Nachbarn, Pharisäer, die Juden, die Eltern des Blindgeborenen – wie stehen sie zu Jesus?

„Die Nachbarn nun und die, die ihn früher gesehen hatten, dass er ein Bettler war, sprachen: Ist dieser nicht der, der dasaß und bettelte?“ (V. 8).

Wenn jetzt diese verschiedenen Personengruppen in ihrer Haltung zu dem Herrn Jesus vor uns kommen, dann sehen wir traurige Unterschiede: Es gibt solche, die neutral sind; es gibt solche, die gegen Ihn sind; und es gibt nur einen Einzigen, der sich auf die Seite des Herrn stellt – der Blindgeborene selbst. Bis Vers 34 hören wir nichts mehr von dem Herrn Jesus selbst, nur die unterschiedlichen Haltungen der einzelnen Personen oder Personengruppen zu seiner Person. Und es sind eigentlich zwei Linien, die jetzt vor uns kommen. Auf der einen Seite sehen wir, wie dieser Blindgeborene in der Erkenntnis des Herrn Jesus wächst; was darin gipfelt, dass er Ihn als den Sohn Gottes erkennt und anbetet (s. V. 35–38). Die andere Linie zeigt, wie der Widerstand und die Ablehnung, besonders der religiösen Welt, immer weiter zunehmen.

In den Versen 8–12 erkennen wir die Gegenüberstellung von einst und jetzt im Leben des Blindgeborenen. Er hatte eine spürbare Veränderung in seinem Leben erfahren, ähnlich wie Paulus es an die Epheser schreibt (s. Eph 5,8).

Der Blindgeborene wird hier auch noch als Bettler bezeichnet. Das ist ein weiteres Kennzeichen des natürlichen Menschen vor Gott: Wir waren alle arme Bettler. Niemand von uns hat etwas mitbringen können, was ihm als Verdienst hätte angerechnet werden können und womit er sich hätte rühmen können. Blind und bloß – das ist unser aller Zustand vor Gott gewesen! Und selbst der Glaube ist noch eine Gabe Gottes (s. Eph 2,8.9). Alles geht von Gott aus, Er muss wirken und schenken; und der Mensch muss darauf im Glaubensgehorsam antworten. Und das Ergebnis dessen wird so wie bei dem Blindgeborenen am Ende dieses Kapitels sein – unendlich reich geworden in der Erkenntnis des Sohnes Gottes!

„Einige sagten: Er ist es; andere sagten: Nein, sondern er ist ihm ähnlich; er sagte: Ich bin es“ (V. 9).

Zuerst wird also das soziale Umfeld des blinden Bettlers erwähnt, seine Nachbarschaft. Und da gibt es unterschiedliche Aussagen über seine Person. Doch bei dem Blindgeborenen selbst sehen wir, dass er, nachdem er mit dem Herzen geglaubt hat, jetzt auch mit dem Mund bekennt (s. Röm 10,10). Er bekennt sich zu dem, was er erlebt hatte, obwohl er noch längst nicht alles wusste.

Es ist ja erstaunlich, dass die Nachbarn ihn offenbar gar nicht wiedererkennen. Es muss eine totale äußerliche Veränderung mit ihm vorgegangen sein, seitdem ihm das Augenlicht geschenkt worden war. Geistlicherweise ist das auch bei jedem so, der von Neuem geboren worden ist. Der Mensch wird durch die neue Geburt verändert!

Ist ein Mensch, der neues Leben bekommt, eigentlich noch derselbe, oder ist er ein anderer? Er ist dieselbe Person, und er ist doch eine neue Schöpfung[1]. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden (vgl. 2. Kor 5,17).

„Sie sprachen nun zu ihm: Wie sind denn deine Augen aufgetan worden? Er antwortete: Ein Mensch, genannt Jesus, bereitete einen Brei und salbte meine Augen damit und sprach zu mir: Geh hin nach Siloam und wasche dich. Als ich nun hinging und mich wusch, wurde ich sehend“ (V. 10.11).

In dieser schlichten Wiederholung des Geschehenen wird noch einmal deutlich, wie unattraktiv und scheinbar wenig erfolgversprechend das Handeln des Herrn war. Was soll ein Brei, auf die Augen gestrichen, schon ausrichten? Wird nicht auch in gleicher Weise zu allen Zeiten das Evangelium verkannt? Es ist denen, die verloren gehen, Torheit; aber Gott gefiel es wohl, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten. Doch das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen (s. 1. Kor 1,18.21.25). Ja, in den Augen der Menschen ist es Torheit, aber bei Gott ist es Weisheit. Er benutzt ja oft das Niedrige, das Schwache, das, was in den Augen der Menschen verächtlich ist. Aber die Wirkung dessen ist immer großartig!

