass Er das wahrhaftige Licht, der wahrhaftige Gott (1. Joh 5,20), der wahrhaftige Weinstock (Joh 15,1), das wahrhaftige Brot aus dem Himmel (Joh 6,32), der wahrhaftige Zeuge (Off 3,14) ist.

„Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht“ (Joh 1,10)

In diesem Vers wird in Bezug auf den Herrn Jesus gesagt, dass die Welt Ihn nicht kannte. Wir finden diese Aussage in diesem Evangelium auch noch in Bezug auf die anderen beiden Personen der Gottheit, in Johannes 14,17 in Bezug auf den Heiligen Geist und in Johannes 17,25 in Bezug auf den Vater. Und in seinem ersten Brief wird dies sogar noch als Begründung dafür angeführt, dass die Welt auch uns nicht erkennt (1. Joh 3,1).

In den anderen Evangelien wird der Herr Jesus in Seinen Ämtern, z.B. als Messias, herabgewürdigt und abgelehnt. Hier kommt der Schöpfer, der, durch den die Welt wurde, zu denen, die das Ergebnis Seines eigenen Werkes sind, die in sich etwas von Seiner Herrlichkeit tragen, und sie kannten Ihn nicht. Eine erschütternde Feststellung, dass die Welt ihren eigenen Schöpfer nicht kannte, keine Beziehung zu Ihm wollte! Wie groß musste die Finsternis sein (Mt 6,23)!

„Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an.“ (Joh 1,11)

Und Er hatte etwas in dieser Welt, das Er das Seine nennt; und in dieses Seine kam Er auch. Aber von denen heißt es nicht, dass sie Ihn nicht kannten, sondern dass sie Ihn nicht annahmen. Das jüdische Volk hat den Herrn Jesus verworfen – welch ein einsamer Mann war unser Heiland! Wir finden diesen Ausdruck „die Seinen noch einmal in diesem Evangelium (Joh 13,1), aber dort hat er eine ganz andere Bedeutung. Da ist es nicht Sein irdisches Volk, sondern es sind die, die Ihn angenommen hatten (Joh 1,12).

Die Verantwortung derer in Vers 11 ist größer. Er kam nicht nur zu denen, die Er geschaffen hatte, sondern Er hatte solche, die durch Ihn einen Platz besonderer Nähe bekommen hatten, die Ihm gehörten, die Er zu einem besonderen Volk gemacht hatte, denen gegenüber Er in besonderer Weise Seine Liebe und Gnade offenbart hatte. Und deren Ablehnung ist entsprechend ihrem Maß an Verantwortung auch gravierender. Nicht annehmen ist gleichbedeutend mit Ablehnen und Verwerfen.

„So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ (Joh 1,12)

So tragisch es ist, dass Sein irdisches Volk Ihn nicht annahm, dass sie Ihn ablehnten und nicht haben wollten, umso glücklicher ist es, dass es doch Einzelne gab, die sich dem Wirken Gottes geöffnet haben. Und denen gab Gott das Recht, Kinder Gottes zu werden. Das ist etwas weit Herrlicheres und Höheres, als zu Seinem irdischen Volk zu gehören. Solchen schenkt Er nicht Leben auf der Erde, sondern das ewige Leben.

Frage: Besteht ein Unterschied zwischen dem Nicht-Annehmen in Vers 11 und dem Aufnehmen in diesem Vers?

Antwort: Annehmen geht wohl nicht so weit wie Aufnehmen. Ihn nicht anzunehmen bedeutet, Ihn abzulehnen. Aufnehmen ist ein Vorgang des Herzens; Menschen wurden dahin geführt, Ihn mit Ihrem Herzen aufzunehmen. Durch Gottes Gnade ist das auch unser Teil.