Diese Wirkung wird aber nur durch Glaubensgehorsam der Betreffenden erreicht. Das macht auch der Nachsatz des Blindgeborenen deutlich. Sehend wurde er erst, nachdem er im Gehorsam hingegangen war und sich gewaschen hatte. Das macht unmissverständlich klar, dass das Evangelium nicht nur eine bloße Option für den Hörenden ist; Gott zwingt zwar niemanden, doch der Hörende muss dem Evangelium Gottes gehorsam sein – sonst geht er ewig verloren. Gehorcht er aber der guten Botschaft im Glauben, bewirkt das grundlegende Lebensveränderungen.

Die ganze Antwort des Blindgeborenen auf die Frage der Nachbarn ist recht kurz, sie besteht aus zwei Sätzen, die auch nur das enthalten, was er erlebt hatte. Er geht in seiner Antwort nicht über das hinaus, was er erfahren hatte; sein Bekenntnis ist schlicht und aufrichtig. Und wie jedes Bekenntnis zu dem Herrn Jesus hinführen soll, so ist das auch bei den Worten des Blindgeborenen. Wir können nicht alle gleich gut vor anderen reden, aber wenn wir immer den Herrn Jesus vor Augen haben und in Aufrichtigkeit und Schlichtheit ein Bekenntnis ablegen, dann werden die Menschen zu dem Herrn Jesus hingeführt. Das zeigt ja auch die nächste Frage der Nachbarn: „Wo ist er?“. Das schlichte Bekenntnis hatte die Gedanken der Nachbarn auf den Herrn Jesus gelenkt. Für den Blindgeborenen war es kein Problem, zuzugeben, dass er die Antwort darauf nicht wusste. Wir können für uns daraus lernen, in vergleichbaren Situationen in unseren Antworten nicht über das hinauszugehen, was wir wirklich selbst erfahren und erlebt haben oder persönlich wissen.

Als Erstes weist der Blindgeborene in seiner Antwort auf die Person hin, die ihn geheilt hatte: „Ein Mensch, genannt Jesus“. Und auch hier geht er in seiner Beschreibung nicht weiter, als was er von Ihm wusste. Aber er bekennt Ihn als seinen Retter, denn das ist die Bedeutung des Namens Jesus – der Herr ist Rettung (s. Mt 1,21). Später wird er zu weiteren Aussagen über diese wunderbare Person geführt, und wir erkennen darin, wie er in seinem Verständnis über die Person seines Retters wächst. In Vers 17 nennt er Ihn einen Propheten, in Vers 25 bestreitet er durch das, was mit ihm geschehen war, dass der Herr ein Sünder sein könne, in Vers 33 betont er, dass Er von Gott sei, und in Vers 38 nennt er Ihn Herr und glaubt an Ihn als den Sohn Gottes.

Der Blindgeborene beschreibt jetzt, was sein Retter für ihn getan hat. Ist das nicht auch unsere eigene Erfahrung? War uns nicht nach unserer Bekehrung zunächst das am Wichtigsten, was der Herr zu unserer Rettung getan hat? Da, wo neues Leben gewirkt wurde, offenbart es sich auch in einem Zeugnis nach außen. Der Blindgeborene muss nicht aufgefordert werden, zu verkündigen, wie viel der Herr an ihm getan und wie Er sich seiner erbarmt hatte (vgl. Mk 5,19). Und er wird noch weitergeführt; am Ende des Kapitels spricht er nicht mehr von dem, was der Herr für ihn getan hat, sondern einfach nur noch von dem, was Er ist – und wird dabei zur Anbetung geführt. Welch ein Ergebnis geistlichen Wachstums in der Erkenntnis der Person seines Herrn. Möchte das auch bei uns mehr gefunden werden!

„Und sie sprachen zu ihm: Wo ist er? Er sagt: Ich weiß es nicht“ (V. 12).

Wir hatten schon gesehen, dass der Herr Jesus von Vers 7–34 nicht erwähnt wird und auch nichts sagt. Aus dieser Frage und der Antwort des Blindgeborenen können wir schließen, dass Er gar nicht mehr gegenwärtig war.

Seine Antwort kann uns auch in mancher Hinsicht Mut machen. Der Blindgeborene hat sein Unwissen über diese Frage offen zugegeben. Kennen wir nicht auch Gesprächssituationen, in denen wir ein Zeugnis für den Herrn ablegen wollen und von dem Gesprächspartner mit Fakten konfrontiert werden, die unsere Kenntnis oder Bildung übersteigen? Argumente spielen in solchen Gesprächen oft eine Rolle und sind nicht unwichtig, aber sie sollen ja nicht ein intellektuelles Überzeugt-Sein bewirken, denn retten kann allein der Glaube.

Die Antwort hier offenbart also einen gewissen Mangel im Verständnis und Wissen über die Person des Herrn. Und da können wir sicher sein, dass der Herr einen solchen nicht auf halbem Weg stehen lässt, sondern ihn weiterführen wird, was dann auch der weitere Verlauf dieses Kapitels zeigt. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass das sogar durch die Angriffe und Vorwürfe der Feinde des Herrn geschieht. Gott benutzt diesen Widerstand gegen die Person des Herrn, um den Blindgeborenen in seinem geistlichen Verständnis weiterzubringen, bis er zu dem Herrn Jesus selbst hingeführt wird.

„Sie führen ihn, den einst Blinden, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Brei bereitete und seine Augen auftat“ (V. 13.14).

Offenbar meinten die Nachbarn, dass diese wunderbare Heilung auch noch von den Pharisäern untersucht und beurteilt werden müsse, und deshalb führen sie ihn vor diese religiösen Führer der Juden. Damit werden auch diese gezwungen, sich im Blick auf die Person des Herrn zu positionieren und Stellung zu beziehen.

Im vorhergehenden Abschnitt waren die Fragen der Nachbarn noch verhältnismäßig neutral, aber diese Szene vor den Pharisäern hat schon fast den Charakter eines Verhörs, und es wird echter Widerstand gegen die Person des Herrn spürbar. Schön ist hier, zu sehen, wie der Blindgeborene unter dem Druck dieser Umstände innerlich wächst und reift und sich überhaupt nicht bangemachen lässt. Wir sollten uns noch einmal vor Augen halten, dass er in diesen ganzen Unterredungen allein war – er wusste ja gar nicht, wo der Herr sich aufhielt – und deshalb nicht ständig bei seinem Retter nachfragen konnte, wie er sich verhalten und was er erwidern solle. Trotzdem wird sein Zeugnis ständig klarer und wir sehen, wie er in seinem Erkennen wächst. Er erfährt jetzt, was der Herr einmal seinen Jüngern gesagt hatte: „Wenn sie euch aber vor die Synagogen und die Obrigkeiten und die Gewalten führen, so seid nicht besorgt, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in derselben Stunde lehren, was ihr sagen sollt“ (Lk 12,11.12).

Die Erwähnung des Sabbats durch den Heiligen Geist zeigt, worauf das Hauptaugenmerk dieser Pharisäer gerichtet war: Das Gesetz und darüber hinaus ihre selbst hinzugefügten Gebote. Gerade das würde im Verlauf ihrer Untersuchung zum Problem erhoben werden, und es wird deutlich werden, dass sie nicht bereit waren, dieses Werk Gottes und den, der es gewirkt hatte, anzuerkennen. Das ist umso schwerwiegender, weil doch diese Frage des Heilens an einem Sabbat schon in Johannes 7 geklärt worden war (s. V. 20 ff.). Dort hatte sich der Herr in seiner Unterredung auf die Heilung des Hilflosen am Teich Bethesda in Johannes 5 bezogen, die Er auch an einem Sabbat gewirkt hatte.

„Nun fragten ihn wiederum auch die Pharisäer, wie er sehend geworden sei. Er aber sprach zu ihnen: Er legte mir Brei auf die Augen, und ich wusch mich, und ich sehe“ (V. 15).

In diesem Abschnitt hat der Blindgeborene mit Menschen zu tun, die von Anfang an nicht glauben wollen. Er steht jetzt vor solchen, die alles besser wissen; aber er bleibt bei seiner Schlichtheit und Aufrichtigkeit. Das wiederum führt dazu, dass die Gedanken auf die Person des Herrn Jesus gelenkt werden, denn sie fragen ihn in Vers 17: „Was sagst du von ihm?“

Seine Antwort steht nicht im Widerspruch zu dem, was er den Nachbarn gesagt hatte, aber wir spüren auch, dass er in seinen Worten knapper wird. Er spricht hier nur noch von drei Dingen: Von dem, was der Herr Jesus an ihm getan hatte, von seinem eigenen Glaubensgehorsam und von dem wunderbaren Ergebnis des Ganzen.