Der Ausdruck „so viele“ macht ganz deutlich, dass eine persönliche Entscheidung jedes Einzelnen gefragt ist. Jeder ist ins Licht gestellt worden, aber nur die, die Ihn aufnahmen, bekommen das Recht, Kinder Gottes zu werden. An Seinen Namen zu glauben bedeutet, Seine Person in all ihren Herrlichkeiten anzunehmen, wie sie hier gezeigt werden; an Ihn zu glauben, wie Er als Sohn Gottes Mensch geworden ist auf dieser Erde und dann am Kreuz gestorben ist. Ein alttestamentlich Gläubiger konnte Ihn in diesem Sinn nicht aufnehmen, weil Er noch nicht gekommen war. Ihn Aufzunehmen und an Seinen Namen zu glauben meint die Bekehrung des Einzelnen.

Frage: Rein sprachlich könnte man aus der Formulierung in diesem Vers schließen, dass mit der Aufnahme Seiner Person erst das Recht verliehen wird, Kinder Gottes zu werden, noch nicht die Tatsache selbst.

Antwort: Wir sollten das nicht trennen; Gott gibt solchen das Anrecht auf die Kindschaft und zeigt gleich im nächsten Vers, auf welchem Weg sie das bekommen; dass sie es sich nicht selber aneignen können, sondern von Gott geschenkt bekommen. Und damit ist uns eine gewisse Autorität oder Befugnis verliehen worden; nur die Kinder Gottes haben das Recht, sich so zu nennen. Die Sache selbst ist also schon wahr in Bezug auf die, die Ihn aufnehmen. Die Juden hatten sich immer darauf berufen, Abrahams Same zu sein (Joh 8,33), und im Gegensatz dazu steht jetzt das Recht derer, Kinder Gottes zu sein, die an den Herrn Jesus wirklich geglaubt haben. Auf die Bekehrung folgt also dieses Recht; und im letzten Buch des Neuen Testaments gebraucht Johannes noch einmal genau die gleiche Reihenfolge: Bekehrung – Anrecht (Off 22,14). Die Annahme des Herr Jesus gibt Berechtigung.

Kinder Gottes sind aus Gott geboren. „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren“ (1. Joh 5,1). Dieser Vers stellt uns den Beweis vor, dass das neue Leben da ist. Und Gott nimmt da das niedrigste Zeugnis über Seinen Sohn als Beweis. Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren. Wenn es dem Teufel gelingt, Zweifel bei uns zu wecken an unserem neuen Leben, dann dürfen wir uns diese Frage stellen: Glaube ich, dass Jesus der Christus ist? Wenn ja, bin ich aus Gott geboren! Es gibt keine neue Geburt, ohne die Herrlichkeit des Herrn Jesus anzuerkennen. Wie glücklich macht uns das, dass wir durch die neue Geburt das Leben Gottes bekommen haben (1. Joh 3,1). Diese Segnung kannten die alttestamentlich Gläubigen nicht. Sie hatten auch eine Neugeburt erlebt, sie hatten göttliches Leben, aber die Identifikation des neuen Lebens mit Christus selbst kannten sie nicht; das ewige Leben, durch das Gott als Vater erkannt werden kann (Joh 17,3), besaßen sie nicht – und das ist die Fähigkeit des ewigen Lebens.

Sohnschaft ist ein anderer Gedanke als Kindschaft. Johannes hat es nicht mit der Sohnschaft zu tun, den Titel Sohn hat er für den ewigen Sohn reserviert. Sohnschaft im neutestamentlichen Sinn bedeutet, durch Adoption in die Stellung von Söhnen versetzt worden zu sein. Kindschaft dagegen hat mit Natur zu tun, durch die neue Geburt haben wir die Natur Gottes. Und um diese Segnung geht es hier.

„…die nicht aus Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (Joh 1,13)

Dieser Vers zeigt uns eine dreifache Unmöglichkeit, dieses Recht als Kinder Gottes irgendwie erwerben zu können. Weder aus Geblüt, d.h. nicht aus vornehmer Herkunft und hoher Abstammung, auch nicht aus dem Willen des Fleisches, d.h. nicht aus eigener Gott entgegengesetzter Anstrengung, und auch nicht aus dem Willen des Mannes, d.h. nicht aus eigener Willenskraft, werden wir zu Kindern Gottes. Es ist ein Werk Gottes.