„Da sprachen einige von den Pharisäern: Dieser Mensch ist nicht von Gott, denn er hält den Sabbat nicht. Andere sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? Und es war Zwiespalt unter ihnen“ (V. 16).

Die Pharisäer konnten das Ergebnis der Heilung, dass der Blindgeborene jetzt sehen konnte, nicht leugnen. Deshalb bemühen sie sich, die Person des Herrn, der dieses Wunder gewirkt hatte, herabzuziehen. Zuerst versuchen sie, in der Art und Weise des Handelns des Herrn einen Fehler zu finden. In ihren Augen und nach ihrer Sichtweise der Vorschriften und Gebote kommen sie gegen besseres Wissen zu der Schlussfolgerung, dass Er nicht von Gott sein könne. Weil die Heilung an einem Sabbat geschehen war, waren sie der Überzeugung, dass sie unmöglich von Gott gewirkt sein könne.

Nikodemus als einer ihrer Obersten hatte allerdings deutlich zu dem Herrn gesagt, was die Pharisäer über Ihn dachten: „Wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen“ (Joh 3,2). Das war ihre innere Überzeugung bezüglich der Person des Herrn Jesus. Und wenn sie jetzt behaupten, dass Er nicht von Gott sei, dann ist das reine Heuchelei wider ihre eigene Überzeugung.

Einige von ihnen sprechen in völliger Verachtung von dem Herrn und nennen Ihn „dieser Mensch“. Sie sprechen Ihm ab, dass Er überhaupt irgendetwas mit Gott zu tun hätte: „Dieser Mensch ist nicht von Gott.“ Das geht noch weiter, als abzustreiten, dass Er von Gott gesandt worden ist. Und wenn sie im Blick auf den Sabbat sagen, dass der Herr diesen nicht halten würde, ist das eine Unwahrheit. Was der Herr getan hatte, widersprach nur völlig dem, was ihren Vorstellungen nach an einem Sabbat geschehen durfte und was nicht. Der Herr Jesus hielt in jeder Hinsicht das Gesetz und damit natürlich auch den Sabbat! Sein Wirken am Sabbat hier war überhaupt nicht im Widerspruch zu dem Gesetz Gottes.

Auch unter den Pharisäern sehen wir – wie eigentlich im gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte –, dass sich an der Person des Herrn Jesus die Geister scheiden. Es entstand ein Zwiespalt unter ihnen. Es gab solche, die in der Heilung des Blindgeborenen ein Zeichen sahen. Aber wie konnte ein solches Zeichen durch einen in ihren Augen sündigen Menschen, der das Gesetz übertreten hatte, getan worden sein? Deshalb prallten hier verstandesmäßige Meinungen aufeinander, mehr war dieser Zwiespalt nicht. Ein wirkliches inneres Fragen über die Person des Herrn war damit nicht verbunden.

Drei Mal wird in diesen Kapiteln von einem Zwiespalt unter den Juden berichtet. In Johannes 7,43 ist die Person des Herrn der Grund, in Johannes 10,19 entsteht der Zwiespalt wegen der Worte des Herrn, und hier in Johannes 9,16 sind die Werke des Herrn der Auslöser. Seine Person, seine Worte und seine Werke – der Herr Jesus ist in allem, was Ihn ausmacht, der Entscheidungspunkt für jeden Menschen.

Wir können aus diesen drei Stellen auch lernen, was in der heutigen Zeit zu Zwiespalt oder Spaltungen, zu Haarrissen unter Gläubigen führen kann und leider auch schon oft geführt hat: Wenn wir menschliche Meinungen über die Person des Herrn Jesus zulassen, die dem Wort Gottes fundamental widersprechen (s. Joh 7); wenn wir an den Werken des Herrn Jesus Abstriche machen, weil wir menschliche, eigene Ziele verfolgen (s. Joh 9); oder wenn wir etwas von den Worten des Herrn Jesus, von den grundsätzlichen Belehrungen der Heiligen Schrift, wegnehmen und es durch menschliche Überlegungen ersetzen (s. Joh 10).

„Sie sagen nun wieder zu dem Blinden: Was sagst du von ihm, weil er deine Augen aufgetan hat? Er aber sprach: Er ist ein Prophet“ (V. 17).

Die Pharisäer, die nicht glauben wollen, bleiben in ihrer geistlichen Blindheit. Doch bei dem Blindgeborenen sehen wir geistliches Wachstum. Auch hier werden wir an die Worte erinnert, die der Herr selbst einmal gesagt hat: „Die Lampe des Leibes ist dein Auge; wenn dein Auge einfältig ist, so ist auch dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster“ (Lk 11,34). Sowohl der Blindgeborene einerseits als auch die Pharisäer andererseits sind anschauliche Beispiele der Wahrheit dieser Worte.

Das Zeugnis, dass der Blindgeborene jetzt über den Herrn Jesus abgibt, ist etwas überraschend. Ein Prophet ist jemand, der, aus der Gegenwart Gottes kommend, Menschen in das Licht Gottes stellt. Die Frau am Jakobsbrunnen war zu der gleichen Aussage geführt worden (s. Joh 4,19), als der Herr ihr ihre ganze erbärmliche Vergangenheit ins Gesicht gesagt hatte. Sie fühlte sich in das Licht Gottes gestellt.

Weiteres Verständnis über diese Aussage des Blindgeborenen, dass der Herr ein Prophet sei, gibt uns 5. Mose 18,18.21.22: Er hatte durch den Herrn Jesus den Brei auf die Augen gestrichen bekommen und musste mit diesem Brei auf den Augen zu dem Teich Siloam gehen und sich dort die Augen waschen. Dadurch wurde er sehend, die Worte des Herrn hatten sich also bei ihm erfüllt. Der Herr hatte sich auf diese Weise als Prophet erwiesen: Er war aus der Gegenwart Gottes gekommen, hatte Worte zu ihm geredet und diese Worte waren eingetroffen.

Dass der Herr ein Prophet ist, ist noch nicht die höchste Art von Kenntnis, die der Blindgeborene über die Person des Herrn Jesus bekommt. Am Ende des Kapitels lernt er, dass Er der Sohn Gottes ist. Ihn als Prophet erkannt zu haben, ist ein Fortschritt gegenüber Vers 11, aber er ist noch längst nicht am Ziel, zu dem der Herr ihn führen will. Das ist jedoch nicht nur damit verbunden, dass sich die Worte des Herrn in seinem Fall als wahr erwiesen hatten, sondern er sagt damit gewissermaßen: „Was immer Er sagt, erweist sich als wahr!“ Er erkennt an, dass das Wort des Herrn Autorität besitzt. Was Er ausspricht, ist deshalb wahr, weil Er es sagt.

Es war die Annahme des Wortes des Herrn im Glaubensgehorsam, die zur Heilung des Blinden geführt hatte; und die Tatsache, dass er die Worte des Herrn als direkt von Gott kommend annimmt, ist der Schlüssel für sein weiteres Wachstum.

„Die Juden nun glaubten nicht von ihm, dass er blind gewesen und sehend geworden war, bis sie die Eltern dessen riefen, der sehend geworden war. Und sie fragten sie und sprachen: Ist dieser euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde? Wie sieht er denn jetzt?“ (V. 18.19).

Die Juden versuchen jetzt nicht nur, das Handeln des Herrn, sondern das geschehene Zeichen selbst unwirksam zu machen. Deshalb holen sie die Eltern und behaupten, dass nur sie sagen würden, dass ihr Sohn blind geboren worden sei. Sie versuchen alles, um das, was sie nicht leugnen konnten, irgendwie wegzubekommen. Damit machen sie klar, dass sie willentlich blind bleiben wollen.

„Seine Eltern antworteten nun und sprachen: Wir wissen, dass dieser unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde; wie er aber jetzt sieht, wissen wir nicht, oder wer seine Augen aufgetan hat, wissen wir nicht. Fragt ihn! Er ist mündig, er wird über sich selbst reden“ (V. 20.21).

Leider bleiben die Eltern auf einem Boden der Neutralität stehen. Sie bezeugen, dass der Blindgeborene ihr Sohn ist und dass er tatsächlich blind geboren wurde. Aber im Blick auf alles Weitere halten sie sich neutral und schieben die Verantwortung ihrem Sohn zu.