Der Ausdruck Fleisch wird hier zum ersten Mal im Neuen Testament als die böse in uns wohnende Natur gebraucht. Dieser Ausdruck hat ja verschiedene Bedeutungen im Wort Gottes; z.B. Fleisch als hinfälliges Geschöpf (1. Pet 1,24). An keiner Stelle im ganzen Alten Testament wird Fleisch als Ausdruck der bösen Natur gebraucht – hier jetzt zum ersten Mal.

In Römer 9 finden wir eine ähnliche Zusammenstellung dieser drei Punkte im Blick auf Abrahams Nachkommen. Von ihnen wird gesagt, dass sie nicht allein deshalb Abrahams Kinder sind, weil sie natürlicherweise von Abraham abstammen; und dann folgen ab Vers 8 drei parallele Punkte zu dem, was wir hier in Vers 13 haben:

  • nicht Kinder des Fleisches (Röm 9,8) – nicht aus Geblüt, nicht aus menschlicher Nachkommenschaft
  • nicht aus Werken (Röm 9,12) – nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus eigener Anstrengung
  • nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden (Röm 9,16) – nicht aus dem Willen des Mannes, nicht aus eigener Willenskraft

Vers 12 zeigt uns die Seite der Verantwortung des Menschen: Sie nehmen Christus auf, sie glauben an Seinen Namen, das ist die Bekehrung. Es ist nicht ein intellektueller Glaube, sondern ein innerliches Für-wahr-Halten, was Gott sagt, die Gabe Gottes für sich persönlich in Anspruch zu nehmen. Vers 13 zeigt uns die dann Seite Gottes, was Er tut: Er schenkt die neue Geburt. Beides steht nebeneinander und geschieht zur gleichen Zeit (Joh 20,31). Wer an den Namen des Herrn Jesus glaubt, wird zur gleichen Zeit von neuem geboren.

Die neue Geburt ist ein sehr geheimnisvoller Vorgang. In Johannes 3,5 beschreibt der Herr Jesus, was geschieht, wenn eine Seele von neuem geboren wird. Es ist in jedem Fall die Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der das Wort Gottes benutzt. Wasser und Geist; der Heilige Geist ist der Tätige, der diese neue Geburt bewirkt, und dies geschieht in Verbindung mit dem Wasser, dem Wort Gottes in seiner reinigenden Kraft. In 1. Petrus 1,23 wird bestätigt, dass das Wort Gottes das Instrument ist, das durch den Geist Gottes auf die Seele des Menschen angewendet wird. Das geht nicht ohne Glauben aufseiten des Menschen, aber die neue Geburt ist ein Werk Gottes, der Wille Gottes ist dabei in Tätigkeit (Jak 1,18). Das Geborensein aus Gott hat also in Gott seinen Ursprung, und Er benutzt den Heiligen Geist, um dieses Leben durch das Wort Gottes zu vermitteln. Und auch der Herr Jesus selbst als der verherrlichte Mensch zur Rechten Gottes gibt uns das ewige Leben (Joh 17,2). Alle drei Personen der Gottheit wirken darin zusammen.

Welch ein Glück, aus Gott geboren zu sein, seinen Ursprung in Gott zu haben! Es ist etwas Gewaltiges! Diese Kindschaftsbeziehung kann nie aufgelöst werden. Aus Gott geboren zu sein, Kind Gottes zu sein, bedeutet, eine ewige Heilssicherheit zu besitzen. Nie werden wir dieses Teil verlieren können – Kinder Gottes werden wir in alle Ewigkeit sein. Die neue Geburt wird uns nicht nur hier auf der Erde begleiten; es wird ewig unser Teil sein, Kinder Gottes zu sein.