Was muss es für den Sohn gewesen sein, der ja dabeistand, als er diese Worte seiner eigenen Eltern hörte, wie sie ihn praktisch verleugneten. Sie hatten ihn bis zu seinem Erwachsenwerden als Blinden umsorgt, aber jetzt war ihre Furcht vor den Juden größer als ihre natürliche Zuneigung zu ihrem Sohn. Sie verleugneten wegen dieser religiösen Bedrohung ihre Beziehung, die sie von der Schöpfung her hatten.

In der Hinsicht, dass ihr Sohn auch geistlicherweise vom Blindsein zum Sehen gekommen war, traf es allerdings zu, dass sie nicht wussten, wie das geschehen war, denn sie hatten das ja an sich selbst nicht erfahren. Das kann man nicht beobachten, man muss es selbst erfahren haben. Man kann den Prozess einer Bekehrung nicht beschreiben, wenn man sie selbst noch nicht erlebt hat.

„Dies sagten seine Eltern, weil sie die Juden fürchteten; denn die Juden waren schon übereingekommen, dass, wenn jemand ihn als Christus bekennen würde, er aus der Synagoge ausgeschlossen werden sollte. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist mündig, fragt ihn“ (V. 22.23).

Bei den hier erwähnten Juden geht es um die verantwortlichen Führer im jüdischen Volk. Hier wird sehr deutlich, dass sie nicht nur selbst nicht glauben wollen, sondern dass sie auch ein Hindernis für andere sind, sich zu dem Herrn Jesus zu bekennen und Ihn anzunehmen. Der Blindgeborene hatte den Herrn als Propheten bezeichnet; die Juden sahen aus ihrem Gesetz deutlich, dass es der Messias sein musste (s. Jes 35,5); und weil sie das in ihren Herzen spürten, lehnten sie Ihn ab, durfte Er dieses Wunder nicht vollbracht haben. Das kam für sie nicht in Frage. Deshalb wollten sie jede Möglichkeit ausschließen, dass irgendjemand in ihrem Umfeld ein positives Bekenntnis über den Herrn ablegte.

„Menschenfurcht legt einen Fallstrick; wer aber auf den HERRN vertraut, wird in Sicherheit gesetzt“ (Spr 29,25). Die Eltern müssen gewusst haben, was die Führer der Juden mit solchen vorhatten, die sich zu dem Herrn bekennen würden. Aus der Synagoge ausgeschlossen zu werden, bedeutete, völlig vom Gemeinwesen Israels abgetrennt zu werden. Es war eine extreme religiöse und gesellschaftliche Ächtung. Das auf sich zu nehmen, waren die Eltern offensichtlich nicht bereit. Deshalb vermieden sie das klare Bekenntnis von etwas, was sie sicher wussten.

Wie oft beschleicht uns Menschenfurcht! Uns beschämen die Berichte aus der Kirchengeschichte, wo wir Beispiele von treuen Gläubigen finden, die wegen ihres klaren Bekenntnisses zu ihrem Herrn auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Selbst auf dem Weg zum Scheiterhaufen wurde ihnen oft noch die Verschonung angeboten, wenn sie ihren Glauben widerrufen würden. Aber sie hielten unbeirrt fest und bezeugten selbst angesichts der Flammen den Namen des Herrn. Wenn Menschenfurcht uns beherrscht, geht damit oft ein Mangel an Gottesfurcht einher.

Es ist auffallend, dass in diesen beiden Versen zweimal die Begründung gegeben wird, warum die Eltern des Blindgeborenen so antworteten: „Dies sagten seine Eltern, weil …“; „Deswegen sagten seine Eltern …“. Sie hatten keinen lebendigen Glauben und deshalb hatten sie auch keinen Halt – sie waren in wirklicher Angst vor den Folgen.


Fußnoten:

  1. Wir können die drei Aussagen in diesem Vers 9 mit den drei Ausdrücken in Galater 2,19.20 vergleichen. Wenn hier einige der Nachbarn sagen: „Er ist es“, dann kann darin das alte Ich, der alte Mensch vor seiner Bekehrung, gesehen werden, von dem Paulus in Galater 2,19–20 sagt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich“. Andere Nachbarn sagten: „Er ist ihm ähnlich“; darunter können wir das neue Ich nach der Bekehrung sehen, von dem Paulus in Galater 2,20 sagt: „Christus lebt in mir“. Und wenn der Blindgeborene darauf erwidert: „Ich bin es“, dann ist darin die Persönlichkeit des Gläubigen zu sehen, von der Paulus in Galater 2,20 sagt: „Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben“; diese Persönlichkeit des Gläubigen bleibt auch im Himmel unverändert.